# taz.de -- Christian Linder und Friedrich Merz: Ganz nah beieinander | |
> Christian Lindner stellt das Buch von Friedrich Merz vor. Die beiden sind | |
> sich weitgehend einig. Das könnte für einen von beiden zum Problem | |
> werden. | |
Bild: „Neue Zeit. Neue Verantwortung“- Merz und Lindner bei der Buchvorstel… | |
BERLIN taz | Er habe ja „ein Faible für Bücher von ehemaligen Politikern“, | |
sagt FDP-Chef [1][Christian Lindner.] Damit meint er das Werk „Neue Zeit, | |
neue Verantwortung“ von Friedrich Merz. Der Liberale soll das Buch am | |
Freitagmittag in Berlin vorstellen, ohne Publikum. Man sitzt in einem | |
Bundestagsbüro, an der Wand ein Bild des von Christo verhüllten | |
Bundestages. Auf dem Cover des Buches blickt der 64-jährige Merz recht | |
jugendlich in die Kamera, im Hintergrund der Bundestag. Viel Bundestag | |
also. | |
Lindner gönnt sich ein, zwei Sticheleien. So sei bei dem Kapitel über | |
Steuerpolitik „der frühere Fachpolitiker“ Merz zu hören. Das ist eine | |
zweite zarte Andeutung, dass der CDU-Mann doch recht lange auf der | |
Ersatzbank saß. Ansonsten ist Lindner voll des Lobes für das Werk, das er | |
für authentisch hält – was heißen soll, dass er vermutet, dass Merz es | |
selbst geschrieben hat. | |
Solche Nettigkeit ist dem Format der Buchvorstellung geschuldet – aber | |
nicht nur. In zentralen Fragen sind die beiden sich einig. Etwa, dass man | |
die Klimakrise mit Marktmechanismen schon in den Griff bekomme und dass es | |
falsch sei, sich von dem Verbrennungsmotor zu verabschieden. | |
Merz fordert „mehr Technikbegeisterung“, Lindner will die | |
„Selbstbürokratisierung“ überwinden. Merz findet, dass wir in einem tollen | |
Land leben, Lindner kritisiert, dass wir zu wenig über das Erwirtschaften | |
und zu viel über Verteilung redeten. Für Technik und Markt, gegen | |
Bürokratie und Umverteilung, das sind liberal-konservative Evergreens. | |
## Merz nickt, Lindner nickt | |
Fridays for Future lobt Merz als erfreuliches Engagement junger Menschen, | |
denen man freilich die Segnungen der Marktwirtschaft noch nahebringen | |
müsse. Lindner sagt indes gereizt, er habe einfach keine Zeit für solche | |
Bewegungen und mache lieber Sachpolitik. Er hatte FFF schon mal erklärt, | |
dass sie [2][die Weltrettung Profis überlassen] sollen. Merz nickt oft, | |
wenn Lindner spricht, Lindner nickt oft, wenn Merz spricht. | |
Beiden fällt auf, dass diese traute Eintracht suboptimal ist. Man vertritt | |
ja verschiedene Parteien. Da macht der fast fugenlose Konsens keinen guten | |
Eindruck. „Was wird da die CDA, was soll da meine Partei sagen?“, so | |
Lindner mit Blick auf den Arbeitnehmerflügel der CDU. Das ist eine gute | |
Frage. Dem FDP-Chef fällt zum Glück noch ein, dass er mit einer | |
europäischen Arbeitslosenversicherung nicht einverstanden ist, die Merz | |
freilich nur als Ziel in ferner Zukunft skizziert. | |
Dass sich so gar kein brauchbarer Dissens findet, ist für Lindner, falls | |
Merz CDU-Chef wird, eine trübe Aussicht. Denn der spricht weitgehend den | |
Text der FDP, die sowieso schon ausgemergelt wirkt. | |
Allerdings tut Merz derzeit viel dafür, der FDP diese Verlegenheit zu | |
ersparen. Seine markige Ankündigung vom Donnerstag, mit Trump würde er | |
schon klarkommen, wirkte mal wieder breitbeinig und kurzsichtig. Bei der | |
Buchpräsentation betont er hingegen, dass Merkels Abgang „eine Zäsur, aber | |
kein Bruch“ sei. [3][Das ist als Beruhigung gedacht] und als Ansage, nicht | |
den Anti-Merkel zu geben. | |
## Mit Trump klarkommen? Breitbeinig und kurzsichtig | |
Lindner fällt doch noch ein kritischer Punkt ein. Der CDU-Mann erwähne die | |
SPD-Entspannungspolitik und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze nicht. | |
„Das mach ich in der zweiten Auflage“, sagt Merz munter – eine angesichts | |
des phrasenhaften Stils des Buches kühne Ankündigung. | |
Nach einer Stunde zeigt Lindner demonstrativ auf seine Uhr. Er ist ja | |
aktiver Politiker und hat Verpflichtungen im Bundestag – anders als Merz. | |
6 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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