# taz.de -- Heimstaden akzeptiert Milieuschutz: Gemischte Gefühle nach Abwendu… | |
> Die Wohnungsfirma Heimstaden unterzeichnet in Berlin | |
> Abwendungsvereinbarungen für 82 Häuser in Erhaltungsgebieten. Aber 48 | |
> Häuser gehen leer aus. | |
Bild: Dieser Neuköllner Mischling hat Angst um die Berliner Mischung: Mieter:i… | |
Berlin taz | Viele Mieter:innen der durchschlagkräftigen | |
[1][Mieter-Initiative „Stop Heimstaden“] sind enttäuscht. Dass sie dennoch | |
viel erreicht haben, wissen sie wohl trotzdem: „Trotz allem Frust: Wir | |
haben starke Hausgemeinschaften gewonnen, an denen Heimstaden sich die | |
Zähne ausbeißen wird. Und wir haben gesehen, dass wir nicht machtlos sind! | |
Ohne unseren Kampf hätten sie die Häuser umsonst bekommen“, schreibt das | |
[2][Bündnis auf Twitter]. | |
Und aufhören mit ihrem Protest werden die Mieter:innen wohl noch lange | |
nicht. Am Freitagnachmittag protestierten sie vor der Berliner | |
Heimstaden-Niederlassung in der Friedrichstraße, am Sonntag sollte eine | |
Kundgebung um 16 Uhr am Leopoldplatz stattfinden. Man müsse weiter auf die | |
Straße. Denn selbst mit Abwendungserklärungen sei kein Haus dauerhaft | |
gesichert, viele blieben ohne jeden Schutz, heißt es von [3][der | |
Initiative]. | |
Der Grund für die ambivalenten Gefühle: Am Freitagabend haben die Bezirke, | |
die Senatsverwaltung und der Wohnungskonzern Heimstaden nach zunächst sehr | |
zähen Verhandlungen endlich Abwendungsvereinbarungen für gut 2.200 | |
Wohnungen in 82 Häusern getroffen. | |
Die schwedische Firma des mit Immobiliengeschäften reich gewordenen | |
mehrfachen Millardär Ivar Tollefsen ist derzeit auf Shopping-Tour in Berlin | |
und hat hier zuletzt für 800 Millionen Euro 130 Häuser gekauft. 83 Häuser | |
liegen in [4][Milieuschutzgebieten:] das bedeutet, dass die Bezirke hier | |
ein [5][Vorkaufsrecht] hätten. Dies lässt sich abwenden mit einer | |
Verpflichtung auf sozialen Mieterschutz, der [6][sogenannten | |
Abwendungsvereinbarung] (siehe Kasten). | |
## Schutz für viele – nicht für alle | |
Zumindest einem großen Teil der betroffenen Mieter:innen hat Heimstaden nun | |
zugesichert, in den nächsten 20 Jahren auf Umwandlungen in Eigentum zu | |
verzichten. Für zehn Jahre verpflichtet sich Heimstaden zudem darauf, nicht | |
möbliert und befristet zu vermieten. Bestehende befristete und möblierte | |
Mietverhältnisse sollen in reguläre überführt werden. Modernisierungskosten | |
dürfen hier nur in Haushalten umgelegt werden, in denen die Nettokaltmiete | |
30 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigt, wie es in einer | |
[7][gemeinsamen Pressemitteilung der Bezirke und des Senats] heißt. | |
Ein Vorkauf wäre aufgrund der hohen Kaufpreise von Heimstaden vor allem in | |
einer angespannten Corona-Haushaltslage wohl kompliziert geworden. Auch | |
deshalb sind die beteiligten Verhandler:innen von öffentlicher Seite über | |
den Deal froh. Neuköllns Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) sagte: | |
„Ein Paketkauf dieser Größe ist eine wahnsinnig schwierige Aufgabe für alle | |
Beteiligten.“ Das geschlossenes Auftreten der Bezirke und | |
Senatsverwaltungen habe sich gelohnt. Er bedanke sich bei allen | |
Mieter:innen: „Wer in Berlin kauft, darf die Rechnung nicht ohne die | |
Mieter*innen machen“, sagte er. | |
Die Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (Linke), sagte: „Es ist in | |
den Verhandlungen gelungen, Heimstaden davon zu überzeugen, dass die | |
Einhaltung der Ziele des Milieuschutzes nicht fakultativ ist.“ Das Ergebnis | |
sei ein Erfolg und bringe für die Mieter:innen die Sicherheit, langfristig | |
in ihrem Zuhause und ihrer Nachbarschaft bleiben zu können. | |
Staatssekretärin für Finanzen Vera Junker, (SPD), sagte, die | |
Abwendungsvereinbarungen gewährleisteten die Zusammensetzung bestehender | |
Mieterstrukturen. „Es ist erfreulich, dass in konstruktiven Gesprächen | |
Abwendungsvereinbarungen erzielt werden konnten.“ | |
Vor einer Woche klang das noch deutlich anders: Heimstaden hatte sich bis | |
kurz vor Ablauf der zweimonatigen Vorkaufsfrist nach taz-Informationen | |
beharrlich geweigert, sich auf das [8][20-jährige Umwandlungsverbot | |
einzulassen]. | |
Auch im Hinterkopf behalten sollte man: Die getroffenen Regelungen gelten | |
nur für knapp zwei Drittel der erworbenen Häuser. Jene 48 Häuser, die nicht | |
in einem der sozialen Erhaltungsgebiete Berlins liegen, sind den | |
Marktkräften weiterhin schutzlos ausgeliefert. Dort können sich die | |
Mieter:innen wohl darauf einstellen, dass der Konzern hier die Renditeziele | |
nach dem teuren Kaufpreis umso härter durchsetzten wird. | |
Immerhin verspricht [9][Heimstaden in seiner Pressemitteilung] allen | |
Mieter:innen das Blaue vom Himmel: „Alle unsere deutschen Kunden können | |
sicher sein, dass sie langfristig planen können, wenn sie eine Wohnung von | |
Heimstaden mieten“, sagt der Vorstandsvorsitzende Patrik Hall. Man wolle | |
langfristig ein engagierter und fairer Partner auf dem Berliner | |
Wohnungsmarkt sein. An diesen Worten muss sich der Konzern messen lassen – | |
auch von den Mieter:innen aus den 48 Häusern, für die keine | |
Abwendungsvereinbarung gilt. | |
22 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/SHeimstaden/status/1329917678514020361 | |
[2] https://twitter.com/SHeimstaden | |
[3] https://twitter.com/SHeimstaden/status/1330094081020727296 | |
[4] https://www.berliner-mieterverein.de/recht/infoblaetter/info-68-milieuschut… | |
[5] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/stadtern… | |
[6] /Protest-gegen-die-Deutsche-Wohnen/!5691641 | |
[7] https://www.berlin.de/ba-neukoelln/aktuelles/pressemitteilungen/2020/presse… | |
[8] /Berliner-wehren-sich-gegen-Heimstaden/!5725082 | |
[9] https://heimstaden.de/app/uploads/2020/11/20201120_PR_DE_Heimstaden-einigt-… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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