# taz.de -- Männer allein unterwegs: Nichts darf man mehr | |
> Wir mittelalten weißen Männer müssen zusammenhalten. Ob in Politik, | |
> Wirtschaft, Literatur – oder nachts auf dem Fahrradweg. | |
Bild: Die „Modepolizei“ ist überflüssig, egal in welchem Alter | |
Und wieder haben tückische Bäume den [1][Radweg] mit Wurzeln präpariert, um | |
Radfahrer zu töten. Ich weiche auf den Gehweg aus, leider ist genau an | |
dieser Stelle der Kantstein zu hoch, der Auffahrwinkel zu stumpf und mein | |
Tempo zu schnell. Von hinten kommend, umkurvt eine Radfahrerin die | |
Unfallstelle und fährt zügig weiter: Ein Arsch weniger, resümiert sie | |
vermutlich, nur ein toter mittelalter weißer Mann ist ein guter mittelalter | |
weißer Mann. Ich kann es ihr nicht verdenken. | |
Dafür hält ein älterer Typ und fragt besorgt nach meinem Zustand. Also, am | |
linken Bein haben die schönen Jeans ein großes Loch. Darunter hat das Knie | |
ein kleines Loch. Die linke Hand hat ein mittleres Loch. Es tropft rot. | |
Schließlich rapple ich mich aus der stabilen Seitenlage, in die mich der | |
Sturz praktischerweise befördert hat, hoch. „Danke“, sage ich. „Alles | |
super.“ | |
Er wirkt beruhigt. Wir mittelalten weißen Männer müssen doch | |
zusammenhalten. Das sind die berühmten Seilschaften, von denen immer die | |
Rede ist. Ob in Politik, Wirtschaft, Literatur oder nachts auf dem | |
Fahrradweg. Wir haben ja sonst niemanden mehr. | |
Bis auf unsere bemitleidenswerten Frauen. Doch auch die haben ihre Tücken. | |
Denn als ich ihr anderntags sage, die Jeans mit dem Loch könne ich ja | |
weiter gut anziehen, zwei Fliegen mit einer Klappe, denn so könne die Wunde | |
atmen und das trage man doch jetzt so, es koste vermutlich sogar ein | |
Schweinegeld, wenn man die im „Used Look“ vorgelöchert kaufe und nicht wie | |
ich unter Schmerzen eigenbeinig anfertige, bekomme ich ein Veto vor den | |
Latz geknallt: Von wegen „hip“, in meinem Alter müsse ich aufpassen; sonst | |
dächten die Leute nur, da käme ein alter Penner, das sei ein schmaler | |
Grat. | |
„In deinem Alter sollte man dies und das nicht mehr“: Das bekomme ich | |
ständig zu hören. Mit Chemie in der Birne und Kalk in den Gelenken durch | |
den Tanzraum springen. Oder als ich beim Konzert meine Angst vor den | |
schubsenden Kindern vergaß, staksig und ungestüm wie ein Fohlen zur Bühne | |
stürmte und mit Tränen in den Augen mitgrölte: „I used to be free, I used | |
to be seventeen...“ Das war dann angeblich auch wieder peinlich. Ich soll | |
wohl nur noch im Park mit den anderen mittelalten weißen Männern | |
Riesenschach spielen, in heiler Hose in gedeckten Farben. Und um zehn ins | |
Bett. Nichts darf man mehr. Nichts. | |
Texte zur Andropause und mehr von Uli Hannemann findet sich in seinem neuen | |
Buch [2][„Oh nee, Boomer!“], Satyr Verlag, 2020, 14 Euro. | |
25 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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