# taz.de -- Evangelikale Erziehung: Hölle an der Christenschule | |
> Eine Ex-Schülerin berichtet über Mobbing durch Lehrer an der Freien | |
> Evangelischen Bekenntnisschule Bremen. Die Stadt hatte Hinweise. | |
Bild: Keine Schule, wie jede andere: An der FEBB wird streng geglaubt | |
BREMEN taz | Ihr wurde gesagt, dass etwas mit ihr nicht stimme. Dass sie | |
stehlen würde. Dass sie nichts könne. Ein Lehrer soll vor der ganzen Klasse | |
gesagt haben: „Betty, ich hasse dich!“ Passiert sein sollen all diese Dinge | |
an der privaten Freien Evangelischen Bekenntnisschule Bremen (FEBB). Und | |
das wohl nur, weil Betty, die in Wirklichkeit anders heißt, sich schwarz | |
kleidete und einen rebellischen Haarschnitt trug. | |
Für den stellvertretenden Leiter sei das ein Zeichen dafür gewesen, dass | |
sie dem Satanismus angehöre, so ihr Bericht. Die Schule bestreitet die | |
Vorwürfe: „Für uns als Schule spielen weder das Aussehen noch die sexuelle | |
Orientierung unserer Schüler*innen eine Rolle“, sagt die Geschäftsführerin | |
Hanna Trayser. „Wir begegnen allen Menschen gleich.“ | |
Das Mobbing durch die Lehrkräfte soll in den Jahren 2010 und 2011 | |
stattgefunden haben. Mindestens einen Hinweis darauf hatte das Regionale | |
Beratungs- und Unterstützungszentrum Bremen Süd (Rebuz) seinerzeit. Betty | |
war damals noch ein Kind. Jetzt ist sie erwachsen. Was bleibt, sind die | |
Narben: „Ich habe dadurch Depressionen entwickelt, man hat mir viel im | |
Leben kaputt gemacht“, sagt Betty heute. | |
Bettys Fall ist bereits der zweite Fall von Mobbing durch Lehrkräfte an der | |
FEBB. [1][Erst im Sommer hatte ein trans*Mann darüber berichtet, wie er | |
seit seinem Outing 2015 bis zu seinem Abschluss 2016 systematisch durch | |
Lehrkräfte und Schulleitung gemobbt worden sei.] Sein Bekenntnis habe auch | |
sie ermutigt, ihre Geschichte öffentlich zu machen, sagt Betty. Was er | |
beschrieben hatte, sei „an der FEBB gang und gäbe“ gewesen. | |
## Gezielt ausgegrenzt | |
Hört man ihr zu, kann man nur ahnen, wie schlimm diese Zeit gewesen sein | |
muss. Nachdem sie mit zwölf ihr Aussehen verändert hat, ging die gesamte | |
Lehrer*innenschaft auf Abstand zu ihr. Sie wurde nicht mehr gegrüßt und im | |
Unterricht nicht mehr drangenommen. Daraufhin wurde sie immer schlechter | |
benotet. „Mir wurde nichts mehr erklärt, ich wurde gezielt ausgegrenzt“, | |
sagt sie. | |
Besonders krass: Betty hat ein Nierenleiden und muss jeden Tag mindestens | |
fünf Liter trinken, ansonsten könnte sie eine Nierenvergiftung bekommen. Im | |
Unterricht durfte sie aber weder etwas trinken, noch aufs Klo gehen. Sowohl | |
der Leiter ihrer ehemaligen Grundschule als auch ein Attest bestätigten den | |
Verantwortlichen dieses Nierenleiden. | |
Ihre Lehrer*innen ignorierten es trotzdem: „Es wurde gesagt, ich würde | |
lügen, obwohl der Beweis direkt vor ihnen lag.“ Die Geschäftsführung | |
bestreitet den Vorwurf. Es habe ganz im Gegenteil eine Anweisung der | |
Klassenleitung gegeben, dass Betty jederzeit trinken und die Toilette | |
benutzen dürfe. | |
Auch die aufgezwungenen Gespräche mit dem stellvertretenden Leiter sind | |
Betty in Erinnerung geblieben. Jeden Tag musste sie ins Lehrerzimmer gehen | |
und sich mit ihm und der Sozialpädagogin unterhalten. „In den Gesprächen | |
haben sie versucht, mich zu manipulieren“, sagt Betty, „sie meinten, meine | |
Mutter wäre vom Teufel besessen, weil sie raucht, und dass man nicht normal | |
sei, wenn man dunkle Kleidung trägt.“ | |
Auch vor Mobbing durch ihre Mitschüler*innen soll Betty nicht geschützt | |
worden sein. Eine Zeit lang soll es eine große Gruppe auf dem | |
Internetportal Schüler-VZ mit dem Titel „Wir hassen Betty diese | |
Emo-Schlampe“ gegeben haben. Die Gruppe sowie das Mobbing wurde von den | |
Pädagog*innen toleriert: „Als ich das der Sozialpädagogin gemeldet habe, | |
sagte sie, sie hätte die Gruppe nicht gefunden“, sagt Betty. | |
## Lehrkräfte verbreiten Gerüchte | |
Die Lehrer*innen verbreiteten laufend Gerüchte über Betty. Sie würde | |
ständig lügen, heimlich auf dem Klo rauchen, dem Satan anhängen, wolle sich | |
umbringen oder ihre Mitschüler*innen verletzen. Vor allem habe man ihr | |
immer wieder gesagt, dass etwas mit ihr nicht stimme und dass sie nichts | |
könne. Am Ende wurde Betty von der Schule geworfen. Auf einer vom | |
stellvertretenden Schulleiter einberufenen Konferenz wiederholten die | |
Lehrkräfte alle Vorwürfe gegen Betty und schmissen sie anschließend raus. | |
Betty wechselte danach auf eine Privatschule in Gröpelingen. Doch ihr | |
Nachholbedarf machte ihr zu schaffen. Nach einigen Schulwechseln machte sie | |
dann 2018 ihren Realschulabschluss. Mittlerweile hat sie die Zulassung für | |
ihr Abi. „So doof wie die immer gesagt haben, bin ich dann wohl doch | |
nicht“, sagt sie. | |
Mittlerweile ist eine Strafanzeige gestellt. Polizei und Staatsanwaltschaft | |
ermitteln in beiden Fällen. | |
Nachdem im Sommer ein junger trans*Mann seine Erfahrungen öffentlich | |
gemacht hatte, hatte der Christopher-Street-Day-Verein (CSD) alle | |
Schüler*innen, die Diskriminierung an Schulen erfahren haben, aufgerufen, | |
sich zu melden. „Wir wollen Diskriminierungserfahrungen sammeln“, so | |
CSD-Vorstand Robert Dadanski. Daraufhin hatte sich Betty gemeldet. „Und sie | |
ist nicht mal mehr queer, es reicht schon aus, dunkle Kleidung zu tragen“, | |
sagt Dadanski. | |
Der CSD versucht derweil herauszufinden, wie es überhaupt zu den Fällen | |
kommen konnte. Laut Schulaufsichtsbehörde sind „anlasslose Kontrollen“ von | |
Schulen nicht üblich. Ein Skandal, findet Dadanski: Beide Fälle würden | |
„schmerzhaft und deutlich“ zeigen, dass Kontrollen an Bremer Schulen nicht | |
ohne Anlass wären. Annette Kemp, Sprecherin der Bildungssenatorin, | |
schreibt: „Wir sind auf Hinweise durch Schüler*innen, Eltern, Freunde, etc. | |
angewiesen.“ Die habe es aber nicht gegeben. | |
## Beratungszentrum war eingeschaltet | |
Was es allerdings gab, ist ein Gespräch zwischen Bettys Mutter, dem | |
Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentrum Bremen Süd und der FEBB. In | |
diesem wird ein vom stellvertretenden Schulleiter geäußerter | |
Missbrauchsverdacht in Bettys Familie von der Schule zurückgezogen. | |
Der hatte sich offenbar nur darauf gegründet, dass Betty ihren Bruder | |
umarmte. „Das fand er komisch“, so Betty. Die Geschäftsleitung der Schule | |
will sich zu diesem Thema nicht äußern: „Ohne Einwilligung der betroffenen | |
Personen einen solchen Sachverhalt zu diskutieren, verbietet sich aus | |
unserer Sicht.“ | |
Das Ergebnisprotokoll dieser Veranstaltung liegt vor. Es beweist, dass die | |
Stadt wenigstens Hinweise auf den Fall hatte. Daher möchte der CSD in einer | |
neuen Anfrage nun wissen, wieso die FEBB nicht als auffällig eingestuft | |
wurde. Kemp betont in diesem Zusammenhang: „Unserer Schulaufsicht war der | |
Fall so nicht bekannt“, räumt aber ein: „Sicherlich kann man | |
Kommunikationswege verbessern.“ | |
[2][Zum Thema Prävention] stellt sie in Aussicht, dass sich Betroffene | |
künftig an die neue Antidiskriminierungsbeauftragte wenden können. Auch | |
jetzt sei es möglich, sich „Ratschläge bei den Kolleg*innen im Rebuz | |
einzuholen“, so Kemp. | |
20 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Lukas Scharfenberger | |
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