# taz.de -- Parlamentswahl in Neuseeland: Historischer Erfolg für Ardern | |
> Absolute Mehrheit für Labour: Bei der Wahl in Neuseeland hat die | |
> Regierungspartei mit Premier Jacinda Ardern einen überwältigenden Sieg | |
> errungen. | |
Bild: „Dies ist keine gewöhnliche Wahl gewesen und es ist keine gewöhnliche… | |
CANBERRA taz | In Neuseeland wird die sozialdemokratische Labourpartei | |
unter Premierminister Jacinda Ardern künftig ohne Koalitionspartner | |
regieren können. Die Sozialdemokraten schafften es, sich bei der [1][Wahl | |
am Samstag] 64 der 120 Sitze im Einkammerparlament zu sichern. Die | |
konservative oppositionelle Nationalpartei kam auf nur 35 Sitze. | |
Premierministerin Jacinda Ardern dankte nach dem klaren Wahlergebnis auch | |
jenen, die nicht Labour gewählt hatten. Ihre Partei werde für alle | |
regieren, versprach sie. „Dies ist keine gewöhnliche Wahl gewesen und es | |
ist keine gewöhnliche Zeit“, sagte sie. | |
„Wir leben in einer zunehmend polarisierten Welt, einem Ort, wo die | |
Menschen zunehmend die Fähigkeit verloren haben, ihre gegenseitigen | |
Standpunkte zu sehen. Ich denke, bei dieser Wahl haben die Neuseeländer | |
gezeigt, dass das nicht ist, wer wir sind.“ | |
Ardern sieht das klare Ergebnis als Mandat für die Weiterführung ihrer | |
progressiven Politik. Zum ersten Mal seit der Einführung eines neuen | |
Wahlsystems 1996 kann eine Partei wieder ohne Koalitionspartner auskommen. | |
Die bisherige Koalition mit NZ First und den Grünen ist Geschichte. | |
## Ardern gilt als eine der populärsten Politikerinnen der Welt | |
Die beiden Kleinparteien hatten Labour 2017 zur Macht verholfen. Die Grünen | |
bleiben im Parlament. Die rechtskonservative NZ First dagegen hat ihren | |
Platz aufgrund der Fünfprozenthürde verloren. Ihr Chef Winston Peters, | |
bisher Arderns Stellvertreter, wird voraussichtlich nach 35 Jahren die | |
Politik verlassen. | |
Judith Collins, Chefin der konservativen Nationalpartei, gratulierte Ardern | |
noch am Samstagabend und gestand ihre eigene Niederlage ein. „Es ist ein | |
herausragendes Ergebnis für die Labourpartei“, sagte die | |
Oppositionsführerin vor Anhängern. Alle Prognosen hatten einen klaren Sieg | |
von Labour und Ardern vorausgesagt. Die neuseeländische Premier ist eine | |
der populärsten Politikerinnen der Welt. | |
Kritisieren kann man sie allerdings trotzdem. Bei ihrem Amtsantritt vor | |
drei Jahren hatte sie viel versprochen: Kinderarmut reduzieren, | |
Sozialwohnungen bauen, strikterer Umweltschutz. Das meiste ist heute nicht | |
im erhofften Umfang umgesetzt. Aber sogar ihre schärfsten Kritiker loben | |
das Kommunikationstalent der ehemaligen Verkäuferin in einer Imbissbude und | |
studierten Politologin, ihren Zugang zu den Leuten auf der Strasse, ihre | |
„Normalität“. | |
## Worte und Gesten der Versöhnung | |
Jacinda Ardern besteht aber nicht nur aus Charisma. Sie hat sich vor allem | |
in Krisenzeiten profiliert, Neuseeland ist heute praktisch Covid-frei. Das | |
Land mit fünf Millionen Einwohnern verzeichnete bisher nur rund 1.500 | |
Infektionen, 25 Menschen starben. Experten führen diese Zahlen auf den | |
Umstand zurück, dass es der 40-Jährigen gelungen ist, das Volk von der | |
Notwendigkeit eines frühen und harten Lockdowns zu überzeugen. | |
Ihre Worte der Versöhnung nach dem [2][Attentat in Christchurch] im März | |
2019, bei dem ein Rechtsextremer 51 Muslime erschossen hatte, sind heute | |
ein Paradebeispiel für eine Politik des Mitgefühls. | |
Ardern wird in den kommenden Monaten ihr gesamtes Talent brauchen, um die | |
Menschen zusammenzubringen, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die | |
Coronakrise hat auch für die Wirtschaft Neuseelands verheerende Folgen. | |
Arbeitslosigkeit, kombiniert mit anhaltend bitterer Armut in Teilen der | |
Bevölkerung, und ein extremer Mangel an bezahlbarem Wohnraum – das alles | |
droht die Mittelschicht zu unterminieren. Die Lebensqualität genau jener | |
Menschen, die heute Jacinda Ardern bejubeln, ist gefährdet. | |
17 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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