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# taz.de -- Gefangenenaustausch in Jemen: Minutiös geplanter erster Schritt
> Gute Nachrichten aus Jemen: Die Konfliktparteien tauschen Gefangene aus.
> Was simpel klingt, ist ein politisches und logistisches Monstervorhaben.
Bild: Angekommen: befreiter Huthi-Gefangener am Donnerstag in Sanaa
Kairo taz | Es ist die größte vertrauensbildende Maßnahme, seit der
Jemenkrieg vor fünfeinhalb Jahren begonnen hat. Zwei Tage lang sollen rund
1.000 Kriegsgefangene ausgetauscht werden. Mehr als 600 Huthi-Rebellen und
400 gefangene Kämpfer der Regierung in Aden sollen freigelassen und nach
Hause gebracht werden. Der Massenaustausch war vergangenen Monat bei
UN-gesponserten Gesprächen im schweizerischen Montreux vereinbart worden.
„Allein am Donnerstag hatten wir sieben Flugzeuge mit über 700
freigelassenen Gefangenen, die am Flughafen in Sanaa aus- oder eingeflogen
sind“, erklärt die Schweizerin Katharina Ritz, die das Büro des
Internationalen Roten Kreuzes (ICRC) in Jemen leitet, gegenüber der taz.
„Es hat viel Misstrauen gegeben, deswegen mussten wir minutiös planen. Die
Maschinen mussten synchronisiert an drei verschiedenen Orten zum gleichen
Moment starten.“
Für Freitag sei erneut eine doppelte Rotation von Flügen zwischen Sanaa und
Aden geplant. Damit wäre dann der Austausch von etwas mehr als 1.000
Gefangenen abgeschlossen. „Wir hoffen, dass das eine von vielen zukünftigen
Freilassungen sein wird, da noch tausende Familien auf gefangene Verwandte
warten“, sagt Ritz.
„Natürlich wünschen wir uns, dass dieser Austausch Vertrauen geschaffen
hat, durch das dann mehr Energie in die Suche nach einer politischen Lösung
zur Beendigung des Konflikts fließt“, fügt sie hinzu. „Solche humanitären
Gesten können ein Zeichen setzen, denn die Menschen sind nach diesem
jahrelangen Konflikt müde, ausgelaugt und haben viel verloren.“
## Schon 2018 vereinbart
Auch Martin Griffiths, der UN-Sondergesandte für Jemen, der die
Verhandlungen geführt hat, hofft auf mehr: „Es ist ein Zeichen, was durch
friedlichen Dialog erreicht werden kann“, sagt er. Der Deal ist die
Fortsetzung der sogenannten [1][Stockholm-Vereinbarung], bei der Ende 2018
bereits der Austausch von 15.000 Kriegsgefangenen vereinbart worden war,
ohne dass dies allerdings aufgrund des gegenseitigen Misstrauens ausgeführt
wurde.
Dem Austausch seien nun „komplexe, monatelange Verhandlungen“
vorausgegangen, „bis sich jede Seite mit einer Liste zufrieden gab, wer wen
freilässt“, sagt Ritz. „Da ging es tagelang um einzelne Namen.“ Während…
Verhandlungen vom UN-Sonderbeauftragten geführt wurden, war das Rote Kreuz
für die Umsetzung des Austauschs zuständig.
Der Jemenkrieg wird von der UNO als größte menschengemachte humanitäre
Katastrophe bezeichnet. In dem Land stehen sich Huthi-Rebellen und Anhänger
des aus Sanaa geflohenen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi gegenüber.
Saudi-Arabien ist direkt mit seiner Luftwaffe aufseiten Hadis beteiligt und
führt eine Militärkoalition gegen die Huthis an; die Huthis werden indirekt
vom Iran unterstützt.
Muhammed Abdul Salam, ein Sprecher der Huthis, erklärte, dass mit dem
Austausch vom Donnerstag und Freitag die Hoffnung auf weitere
friedensbildende Maßnahmen wachse. In einer Erklärung der
Anti-Huthi-Koalition heißt es, “die politische und militärische Führung
will daran arbeiten, dass alle Kriegsgefangenen nach Hause zurückkehren
können“. Beide Seiten stellen den Austausch als Sieg dar.
## Corona-Filmspots in den Flugzeugen
Verkompliziert wird der Gefangenenaustausch zusätzlich durch die in Jemen
unkontrolliert grassierende Covid-19-Pandemie. Das Rote Kreuz verteilt vor
den Flügen Schutzausrüstung und stellt sicher, dass der physische Abstand
auch auf den Flügen eingehalten wird. „Dazu brauchten wir bei den
eingesetzten Bussen und Flugzeugen zum Teil doppelte Kapazitäten“,
erläutert Ritz.
In den Flugzeugen laufen eigens gedrehte Filmspots, die die freigelassenen
Gefangenen über Covid-Maßnahmen aufklären sollen. „Wir hoffen, dass das
nicht nur für die Reise selbst aufgeklärt hat, sondern den Menschen auch
hilft, nach ihrer Ankunft zu Hause sich selbst und ihre Familien zu
schützen“, sagt Ritz.
Bei der Ankunft sei der Enthusiasmus der Freigelassenen extrem groß
gewesen, erzählt sie. „Viele legten sich auf die Erde und umarmten den
Boden, es gab große Empfangskomitees und Musik und sehr emotionale Szenen
mit Menschen, die sich lange nicht mehr gesehen hatten. Das war eine
festliche Stimmung“, schildert Ritz.
„Wir sind erleichtert, dass das bisher so gut über die Bühne ging, denn die
Verhandlungen und die Umsetzung waren alles andere als einfach“, sagt sie
und fügt hinzu: „Wir sind einfach froh, dass diesmal aus Jemen gute
Nachrichten kommen“.
16 Oct 2020
## LINKS
[1] /Jemen-Friedensgespraeche-in-Schweden/!5556151
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Jemen Bürgerkrieg
Jemen
Huthi-Rebellen
Abed Rabbo Mansur Hadi
Jemen
Zehn Jahre Arabischer Frühling
Vereinte Nationen
Hunger
Rüstungsexporte
Schwerpunkt Armut
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