# taz.de -- Sky-Serie „The Comey Rule“: Eine Frage der Loyalität | |
> Die Miniserie „The Comey Rule“ erzählt vom ehemaligen FBI-Chef James | |
> Comey. Dessen Verhalten trug wohl zu Trumps Wahlsieg 2016 bei. | |
Bild: Schauspieler Brendon Gleeson in der Rolle von Donald Trump – zum Verwec… | |
Es ist ein kühnes Unterfangen, erst kurz zurückliegende politische | |
Ereignisse fiktional aufzuarbeiten. Erst recht, wenn diese Ereignisse um | |
kontroverse Entscheidungen kreisen. Solche, die möglicherweise das | |
berüchtigte „Zünglein an der Waage“ bei den letzten Wahlen in den USA | |
waren. Noch kühner ist es nur, diese kurz vor der anstehenden | |
Präsidentschaftswahl auszustrahlen und zu hoffen, dadurch Einfluss auf sie | |
nehmen zu können. | |
„The Comey Rule“ ist anzumerken, dass sich ihre Schöpfer*innen dieser | |
Kühnheit nur allzu bewusst waren. Anders ist die lähmende Selbstgewissheit | |
der Serie nicht zu erklären. Die Aufregung um Hillary Clintons E-Mails, die | |
Frage nach Donald Trumps Verbindungen nach Moskau und dem Einfluss des | |
Kremls auf die Wahl bieten eigentlich genug Material für einen spannenden | |
Polit-Thriller. Tatsächlich verspricht vieles versierte Unterhaltung im | |
Stil von „House of Cards“: die bläulich-monochrome Farbgebung erinnert | |
daran, Michael Kelly und auch das Thema, das über allem steht: die Frage | |
der Loyalität. | |
Dass „The Comey Rule“ dennoch ein zähes TV-Spektakel ist, liegt vor allem | |
daran, dass es gänzlich auf Ambivalenzen verzichtet – und sich zu lange | |
Zeit lässt, bis es seinen „Frank Underwood“ dazuholt. Gegenspieler Donald | |
Trump kommt nämlich erst in der zweiten Hälfte vor. Die Rolle hat der | |
irische Schauspieler Brendon Gleeson übernommen, dessen Spiel zunächst | |
überzogen wirkt. Bis man sich erinnert, dass der amtierende Präsident nun | |
mal wirklich so spricht und Gleeson seine absurde Mimik ziemlich auf den | |
Punkt bringt. | |
Die ersten zwei Stunden nutzt die Miniserie hingegen dafür, James Comey zum | |
Vorzeigeboss zu stilisieren. Ausgehend von seiner Nominierung als | |
FBI-Direktor durch Präsident Obama im Jahr 2013, mausert er sich zu einem | |
Paradebeispiel für einen ebenso pflichtbewussten wie unglaubwürdigen | |
Anführer. Regelmäßig erkundigt er sich nach dem Befinden seiner | |
Mitarbeiter*innen und weiß sogar darüber Bescheid, wann die Kinder seines | |
Bodyguards eine wichtige Schulaufführung haben. | |
## Eine Entscheidung aus Hochachtung | |
Wie Regisseur und Drehbuchautor Billy Ray im Guardian anmerkte, habe er | |
Jeff Daniels auch deswegen für die Rolle ausgewählt, weil er einen | |
Schauspieler besetzen wollte, den das US-amerikanische Publikum für | |
moralisch glaubwürdig hält. Dass Ray den ehemaligen FBI-Chef zwar mit | |
seinen Fehlern, aber in seiner Haltung gänzlich wenig ambivalent | |
porträtieren wollte, zeigt sich auch darin, dass die Miniserie ausdrücklich | |
auf dessen Memoiren, „A Higher Loyalty“, beruht. Das Pathos, das bereits | |
[1][der Titel des Buchs] in sich trägt, zieht sich folgerichtig auch durch | |
das Dokudrama. Immer wieder darf Comey in überschwänglichen Monologen über | |
seine Werte, Patriotismus und Leadership sinnieren. | |
Mit diesen Werten hadert Comey dann kurz vor dem Finale des ersten Akts, | |
als er sich entscheiden muss, ob man die Untersuchungen zu Hillary Clintons | |
Umgang mit ihren Dienstmails während ihrer Zeit als Außenministerin weniger | |
als zwei Wochen vor der Wahl erneut aufnehmen soll. Wie er sich entschied, | |
ist bekannt: Nachdem der Fall bereits im Juli zu den Akten gelegt worden | |
war, verkündete er, dass sich das FBI wieder mit dem Thema beschäftigt – | |
ohne das neue Material gesichtet zu haben. „The Comey Rule“ führt diese | |
Entscheidung auf seine Loyalität, die Hochachtung vor seinem Amt und dem | |
Bureau als Institution zurück. | |
Die Tatsache, dass sich das FBI bereits vor der Wahl auch mit russischen | |
Hacker-Kampagnen und Trumps Beziehungen zu Moskau beschäftigte und Comey in | |
diesem Falle auf eine Bekanntmachung verzichtete, wird thematisiert, aber | |
nicht ausreichend problematisiert. | |
## Abgesetzt qua Wahl | |
Ebenfalls bekannt ist, dass Trump ihm diesen „zeitlichen Aufschub“ wiederum | |
nicht dankte. Weil die Russland-Untersuchungen andauerten, verkündete er im | |
Mai 2017 in einem Nachrichtenbeitrag James Comeys Entlassung. Spätestens | |
dann ist die Sache zumindest für das Dokudrama klar: ein tragischer Held, | |
der an seinem Pflichtbewusstsein zugrunde gehen musste. | |
Wie so oft, zieht mit dem Abstieg der Hauptfigur der Spannungsbogen an. | |
Doch was „The Comey Rule“ zeigt, ist weder neu noch wachrüttelnder als das, | |
was Donald Trump seither über die USA brachte. Es ist nur der Anfang eines | |
gefährlichen Trauerspiels, das mit der Präsidentschaftswahl womöglich | |
endlich abgesetzt wird. | |
2 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Buch-des-Ex-FBI-Chefs/!5511997 | |
## AUTOREN | |
Arabella Wintermayr | |
## TAGS | |
Sky | |
Donald Trump | |
Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2024 | |
James Comey | |
FBI | |
Thriller | |
Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2024 | |
FBI | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Politthriller „Roadkill“ bei MagentaTV: Von der Realität überholt | |
Hugh Laurie nimmt als konservativer Politiker kaum Rücksicht auf Verluste. | |
Ein all zu bekanntes Narrativ, was in „Roadkill“ trotzdem funktioniert. | |
Umkämpfte Bundesstaaten bei US-Wahlen: Die wichtigsten Swing States | |
Wisconsin, Pennsylvania und Michigan waren für Jahrzehnte demokratisch | |
dominiert. 2016 gewann plötzlich Trump. Und dieses Mal? | |
Buch des Ex-FBI-Chefs: Die Comey’sche Dialektik | |
Der frühere FBI-Direktor James Comey stellte in Berlin sein Buch „Größer | |
als das Amt“ vor. Darin hat er einige Geschichten über Präsident Trump zu | |
erzählen. | |
Ex-FBI-Chef über den US-Präsident: Trump ist „moralisch ungeeignet“ | |
Donald Trump reibt sich seit Tagen an James Comey auf. Der von ihm | |
gefeuerte FBI-Chef rechnet nun in einem Interview ausführlich mit dem | |
US-Präsidenten ab. |