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# taz.de -- Hetze ist verboten – auch von der Kanzel: Keine Gnade für Pastor…
> Wegen Volksverhetzung hat das Bremer Amtsgericht den Geistlichen Olaf
> Latzel verurteilt. Der ist online ein Star der Evangelikalen.
Bild: Vorm Urteil: LSGBT-Aktivist*innen und Fans von Prediger Olaf Latzel demon…
Bremen taz | Beten hilft. Während vergangenen Freitag vorm Bremer
Amtsgericht [1][gegen den örtlichen Pastor Olaf Latzel verhandelt wurde],
hatten sich die Getreuen des Homophobie-Predigers in dessen Gemeinde
zusammengefunden. In der Martini-Kirche flehten sie vom frühen Morgen an zu
Gott, die Vorsitzende möge ein Einsehen haben. Und siehe, das hatte sie: Am
gestrigen Dienstag hat Amtsrichterin Ellen Best den fundamentalistischen
Geistlichen zu 90 Tagessätzen à 90 Euro verurteilt, plus Verfahrenskosten.
Wegen Volksverhetzung. Die Verteidigung hat Rechtsmittel angekündigt.
Das Gericht halte es für erwiesen, dass Olaf Latzel in einem Eheseminar im
vergangenen Herbst [2][zum Hass gegen Homosexuelle aufgerufen] habe, hieß
es zur Urteilsbegründung. Der Geistliche der Bremischen Evangelischen
Kirche (BEK) habe sie in ihrer Menschenwürde angegriffen. Die Audiodatei
des Vortrags hatte er online verbreiten lassen.
Der Prozess hatte große öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Das Gericht
hatte die Verhandlung daher in den Kammermusiksaal der örtlichen
Philharmonie, der Glocke, verlegt, um die Hygieneregeln einhalten zu
können.
Die Konflikte zwischen Ultrafrommen und Queer-Aktivist*innen schwelen in
Bremen, seit vor zwölf Jahren der Pastor die Kirche an der Weser übernommen
hatte. Vor dem Konzerthaus gab es gestern früh Kundgebungen: Neben
Martini-Christ*innen, die Plakate mit Bibelsprüchen in die eisige
Morgenluft hielten, skandierten Angehörige der Basisgruppe Antifa: „Kein
Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“ Andere spannten Regenbogenschirme auf,
und „Anti-Feministische Fundis Abtreiben!“, forderte ein Pappplakat, an
dessen Rändern rote Höllenflammen züngelten.
## „Lizenz zum Handeln“
Drinnen erläuterte Richterin Best, warum Latzels Reden weder durch
Meinungs- noch Glaubensfreiheit gedeckt sind. So gehe es über die legale,
bloße Missbilligung von Homosexualität weit hinaus, wenn er sie als
teuflische, gesellschaftliche Degeneration schmähe. Aussagen wie „Überall
laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day“ seien zudem geeignet,
den öffentlichen Frieden zu stören. Weil man sich gegen Verbrechen zur Wehr
setzen würde, könne dies „als eine Lizenz zum Handeln verstanden werden“.
Auch dass er den 30 Ehepaaren, die live an seiner Unterweisung teilnahmen,
und seinen 16.000 Follower*innen einzureden versucht hatte, eine teuflische
Homolobby wäre von der Schule bis ins Rathaus in allen möglichen Bereichen
wirksam, ziele eben nicht bloß aufs Leben in der Christengemeinde. Es
besage, „sie sollen keinen Platz haben in unserer Gesellschaft“.
Latzel und seine Verteidigung hatten gegen die Vorwürfe eingewandt, der
Prediger habe keine Menschen, sondern nur Homosexualität attackieren
wollen. „Wir sagen Ja zum Sünder, aber Nein zur Sünde“, lautet die
entsprechende Formel. Richterin Best erledigte sie nicht minder prägnant:
Anders als eine Straftat sei die sexuelle Orientierung ja ein
unveräußerlicher Teil der Persönlichkeit. „Homosexualität ohne Menschen i…
nicht vorstellbar“, stellte Best kurz und bündig klar.
Fast erleichtert klangen die Kommentare aus der Bremer Politik: Vor fünf
Jahren war [3][schon einmal der Vorwurf der Volksverhetzung gegen Latzel
erhoben] worden. Damals hatte er seinen Aggressionen gegen Katholizismus,
Buddhismus und Islam freien Lauf gelassen und seinen Schmäh-Sermon online
gestellt – in einer Zeit, in der sich Anschläge auf Moscheen häuften. Die
Bürgerschaft hatte gegen die Predigt eine Resolution verabschiedet, die
Staatsanwaltschaft aber das Verfahren ohne Ermittlungen eingestellt.
Latzels Verteidiger Sascha Böttner hatte das als rühmliches Beispiel
angeführt.
## „Gift für unsere Gesellschaft“
Indes waren die hetzerischen Inhalte diesmal viel fassbarer.
„Glaubensfreiheit ist kein Freifahrtschein für Volksverhetzung“, lobte nun
Kai Wargalla, Sprecherin für Queer der Grünenfraktion, den Entscheid. Dass
Latzel schon seit Jahren gegen queere Menschen, Frauen und Andersgläubige
hetze, sei „pures Gift für unsere Gesellschaft“. Von einem „wichtigen
Signal für die Würde queerer Menschen“ sprach Maja Tegeler von der
Linksfraktion. Sie forderte die BEK auf, dienstrechtlich tätig zu werden.
Auch der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA)
begrüßte das Urteil rundheraus. Nachdem sich die Landeskirche schon zuvor
von den Aussagen des Pastors distanziert hatte, müsse sie ihn nun „von der
Kanzel holen“, so der Bremer IBKA-Sprecher Herbert Thomsen. Der Leitende
Theologe der BEK, Schriftführer Bernd Kuschnerus, nannte die Verurteilung
„verstörend“, bezeichnete Latzels Äußerungen erneut als „nicht hinnehm…
und kündigte an, die Kirchenleitung werde über die Konsequenzen beraten.
Dem frisch verurteilten Pastor gab Richterin Best für die Zukunft einen
guten Rat. Er habe unbestreitbar „ein großes Redetalent“, die Vorführung
der fast anderthalbstündigen Ansprache habe das bewiesen. „Es bleibt zu
wünschen, dass sie diese Gabe zur Schaffung einer friedlichen Gesellschaft
und für einen respektvollen Umgang miteinander einsetzen“, so die
Richterin.
25 Nov 2020
## LINKS
[1] /Prozess-gegen-Pastor/!5727679
[2] /Ermittlungen-gegen-Bremer-Pastor/!5678512
[3] /Bremer-Krawall-Pastor-Latzel/!5022094
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Bremen
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Religion
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