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# taz.de -- Monika Maron und der Fischer-Verlag: Rettung gibt es nur im Exil
> Marons Romane wurden lange süffisant durchgewunken. Der aktuelle
> fantasiert von Erlösung vor einer angeblichen politisch korrekten
> Meinungsmasse.
Bild: Die Autorin Monika Maron bei einer Buchvorstellung auf der Leipziger Buch…
Es ist im Lichte der aktuellen [1][Debatte um Monika Maron] womöglich nicht
schlecht, noch einmal auf ihren aktuellen Roman zu sprechen zu kommen.
Monika Maron hat in „Artur Lanz“ die Geschichte zweier Männer erzählt. Am
Ende des Buches leben und arbeiten sie glücklich in der Schweiz, denn beim
weltweit führenden Kernforschungszentrum CERN kommen die beiden
Wissenschaftler unter. Dr. Gerald Hauschildt und Artur Lanz sind
erfolgreich aus Deutschland geflohen, geheim, nicht mal die engste
Vertraute wusste Bescheid. Durch manche Krise mussten sie gehen, erst
getrennt, um dann vereint den Sieg davonzutragen.
Früher hätte man gesagt: Es ist eben kein leichter Weg von der Erde zu den
Sternen, doch wer dort ankommt, den erwarten Freude und Lohn. Angeleitet
von einer Figur namens Charlotte Winter finden die Männer den Weg durchs
Nadelöhr in die Freiheit.
Worum also geht es? Oberflächlich betrachtet um Gegensatzpaare: Held und
Schlappschwanz, Ost und West, Alte und Junge, Aufrichtigkeit und
Opportunismus. Die Reihe ließe sich fortsetzen. All das ist mal mehr, mal
weniger lebhaft durchgespielt, mit kleinen Provokationen durchsetzt, die
das Stöckchen hinhalten in der Gewissheit, dass genügend Liberale und Linke
drüber springen. Der Plan ist aufgegangen.
## Holzschnittartige Verarbeitung
Damit der welt- und reflexionsarme Roman überhaupt Stoff bekommt, werden
hier die Blümchen gepflückt, die seit Jahren unübersehbar am Wegesrand der
Erregungen stehen und mal als Mikro-, mal Makroaggressionen hochgejazzt
werden. Die Bürgerlichen, die früher alles erbten, wollten es dann geistig
erwerben, um es dann zu besitzen, heute fordern sie sofort den
Hubschraubereinsatz, wenn die Tasche geklaut wird. Geschenkt.
Es ist also nicht die holzschnittartige Verarbeitung des längst Bekannten,
was Marons Roman Aufmerksamkeit sichern sollte. Es ist die Idee von
Bekehrung und Erlösung, die im glücklichen Exil endet. Winter löst eine
Selbstfindung aus, die nicht durch Nachdenken oder die Frage nach richtig
oder falsch geschieht, sondern durch eine Saulus/Paulus-artige Umkehr.
Im kritischsten Moment trifft Lanz der Strahl, muss die Entscheidung für
den Freund und dessen Rettung fallen. Ist gerettet, lautet die Botschaft.
Maron konstruiert ihre alkohol- und zigarettenschwangere Story als
Geschichte einer Befreiung.
Das Marlboro-Cowgirl Winter setzt den armen, orientierungslosen Lanz aufs
Pferd und lehrt ihn in die Sonne zu reiten. Obwohl immer schon frei,
befindet er sich im Selbstfindungsgefängnis. Umstellt von Ängsten, die die
Lebensgeschichte, vor allem aber falsche Rücksichten, Anpassung und
schließlich Feigheit produzierten, ist er in die Zelle geraten.
Hoffnungslos scheint der Fall nicht zu sein, denn er plaudert sich
therapeutisch begleitet ins Offene.
## Rechthaber ohne Autorität
Aber so einer wie Lanz kann nur durch Prüfung wirklich frei werden. Und so
wird er durchs Stahlbad der politischen Korrektheit gejagt, die an allen
Ecken wartet, um zuzuschlagen. Der Freiheit steht nicht die Autorität,
sondern der Zwang gegenüber. Da hat Maron aufgepasst und so lässt sie Lanz
und Hauschildt gegen eine Phalanx der Rechthaber antreten, die ohne
Autorität sind. Sie haben lediglich die richtige Gesinnung.
Statt den Wahrheitsgehalt hinter der Aussage Hauschildts zu prüfen, wonach
man schnurstracks ins „Grüne Reich“ marschiere, dieses Mal nicht auf
„Autobahnen“, sondern auf der „Stromtrasse“, fordern sie Reue,
Unterwerfung, schließlich die Entfernung des einsamen Rufers in der Wüste.
Eine Situation, die Winter fragen lässt, ob nicht „plötzlich […] sich die
Großtaten der Wissenschaft als Untaten heraus[stellen]“. „Der Dünger, die
Flugzeuge, die Atomkraft, die Autos – alles nur noch todbringende
Gefahren.“
Angetrieben ist die ganze Geschichte von zwei phrasenhaften rhetorischen
Fragen: „Kann man jemanden nur verteidigen, wenn er Recht hat? Ist es nicht
auch ein Recht, Unrecht zu haben?“ Widerstand leisten, wo Wohlmeinende
tatsächlich den Höllenschlund der Existenzvernichtung geöffnet haben,
persönliche Solidarität über die Wahrheitsfrage hinaus, bedingungsloses
Ausharren an der Seite derer, die sich gegen die übergroße Meinungsmasse
auflehnen. So, wie es Monika Maron mit der Dresdner Buchhändlerin
[2][Susanne Dagen] hält.
Nachdem die Erlösungsfantasie hinein ins Exil auch in der Kritik zumeist
süffisant durchgewunken wurde, schien alles gut zu werden. Bis der
Fischer-Verlag reagierte. Wer den Roman aufmerksam liest, der kann sehen,
dass die Trennung von der Autorin eingepreist war.
23 Oct 2020
## LINKS
[1] /Monika-Maron-und-der-S-Fischer-Verlag/!5722821
[2] /Pegida-nahe-Buchhaendlerin/!5456188
## AUTOREN
Thomas Mayer
## TAGS
Kulturszene
Literatur
Verlagswesen
deutsche Literatur
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Political Correctness
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