# taz.de -- Verbindungen von Wien-Attentäter: Alles wird geprüft | |
> Innenminister Seehofer sieht nach dem Wien-Anschlag auch in Deutschland | |
> eine „hohe Gefährdungslage“. Deutsche hätten den Attentäter nicht | |
> unterstützt. | |
Bild: Will nun härter gegen Gefährder vorgehen: Bundesinnenminister Horst See… | |
BERLIN taz | Die Abfrage startete sofort. Kaum war klar, dass die | |
[1][Schüsse von Wien] einen islamistischen Hintergrund hatten, prüften die | |
deutschen Sicherheitsbehörden Bezüge in die Bundesrepublik, nahmen die | |
Aktivitäten hiesiger Islamisten genau in de Blick. Am Dienstagabend | |
schalteten sich auch Bundesinnenminister Horst Seehofer und die | |
Landesinnenminister zusammen. Drohten Folge-Anschläge auch in Deutschland? | |
Die Sicherheitsbehörden halten das für möglich – denn bereits zuvor war | |
eine Welle tödlicher Messerangriffe losgetreten. Anfang Oktober hatte ein | |
Islamist [2][in Dresden einen 55-Jährigen erstochen] und seinen Partner | |
schwer verletzt. Es folgten tödliche Messerattacke in | |
[3][Conflans-Sainte-Honorine] bei Paris, in [4][Nizza] und nun in Wien. | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warnte am Mittwoch vor einer | |
Anschlagsgefahr auch hierzulande. „Die Gefährdungslage ist anhaltend hoch“, | |
sagte sein Sprecher. Die Sicherheitsbehörden seien „hochsensibel und | |
hellwach“ und hätten die dschihadistische Szene im Blick. Den Anschlag in | |
Wien verurteilte Seehofer als „barbarischen Terrorakt“. | |
Erkenntnisse, dass Deutsche den Anschlag in Wien unterstützt hätten, gebe | |
es jedoch nicht, erklärte Seehofers Ministerium. Gleichwohl existiere einen | |
hohen Vernetzungsgrad in der europäischen Islamismus-Szene. Auch im Fall | |
des Wien-Attentäters müsse daher von entsprechenden Kontakten ausgegangen | |
werden. Dies werde nun geprüft. | |
## Informierung hinter verschlossenen Türen | |
Gleichlautend äußerte sich am Mittwoch nach taz-Informationen BKA-Chef | |
Holger Münch hinter den verschlossenen Türen des Innenausschusses im | |
Bundestags. Man werde alle möglichen Bezügen des Wiener Attentäters nach | |
Deutschland prüfen, versprach auch er. | |
Der 20-jährige Islamist Kujtim F. hatte am Montagabend in Wien vier | |
Menschen erschossen und mindestens 22 verletzt. Kurz darauf wurde er von | |
der Polizei erschossen. Die Polizei durchsuchte danach mehrere Wohnungen | |
und nahm 14 Personen fest. Deutsche waren nicht darunter. | |
Zumindest in einem früheren Urteil gegen Kujtim F. ist aber ein kurzen | |
Kontakt zu zwei deutschen Islamisten vermerkt. Der Wiener hatte 2018 zum IS | |
nach Syrien ausreisen wollen und war dazu in ein sogenanntes „Safehouse“ | |
von Islamisten in die Türkei gereist – wo er auf die beiden Deutschen traf. | |
Wer diese sind, ist noch nicht geklärt. Der Ausreiseversuch misslang. | |
Kujtim F. wurde festgenommen und später vom Wiener Landesgericht zu 22 | |
Monaten Haft verurteilt. | |
Der Standard berichtete zudem, dass Kujtim F. schon vor Jahren in einer | |
Wiener Moschee betete, die auch dschihadistische Islamisten besuchten, | |
darunter der Prediger Mohamed Mahmoud, der enge Kontakte nach Deutschland | |
pflegte und später in IS-Propagandavideos auftrat. Auch der Konvertit | |
Lorenz K. verkehrte in der Moschee. Er hatte 2016 versucht, einen erst | |
12-Jährigen zu einem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen | |
anzustiften. Auch hier prüfen die Sicherheitsbehörden, ob Kujtim F. | |
Kontakte zu den Männern hatte. | |
## „Besondere Wachsamkeit“ für PolizistInnen | |
Unabhängig davon sind die deutchen Sicherheitsbehörden nach dem Wiener | |
Anschlag alarmiert. So wurden in Berlin laut Innenverwaltung die | |
PolizistInnen zu „besonderer Wachsamkeit“ aufgerufen, insbesondere galt das | |
für BeamtInnen im Objektschutz vor Synagogen. Die Sicherheitsvorkehrungen | |
seien aber ohnehin hoch, weil die Hauptstadt seit Jahren im Fokus des | |
internationalen Terrorismus stehe, sagte ein Sprecher von Innensenator | |
Andreas Geisel (SPD). Die Polizei sei zuletzt mit 24.000 neuen Pistolen und | |
3.500 Sturmgewehren ausgerüstet worden. Und im LKA und dem | |
Verfassungsschutz seien neue Referate gebildet worden, die sich mit | |
Islamismus befassten. | |
Seehofer erklärte, dass die Sicherheitslage auch Schwerpunkt beim nächsten | |
Treffen der EU-Innenminister am 13. November sein werde. Er werde dazu | |
zeitnah Gespräche führen. Ursprüngliches Thema sollte dort die | |
Migrationspolitik sein. „Wir können den Terroristen und ihren Hintermännern | |
nur gemeinsam das Handwerk legen“, sagte Seehofer. Auf dem Treffen würden | |
„die notwendigen Konsequenzen aus den jüngsten Anschlägen beraten“. | |
In Deutschland ist diese Debatte bereits jetzt entbrannt. 615 IslamistInnen | |
hat die Polizei hierzulande als Gefährder eingestuft und im Blick. Im Fall | |
der Dresdner Messerattacke half das nichts. Auch der dortige | |
Tatverdächtige, ein 20-jähriger Syrer, war seit August 2017 als Gefährder | |
eingestuft. Seit seiner Haftentlassung Ende September wurde er vom | |
Verfassungsschutz observiert. Dies erfolgte aber nur sporadisch – und nicht | |
zum Zeitpunkt des Angriffs. | |
Bereits nach dem Angriff von Dresden hatte Seehofer angekündigt, den | |
derzeitigen Abschiebestopp von Gefährdern nach Syrien kippen zu wollen: Er | |
sei sehr dafür zu prüfen, zumindest in befriedete Gebiete abzuschieben. | |
Mehrere CDU-Innenminister der Länder schlossen sich dem an. Andere wie die | |
sächsische Justizministerin Katja Meier widersprachen. Abschiebungen in ein | |
Bürgerkriegsland verböten sich, erklärte die Grüne. „Ein Kriegsverbrecher | |
wie Assad darf für Europa kein Ansprechpartner sein.“ | |
Nach dem Anschlag von Wien forderte CSU-Landesgruppenchef Alexander | |
Dobrindt nun erneut eine Neueinschätzung der hiesigen Gefährder. Diese | |
müssten überwacht und gegebenenfalls in Haft gesetzt werden. Die | |
Integrationsbeauftrage der Bundesregierung Annette Widmann-Mauz forderte | |
dazu auch „mehr Befugnisse für unsere Sicherheitskräfte zur Verfolgung von | |
Islamisten“. | |
4 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Terroranschlag-in-Oesterreich/!5722512 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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