# taz.de -- Tiere im Film: Der Wille zur Performance | |
> Elke Schwaiger trainiert Tiere für ihren Einsatz am Filmset. Auf ihrem | |
> Hof in Schleswig-Holstein wohnen kleine Stars – Allüren toleriert sie | |
> nicht. | |
Bild: „Die Krähen sind mein neues Steckenpferd“, sagt Elke Schwaiger | |
Kurz bevor der Wagen in der Einfahrt zum Stehen kommt, kotzt Hundewelpe | |
Miley auf den Beifahrersitz. „Du sollst doch nicht Spucki machen“, sagt | |
Elke Schwaiger und lässt den Hund raus. Sie wirft sich die langen blonden | |
Haare über die Schulter und greift nach einem Lappen. Irgendwann muss Miley | |
mit Autofahrten klarkommen, denn sie soll Filmhündin werden und bis zum Set | |
fährt man schon mal ein paar Stunden. | |
Elke Schwaiger steigt aus dem Wagen und deutet auf ein mit einem Netz | |
überspanntes Gehege. „Die Krähen sind mein neues Steckenpferd“, sagt sie. | |
Unbeliebte Vögel seien das, aber völlig zu Unrecht. | |
Iwan und Leo heißen die Raben, und sie hat sie bei sich aufgenommen, weil | |
ihre Vorbesitzer mit den Raubvögeln nicht klarkamen, ihnen Meisenknödel zu | |
essen gaben, obwohl sie eigentlich Fleisch und Rührei brauchen. „Bei Leo | |
war das Brustbein so hervorgetreten, dass er nicht mehr richtig sitzen | |
konnte.“ | |
Elke Schwaiger kümmert sich zwar um jede bedürftige [1][Krähe], die ihr auf | |
den Hof gebracht wird, eigentlich ist sie aber Hundetrainerin und führt | |
eine Filmtieragentur. Darin sind Dutzende Hunde, Katzen, Nager, Pferde und | |
Reptilien registriert. Schwaiger vermittelt die Tiere für [2][Filmdrehs] | |
und Fotoshootings. Schönheit allein allerdings reicht nicht aus, um in die | |
Kartei aufgenommen zu werden. Vielmehr braucht es „stressfreies Talent“ und | |
„einen natürlichen Willen zur Performance“. | |
## Hengstmanieren werden nicht toleriert | |
Sie selbst beheimatet auf ihrem Hof in Rehhorst in Schleswig-Holstein sechs | |
Hunde, American-Miniature-Pferde, Schafe, Hühner und eben Leo, Iwan und | |
Miley, den Welpen mit der Reiseübelkeit. Dass es Miley an Bühnenpräsenz | |
nicht mangelt, hat sie bei ihren ersten beiden Engagements – einem | |
Fotoshooting für Tchibo und einem Werbedreh für eine Dating-Plattform – | |
schon unter Beweis gestellt. | |
Elke Schwaiger versucht, das Selbstbewusstsein ihrer Hunde zu fördern. Sie | |
dürfen auch mal auf den Gartentisch springen und albern sein. | |
Divenhaftigkeit und Hengstmanieren aber toleriert sie nicht. „Sie sollen | |
alle leben wie kleine Pippi Langstrumpfs. Die war gutmütig, hatte Spaß am | |
Leben und nahezu keine Grenzen. Aber sie hatte Anstand.“ | |
Schwaiger hat Hoffnung, dass Miley eine zweite Harley werden könnte. Die | |
Border-Collie-Hündin ist der Star auf dem Hof, vor einem Jahr war sie im | |
Kinofilm „[3][Systemsprenger]“ zu sehen. Keine leichte Rolle, denn Harley | |
durfte sich nicht davon beeindrucken lassen, dass mit Steinen nach ihr | |
geworfen wird. Elke Schwaiger übte wochenlang mit ihr – im Film ist sie es, | |
die die Steine wirft. | |
Harleys Kinder, Candy und Negan, kommen leider „total nach ihrem Vater“, | |
der „eine ziemliche Mimose und etwas dumm“ war. Dass die beiden Harleys | |
Nachfolge in der Filmindustrie antreten, war schon früh eher | |
unwahrscheinlich. | |
## Elke Schwaiger, eine Rossnatur | |
Elke Schwaiger bezeichnet sich selbst als Rossnatur, und das passt. Sie | |
wuchs mit vielen Geschwistern in einem oberbayerischen Dorf auf. „Mein | |
Vater war ein sehr unangenehmer Mensch, der es sich mit Gott und der Welt | |
verscherzte.“ Das habe auf sie und ihre Geschwister abgefärbt, sie war | |
nicht bloß Elke, sondern immer auch „die Tochter vom Schwaiger“. | |
Zuflucht fand sie bei Schulfreundin Hildegard, die auf einem Hof lebte, mit | |
Pferden, Kühen, Schweinen, Schafen, Ziegen, Truthähnen, Gänsen, Hühnern, | |
Hasen, Tauben, Hunden, Katzen, „hab ich ‚Hasen‘ schon gesagt?“ Unglaubl… | |
idyllisch, aber auch unglaublich viel Arbeit. | |
Während Elke in der Schule keinen Anschluss fand, weil der Ruf ihres Vaters | |
an ihr haftete, hatte Hildegard keine Freunde, weil sie jeden Nachmittag | |
auf dem Hof helfen musste. Die beiden Mädchen begannen, alles gemeinsam zu | |
machen, vom Ställe-Ausmisten bis zum Kartoffeln-Stecken. Abends fuhren sie | |
an den See und Elke brachte ihrer Freundin Schwimmen bei. | |
Wochenlang blieb sie in den Ferien von zu Hause weg, aber ihre Eltern | |
wussten ja, wo das Kind ist. Dieser Bauernhof aus dem Bilderbuch habe sie | |
geprägt wie sonst nichts in ihrer Kindheit. Gutes Essen, gesundes | |
Familienleben, glückliche Schweine, die auf Stroh schlafen. | |
Bernhardiner-Dame Sidney wischt sich die nasse Schnauze an Elke Schwaigers | |
Oberteil ab. Sidney ist ungefähr so groß wie ein Kalb und hat zuletzt in | |
einem Musikvideo des Rappers Greeen mitgespielt. Über eine Million Klicks | |
auf Youtube, Elke Schwaiger spielt es auf dem Handy ab. | |
Sidney musste beim Dreh eigentlich nur quer über dem Rapper auf einem Sofa | |
liegen. So entspannt zu sein in fremder Umgebung sieht einfach aus, ist es | |
aber nicht. Sidney und Greeen hatten eine gute Chemie, sagt Elke Schwaiger. | |
Aber auch das Gegenteil kommt vor. „Da baut man dann auf die | |
Professionalität des Tiers“, sagt Schwaiger. Alle ihre Hunde verstehen | |
Befehle mittlerweile auch auf Englisch, weil ein Model sich auf einem | |
Fotoshooting mal mit dem deutschen „Sitz!“ und „Platz!“ schwergetan hat. | |
Sie mutet ihren Tieren nichts zu, was gefährlich werden oder keinen Spaß | |
machen könnte. Über Eis laufen zum Beispiel und generell Flugreisen. Zu | |
jedem Dreh fährt sie mit dem Transporter, ist am Set von der ersten bis zur | |
letzten Sekunde dabei. Wie eine Mutter, deren Baby in einer Soap mitspielt. | |
„Die Tiere wissen, ihnen passiert nichts, wenn ich da bin.“ | |
Nach dem Schulabschluss drängte ihr Vater sie ausgerechnet in eine | |
Metzgerlehre. Zwei Wochen hält Elke Schwaiger es dort aus – als sie ein | |
totes Reh im Kühlhaus findet, schmeißt sie hin. | |
## „Irgendwann zieht es sich wie Kaugummi“ | |
Kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag gibt es Streit mit dem Vater, er | |
schlägt sie, und sie packt ihre Sachen. Mit zehn Mark raus aus dem Dorf und | |
nach München, zur Familie einer Bekannten. Elke Schwaiger darf dort | |
untertauchen, bis sie volljährig ist und sich nicht mehr davor fürchten | |
muss, dass ihr Vater sie nach Hause holt. | |
Sie beginnt eine Lehre als Pferdewirtin, will Trabrennreiterin werden, aber | |
wird mitten in der Ausbildung krank. Nach zwei schweren Operationen darf | |
sie den Job nicht mehr machen und schult um zur Hundetrainerin. 20 Jahre | |
Sitz, Platz, Bleib und Fuß. „Irgendwann zieht es sich wie Kaugummi“, sagt | |
Elke Schwaiger. | |
2012 öffnet Sidney ihr die Tür ins Filmtier-Business. Eigentlich sind | |
Bernhardiner-Welpen eine Fehlkonstruktion. Weil ihre Köpfe zu schwer für | |
die Nackenmuskulatur sind, kippen sie im Sitzen ständig nach vorne. Nicht | |
so Sidney, die schon mit fünf Monaten ihren Kopf halten konnte, vernünftig | |
hörte und ein paar Tricks beherrschte. Eine Filmtieragentur buchte sie. | |
Nach dem Dreh fängt Elke Schwaiger an, freiberuflich in dem Bereich zu | |
arbeiten. Sie kauft den Hof in Rehhorst, gründet die Agentur und trifft | |
Marco, ihren „Stallburschen“, der immer dachte, mit Tieren und Natur gar | |
nichts anfangen zu können, und gerade vorm Haus die Hecke schneidet. | |
„Die Krähen!“, ruft er und Elke Schwaiger springt auf. „Die Krähen!“,… | |
sie. Iwan und Leo haben Hunger und äußern das seit einer Weile lautstark. | |
Im Winter, wenn sie im Stall sind, machen sie Schnalzgeräusche, weil ihr | |
Gekrähe sonst zu sehr hallen würde. Elke Schwaiger hat es ihnen | |
beigebracht. Die Krähen fliegen ihr auf den ausgestreckten Arm und lassen | |
sich das Futter in die Schnäbel legen. Die schwarzen Federn glänzen in der | |
Sonne blau. Iwan ist besonders zutraulich. „Was hab ich am Anfang um sein | |
Leben gekämpft“, sagt Schwaiger. | |
Es mache schon einen Unterschied, ob ein Hund oder eine Henne sterbe, „aber | |
geheult wird immer“. Wenn eines ihrer Tiere krank ist, dann ist sie krank. | |
Dann werden alle Termine abgesagt. „Ich sag heute, Familie ist da, wo man | |
sich wohlfühlt. Und Familie muss nicht menschlich sein.“ | |
25 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Leonie Gubela | |
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