# taz.de -- Jens Spahn und RKI zur Coronalage: Warnung vor hartem Herbst | |
> Jens Spahn mahnt, die Corona-Regeln einzuhalten. Und die Länder streiten | |
> über Beherbergungsverbote. | |
Bild: Lüften gehört zu den effektivsten Schutzmaßnahmen gegen eine Coronainf… | |
BERLIN taz | Der Saal der Bundespressekonferenz war am Donnerstag | |
pandemiebedingt nur spärlich besetzt, dafür sollte eine große Zahl an | |
diesem Morgen viel Raum einnehmen: 4.058. So viele Neuinfektionen hat das | |
Robert-Koch-Institut (RKI) in den vergangenen 24 Stunden erfasst – ein | |
exorbitanter Anstieg zum Vortag, als es noch gut 2.800 Neuinfektionen | |
waren. Dazu trat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor die Presse, | |
unter anderem mit RKI-Präsident Lothar Wieler im Schlepptau. Thema: die | |
Corona-Lage im Herbst. | |
Zu Beginn drückte der Minister sein Unbehagen ob der [1][momentanen | |
Entwicklung] aus: „Die Zahlen besorgen mich sehr.“ Er macht dafür vor allem | |
eine zunehmende Unachtsamkeit jüngerer Menschen verantwortlich. „Zum Teil | |
weil sie Party feiern wollen, zum Teil weil sie reisen wollen. Weil sie | |
sich für unverletzlich halten.“ In dem Kontext kritisierte der | |
CDU-Politiker auch den „teilweise ignoranten Umgang in der Hauptstadt“. | |
Dies gepaart mit der beginnenden kalten Jahreszeit nahm Spahn abermals zum | |
Anlass, die Menschen dazu aufzurufen, die Abstands- und Maskenregeln | |
einzuhalten. Eine „richtige Balance aus Zuversicht und Achtsamkeit“, sagte | |
er, sei nötig, um die nächsten Monate der Coronapandemie zu bewältigen. Als | |
wichtige Bausteine nannte dafür auch die Corona-App und regelmäßiges Lüften | |
von geschlossenen Räumen. Auf jeden Einzelnen komme es an. „Diese Pandemie | |
ist ein Charaktertest für uns als Gesellschaft“, sagte der Minister. | |
Ähnlich äußerte sich der RKI-Präsident: „Wir sind vergleichsweise gut dur… | |
den Sommer gekommen“, sagte Wieler, gerade „weil wir uns an die Maßnahmen | |
gehalten haben“. Er drückte seine Sorge über den derzeitigen Trend in | |
Zahlen aus: So habe die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Coronafälle pro | |
100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen, Anfang Juni noch bei drei | |
gelegen, Anfang Oktober war sie schon auf über 20 gestiegen. Die Zahl von | |
aktuell 470 Intensivpatienten deutschlandweit sei zwar weiter gering, doch | |
habe auch dieser Wert sich in den vergangenen vier Wochen verdoppelt | |
Lüften eine „sehr effektive Präventivmaßnahme“ | |
Wieler sagte, nur wenn die Infektionszahlen niedrig blieben, werde das | |
Gesundheitssystem nicht überlastet – und sprach eine Warnung aus: Mehr als | |
10.000 neue Fälle pro Tag seien eine reale Möglichkeit, „es ist möglich, | |
dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet.“ Um dies zu verhindern, sei | |
das Beherzigen der AHA-Formel, also Abstand, Hygiene und Alltagsmasken, | |
entscheidend. Zudem sollten die drei beziehungsweise vier „G“s vermieden | |
werden: geschlossene Räume, Gruppen und Gedränge, Gespräche in enger | |
Atmosphäre. | |
Hierzu meldete sich auch Martin Kriegel von der TU Berlin zu Wort, | |
sozusagen Fachmann für Raumluft und Aerosole. „Lüften ist eine sehr | |
effektive Präventivmaßnahme“, sagte er. Folglich sollte man sich in | |
schlecht gelüfteten Räumen möglichst nur kurz aufhalten. Halbiere sich die | |
Aufenthaltsdauer, halbiert sich auch das Infektionsrisiko, betonte Kriegel. | |
Ebenfalls bei der Pressekonferenz dabei: Die Infektiologin Susanne Herold | |
von der Uniklinik Gießen. Sie lieferte am Donnerstag ein medizinisches | |
Update. Die Zahl der Patienten in den Kliniken steige, sagte sie, „wir | |
bereiten uns auf eine neue Welle vor“. So könnten auch Operationen mit | |
anderen Erkrankungen coronabedingt bald wieder verschoben werden. Doch auch | |
einige Lichtblicke hatte Herold parat, so gebe es inzwischen einige | |
Medikamente, die einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf eindämmen | |
könnten – darunter das ursprünglich gegen Ebola eingesetzte Remdesivir. | |
Streit um Alleingänge beim Beherbergungsverbot | |
Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung sprach deren Chef Andreas Gassen. | |
Er machte deutlich, dass Deutschland momentan von einer Überlastung des | |
Gesundheitssystems „weit entfernt“ sei. Auch die Arztpraxen seien „auf die | |
Lage eingerichtet“, betonte er. Angesichts von 8.500 freier Intensivbetten | |
müsse man „nicht in Angst verfallen“. Dennoch sei die Bewältigung der | |
Pandemie kein Selbstläufer: „Wir müssen uns rücksichtsvoll verhalten“ | |
Droht sonst ein neuerlicher Lockdown? Der Gesundheitsminister bezweifelt | |
dies. „Wir werden zu so einer Situation wie in März/April nicht | |
zurückkommen“, sagte Spahn. Zu sehr hätte die Bevölkerung in der Pandemie | |
dazugelernt. „Wir haben keine Ausbrüche beim Einkaufen, keine Ausbrüche | |
beim Friseur, kaum Ausbrüche im öffentlichen Nahverkehr“ – also überall | |
dort, wo die Maßnahmen eingehalten würden, sagte er. „Auch in Kindergärten | |
und Schulen verläuft es vergleichsweise gut“. Umso wichtiger seien laut | |
Spahn punktuelle Beschränkungen, etwa wenn es um Privatfeiern gehe, oder | |
Alkoholverbote, wie sie etwa der Berliner Senat jüngst verhängt hatte. | |
In der aktuellen [2][Debatte um Beherbergungsverbote] für Menschen aus | |
inländischen Risikogebieten äußerte der Minister zwar Verständnis für die | |
Alleingänge einzelner Bundesländer, er betonte aber, dass es hier | |
einheitliche Regeln geben sollte. „Der Rahmen muss gleich sein, gerade beim | |
Reisen“, sagte Spahn. Andernfalls koste dies Akzeptanz in der Bevölkerung. | |
Landespolitiker sehen das mitunter anders. Thüringens Linker | |
Ministerpräsident Bodo Ramelow will sich einem bundesweiten | |
Beherbergungsverbot von Menschen aus Risikogebieten jedenfalls nicht | |
anschließen. Das sei Unsinn, erklärte er im ZDF. Dabei hat er die | |
Rückendeckung der Thüringer Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow, die auch | |
für den Bundesvorsitz kandidiert. „Man kann nicht ein ganzes Bundesland | |
dafür in Haftung nehmen, das an lokal begrenzten Hotspots die | |
Infektionszahlen ansteigen“, sagte Hennig-Wellsow der taz. Über konkrete | |
Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie an solchen Hotspots müssten | |
daher am besten die Gesundheitsämter vor Ort entscheiden. Diese zu stärken | |
sieht sie als vorrangig an. | |
Auch das ebenfalls rot-rot-grün regierte Berlin und Bremen schließen sich | |
einem bundesweiten Beherbergungsverbot bislang nicht an. Der Großteil der | |
Länder, darunter Bayern, Brandenburg und NRW wollen es dagegen umsetzen. | |
Andere wie Rheinland-Pfalz wollen an strengeren Einreiseregeln wie einer | |
Quarantänepflicht festhalten. | |
8 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Godeck | |
Anna Lehmann | |
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