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# taz.de -- Die Wahrheit: Ganz nah am Nobelpreis
> Mitunter gibt es Phasen im Leben, da nützt es, etwas von Kernphysik zu
> verstehen und einen Geigerzähler bedienen zu können.
Bild: Hier werden die Preisträger, drei Physiker, bekanntgegeben
In der Welt der Physik las ich kürzlich den Satz: „Schwarze Löcher wurden
lange nicht ernst genommen.“ Das ist bedauernswert. Wer möchte schon sein
Leben lang nur als Narr im Weltraum bekannt sein?
Aber das hat sich ja bekanntlich vor Kurzem geändert. Schwarze Löcher sind
neuerdings hochintegre Objekte in der Welt des Alls. Spätestens seit in
diesem Jahr die Nobelpreise vergeben wurden. Als aber in den
Radionachrichten der Nobelpreis für Physik gemeldet wurde, hatte mein altes
Kofferradio ein kleines kratschelndes Tonproblem – ausgerechnet bei der
Namensnennung des Physikers „Reinhard … krrz, krrz“. Einen Moment lang
öffnete sich durch die Verkündung meines Vornamens plötzlich das Tor zum
wissenschaftlichen Ruhm! Was wäre denn, wenn … ja, wenn ich ausgewählt
worden wäre?
Im Beipackzettel meines Mathematikstudiums gab es als Nebenfach Physik mit
wöchentlichen Experimenten aus allen Teilgebieten. Auch Kernphysik kam
dran. Dafür holte der Assistent aus seinem radioaktiven Brutkasten ein paar
strahlende Isotopenbrocken, die wir mit den ausgeteilten Geigerzählern auf
ihre Zerfallskurven hin untersuchen sollten. Trotzdem blieb mir der Weg zur
Kernphysik verschlossen.
Bis um 2. Mai 1986. Es war der erste Werktag nach dem Super-GAU in
Tschernobyl, an dem in der Bundesrepublik die Messwerte nach oben
schnellten. Es war auch mein erster Tag als Hörfunkpraktikant beim
Hessischen Rundfunk in Kassel, wo ich nun in meiner allerersten
Redaktionskonferenz saß. Der umtriebige Funkchef hatte umgehend einen
Geigerzähler auftreiben können und fragte in die Runde, wer sich mit den
Dingern auskenne? Verwegen hob ich meine Hand und erklärte mich bereit,
Messproben an markanten Punkten der Stadt zu nehmen.
Ich maß auf der Wilhelmshöhe, auf dem Königsplatz und auch am Auestadion,
wo ein paar Tage später das für den Bundesliga-Aufstieg vorentscheidende
Zweitligaspiel Hessen Kassel gegen Blau-Weiß 90 Berlin stattfinden sollte.
Jesses, was ist mein Geigerzähler da gehüpft! Das Knacken des Gerätes war
so beängstigend, dass wir den dortigen Wert in den Nachmittagsnachrichten
verschwiegen, denn als Fan des KSV Hessen wollten wir nicht durch unsere
voreiligen Meldungen den Aufstieg gefährden.
Doch es kam anders. Auch die offiziellen Stellen stellten eine unzumutbare
Kontamination des Rasens fest, sodass erstmals in der Geschichte ein
Fußballspiel aus Radioaktivitätsgründen abgesagt werden musste. Das
Ersatzspiel 14 Tage später endete übrigens eins zu eins, und Blau-Weiß
stieg auf.
Zurück aus dem Schwarzen Loch meiner Erinnerung wollte ich den
Nobelpreisgewinner eruieren. Sollte ich wirklich 34 Jahre nach Tschernobyl
für meine damals meisterhaft verschwiegenen Messergebnisse ausgezeichnet
werden? Zum Glück kam die Entwarnung. Der ausgezeichnete Reinhard hieß
Genzel. Aber immerhin: So nahe dran war ich noch nie!
24 Nov 2020
## AUTOREN
Reinhard Umbach
## TAGS
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Physik
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