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# taz.de -- Kranke und Alte in der Coronakrise: Und was machen die Risikogruppe…
> Im Frühjahr sprachen wir viel über die Risikogruppen, die wir schützen
> müssen. Und heute? Jetzt sind sie sich selbst überlassen.
Bild: Solidarisch Maske tragen, aber ist es damit getan?
Meine Mitbewohnerin wurde letzte Woche zu einer Party eingeladen. Mit 100
Gästen. Die täglichen Neuinfektionen lagen da schon bei mehr als 6.000.
Gesundheitsminister Jens Spahn [1][sagte kürzlich], die Pandemie sei ein
„Charaktertest für uns als Gesellschaft“. Wenn dem so ist, fürchte ich,
sind wir kurz davor, durchzufallen. Im Frühjahr standen viele Menschen
jeden Abend an den Fenstern und klatschten. Klatschten für Ärzt*innen und
Pflegekräfte, die das Gesundheitssystem am Laufen hielten, während sie sich
der Gefahr einer Infektion aussetzten. Jetzt sind die täglichen
Neuinfektionen höher als damals. Wo sind die klatschenden Menschen jetzt?
Im Frühjahr sprachen wir viel von „Risikogruppen“, die wir schützen müss…
Kranken und Alten, die darauf angewiesen waren, dass wir auch für sie die
Regeln einhalten. Jetzt sind die täglichen Neuinfektionszahlen höher als
damals. Was machen die Risikogruppen jetzt? Ein Arzt, der in der
Notaufnahme eines Berliner Krankenhauses arbeitet, erzählte mir vor ein
paar Tagen, dass sie es nicht mehr schaffen, in der Notaufnahme die
Abstandsregeln einzuhalten, weil seit zwei Wochen immer mehr Covid-Kranke
kommen. Ihre einzige Lösung: schneller arbeiten. Um Patient*innen und sich
selbst zu schützen.
Eine Mutter, die mit ihrer atemwegskranken Tochter im Berliner Umland im
Krankenhaus ist, erzählte mir von der Unsicherheit in diesen Tagen, bei
Patient*innen und Belegschaft. Sie weiß nicht, wie es nach dem
Klinikaufenthalt weitergehen soll, weil die Tochter als „Risikopatientin“
nicht in die Schule kann. Die „Risikogruppen“ müssen gerade selbst sehen,
wo sie bleiben.
Dass wir in der zweiten Welle angekommen sind, liegt [2][an uns allen]. An
all jenen, die, verständlicherweise, genug haben von der Pandemie und den
Einschränkungen. Frust und Langeweile haben sie vergessen lassen, dass der
Wert menschlichen Lebens nicht davon abhängt, ob ein Mensch jung ist oder
alt, gesund oder krank. Vergessen lassen, dass auch „Risikogruppen“ am
Leben teilnehmen möchten.
## Wir sollten nicht nur mit Expert*innen sprechen
Es liegt an denen, die Expert*innen glauben, die zwar sehr, sehr gut auf
ihren fachlichen Gebieten, aber scheinbar nicht auf dem Gebiet Mitgefühl
sind und in Interviews sagen, es sei alles nicht so schlimm, weil noch
Intensivbetten frei seien, Deutschland könne auch mit Zehntausenden
Neuinfektionen klarkommen. Solche Aussagen helfen beim Vergessen jener
Menschen, die einer dieser Todesfälle trifft, um die es aber nicht gehen
soll. Wir sollten nicht nur mit Expert*innen sprechen. Wir sollten auch mit
Gastronom*innen sprechen, mit Pflegekräften, chronisch Kranken, mit Eltern,
die nicht wissen, was sie bei geschlossenen Kitas machen sollen. Nicht,
damit wir Angst kriegen. Angst hat noch nie Probleme gelöst. Aber
vielleicht hilft es dabei, uns daran zu erinnern, was Mitgefühl ist.
19 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/jens-spahn-zur-corona-lage-diese…
[2] /Corona-Entwicklung-in-Deutschland/!5718591&s=corona/
## AUTOREN
Gilda Sahebi
## TAGS
Kolumne Krank und Schein
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