# taz.de -- Filmtipps für Berlin: Unbehagen und Wahlverwandtschaften | |
> Von einer rabenschwarzen Komödie über einen Animationsfilm mit Hunden bis | |
> zur Doku über einen populären zeitgenössischen Komponisten. | |
Bild: Wie eine scheinbar perfekte Familie zerbricht: „The Killing of a Sacred… | |
Die Filme von Yorgos Lanthimos sind Versuchsaufbauten. Kühl und abgeklärt | |
bringt der griechische Regisseur seine Protagonisten in absonderliche | |
Situationen und untersucht sodann das menschliche Verhalten wie unter einem | |
Mikroskop. | |
In [1][„The Killing of a Sacred Deer“] (2017) spielt Colin Farrell den | |
Herzchirurgen Steven Murphy, der einst in trunkenem Zustand einen Mann | |
operiert hatte, der dabei verstarb. Murphy versucht, dies an dessen | |
16-jährigen Sohn Martin wieder „gutzumachen“, doch jener belegt Murphys | |
Familie mit einem Fluch: Sie werden alle sterben – wenn Steven nicht als | |
Ausgleich für den Tod von Martins Vater eines seiner eigenen | |
Familienmitglieder opfert. | |
Lanthimos überführt den griechischen Mythos der Iphigenie in eine Art | |
rabenschwarze, zusehends absurder erscheinende Komödie, in der es | |
gleichwohl nicht wirklich etwas zu lachen gibt. Stattdessen erzeugt der | |
Film ein Gefühl extremen Unbehagens: Farblose Räume, seltsam verschobenen | |
Kamerapositionen sowie eine beunruhigend wirkende Musik addieren sich zu | |
einem verstörenden Effekt (15. 10., 20 Uhr, 16. 10., 15 Uhr, 18. 10., 17.30 | |
Uhr, [2][Klick Kino]). | |
Ein Hunde hassender Bürgermeister, der alle bellenden Vierbeiner auf eine | |
KZ-ähnliche Müll-Insel verbringen lässt, und sein entfernter Neffe Atari, | |
der auf der Deponie gemeinsam mit einer Gruppe von Hunden nach seinem | |
eigenen Hund sucht, sind die Protagonisten von Wes Andersons Animationsfilm | |
[3][„Isle of Dogs“] (2018). Darin entfalten sich einmal mehr all jene | |
Motive, die man auch aus anderen Anderson-Filmen kennt: eine langwierige, | |
von vielerlei Plänen, Karten und Konstruktionszeichnungen begleitete Reise, | |
die nur auf großen Umwegen zum Ziel führt. | |
Und die Wahlverwandtschaft von Individuen mit ähnlichen Interessen, die | |
sich dann als wichtiger erweist als die tatsächliche Blutsverwandtschaft. | |
Denn im Grunde geht es um Fragen der Zugehörigkeit: Ein besseres Leben ist | |
auch in einem Universum der Neurotiker möglich, wenn man Gefühle zulassen | |
kann (20. 10., 18 Uhr, 21.10., 17.30 Uhr, [4][Babylon Mitte]). | |
Der 1935 in Estland geborene Arvo Pärt gehört zu den bekanntesten und | |
populärsten zeitgenössischen Komponisten. In der Dokumentation [5][„Das | |
Arvo Pärt Gefühl“] (2020) versucht der niederländische Filmemacher Paul | |
Hegeman dem Phänomen auf die Spur zu kommen, indem er einerseits Pärt beim | |
Einstudieren von Musikstücken mit dem Cello Octet Amsterdam zeigt und | |
andererseits verschiedene Pärts Musik sehr zugetane Künstler selbige sehr | |
sinnfällig erläutern lässt. | |
Und wenn Pärt selbst mit Musikern arbeitet, bekommt man auch einen Einblick | |
in seine Persönlichkeit: sympathisch, bescheiden und humorvoll (17. 10., | |
15.30 Uhr, 21. 10., 16.10 Uhr, [6][Kino Krokodil]). | |
15 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Neuer-Film-von-Yorgos-Lanthimos/!5470271/ | |
[2] http://www.klickkino.de/ | |
[3] /Spielfilm-von-Wes-Anderson/!5501393/ | |
[4] https://babylonberlin.eu/ | |
[5] https://www.programmkino.de/filmkritiken/das-arvo-paert-gefuehl/ | |
[6] https://kino-krokodil.de/ | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
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