| # taz.de -- Buch des Ex-FBI-Chefs: Die Comey’sche Dialektik | |
| > Der frühere FBI-Direktor James Comey stellte in Berlin sein Buch „Größer | |
| > als das Amt“ vor. Darin hat er einige Geschichten über Präsident Trump zu | |
| > erzählen. | |
| Bild: Kein pathologischer Narzisst wie Trump, aber er findet sich schon auch zi… | |
| Die Trump-Präsidentschaft ist eine publizistische Goldgrube. | |
| Traditionsreiche Tageszeitungen in den USA, die schon so höflich wie | |
| elegisch als „legacy publications“ abgetan wurden, als hätten sie nunmehr | |
| in erster Linie historische Bedeutung, verzeichnen wieder einen deutlichen | |
| Zuwachs an Abonnenten, und der US-amerikanische Sachbuchbetrieb boomt. | |
| Nach Hillary Clinton („What Happened“), dem Boulevard-Reporter Michael | |
| Wolff („Fire and Fury“) und dem Atlantic-Chefredakteur David Frum | |
| („Trumpocracy“), um nur die prominentesten Namen zu nennen, will nun auch | |
| James Comey ein paar Schecks einlösen. | |
| Comey war Direktor des FBI, bis er letztes Jahr aus dubiosen Beweggründen | |
| von Präsident Trump entlassen wurde. Über den Präsidenten hat Comey ein, | |
| zwei Geschichten zu erzählen, die er in den letzten Monaten auch bei jeder | |
| Gelegenheit erzählte, und diese Geschichten hat er nun aufgeschrieben. Die | |
| bekannteste ist die von dem Treffen unter vier Augen, bei dem Präsident | |
| Trump von Comey eine Art Loyalitätsschwur hören wollte, den dieser | |
| verweigerte. Als Comey dann versicherte, er werde aber immer ehrlich sein, | |
| soll Trump entgegnet haben: „Genau das will ich ja. Ehrliche Loyalität.“ | |
| Dieser Wortwechsel, den Comey kurz nach seiner Entlassung öffentlich | |
| gemacht hatte, sorgte für großes Aufsehen, machte sich der Präsident doch | |
| so möglicherweise der Behinderung der Justiz schuldig. Jedenfalls war klar, | |
| dass das Wort „Loyalität“ nun irgendwo in Comeys Buchtitel vorkommen | |
| musste. „A Higher Loyalty“ heißt es in der Originalausgabe; der deutsche | |
| Titel ist „Größer als das Amt“. | |
| ## Erst einmal nachdenken | |
| Der frühere FBI-Direktor ist kein pathologischer Narzisst wie sein | |
| Präsident, aber er findet sich schon auch ziemlich gut. Er entwirft in | |
| seinem Buch Kriterien für eine starke Führungspersönlichkeit – Integrität, | |
| Demut, Ehrlichkeit, Überparteilichkeit, Humor – und kommt stets aufs Neue | |
| zu dem Schluss, dass er diesen Idealen entspricht. Oder zumindest versucht, | |
| ihnen zu entsprechen. Wieder und wieder gerät er, wie er schreibt, in | |
| schwierige Situationen, die keine elegante Auflösung bieten, und verhält | |
| sich makellos. | |
| Dienstagabend, Comey stellt im Kino International in Berlin sein Buch vor. | |
| Der Zeit-Redakteur Holger Stark moderiert. Er nennt James Comey „Jim“ und | |
| fragt ihn, ob er nicht ganz entscheidend den Wahlausgang beeinflusst habe, | |
| indem er nur wenige Tage vor der Wahl die Wiederaufnahme der | |
| FBI-Ermittlungen gegen Clinton öffentlich gemacht hat. Die richtige Antwort | |
| auf diese Frage ist: Ja, offensichtlich. Comey aber windet sich und sagt: | |
| „I … don’t … know“, als hätte er die Frage noch nie gehört und müs… | |
| einmal nachdenken. | |
| Dabei wird ihm die Frage bei jeder einzelnen dieser Veranstaltungen | |
| gestellt, und er beantwortet sie jedes Mal mit denselben | |
| faux-introspektiven Kunstpausen. Die Frage, die Stark nicht stellt, ist | |
| diese: Warum hat Comey offengelegt, dass das FBI Ermittlungen gegen Clinton | |
| am Laufen hatte, nicht aber, dass gegen die Trump-Kampagne ebenfalls | |
| ermittelt wurde? | |
| Während das Gespräch im Kino International vom Themenkomplex „Clinton und | |
| Trump“ dominiert wird, berücksichtigt Comey in seinem Buch sämtliche | |
| Stationen seiner Beamtenkarriere. (Das Intermezzo als Privatier beim | |
| Rüstungskonzern Lockheed Martin übergeht er.) In einigen der | |
| unterhaltsamsten Passagen des Buchs geht es um seine Zeit als Staatsanwalt | |
| in New York, in der er Mitglieder der sizilianischen Mafia verhörte, deren | |
| Gerede von Loyalität und Familie ihm später wieder begegnen sollte. | |
| Bemerkenswert sind zudem die schonungslosen Beschreibungen der | |
| Foltermethoden US-amerikanischer Geheimdienste, die Comey als | |
| stellvertretender Justizminister unter George W. Bush, wenige Monate nach | |
| den Anschlägen des 11. September, zu unterbinden versuchte. | |
| Comeys Buch behandelt auch sein Heranwachsen, das Leiden unter den | |
| Hänseleien der Stärkeren, das, wie er es heute erzählt, seinen Wunsch | |
| festigte, den Schwachen beizustehen und Anwalt zu werden. Das ist die | |
| Comey’sche Dialektik, ein pragmatischer Optimismus, zutiefst amerikanisch: | |
| Schlimme Dinge passieren, damit man etwas Gutes aus ihnen macht. Einen | |
| Bestseller zum Beispiel. | |
| 21 Jun 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Jekal | |
| ## TAGS | |
| FBI | |
| James Comey | |
| Donald Trump | |
| Sky | |
| Donald Trump | |
| Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
| Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Sky-Serie „The Comey Rule“: Eine Frage der Loyalität | |
| Die Miniserie „The Comey Rule“ erzählt vom ehemaligen FBI-Chef James Comey. | |
| Dessen Verhalten trug wohl zu Trumps Wahlsieg 2016 bei. | |
| Klage gegen Trump-Stiftung: Ein Trump-Porträt als „Wohltat“ | |
| New Yorks Generalstaatsanwältin reichte eine Klage wegen „illegaler | |
| Aktivitäten“ der Stiftung des Präsidenten ein. Ausgerechnet an Trumps | |
| Geburtstag. | |
| Ex-FBI-Chef über den US-Präsident: Trump ist „moralisch ungeeignet“ | |
| Donald Trump reibt sich seit Tagen an James Comey auf. Der von ihm | |
| gefeuerte FBI-Chef rechnet nun in einem Interview ausführlich mit dem | |
| US-Präsidenten ab. | |
| Russische Beeinflussung der US-Wahl: Die Karten werden neu gemischt | |
| Nach mehr als einem Jahr turbulenter Ermittlungen des FBI liegt die erste | |
| Anklage vor. Sie veranlasst US-Präsident Trump zu einer Twitter-Salve. |