# taz.de -- Neue Vorwürfe gegen Israels Premier: U-Boote könnten Bibi versenk… | |
> Israel hat deutsche U-Boote von Thyssenkrupp gekauft. Der Deal kam vor | |
> Gericht – nun könnte auch gegen Regierungschef Netanjahu ermittelt | |
> werden. | |
Bild: Im U-Boot zur Demo gegen Premier Netanjahu, Tel Aviv am 14. Oktober | |
JERUSALEM taz | „Wir machen Druck, damit eine Untersuchung in der | |
U-Boot-Affäre eingeleitet wird“, sagt Yossi Zamir und zeigt auf sein | |
T-Shirt: „Untersuchung jetzt!“ Der Mittsiebziger steht in der Stadt | |
Caesarea auf einem staubigen Parkplatz, nahe der Residenz von Israels | |
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Umrundet ist er von hunderten Autos, | |
von denen viele eine selbst gebastelte U-Boot-Attrappe auf dem Dach tragen. | |
Am Mittwochmorgen ist der Konvoi in Nordisrael losgefahren; am Abend sollte | |
er vor dem Obersten Gericht in Jerusalem ankommen. | |
Dieses muss entscheiden, ob es in der sogenannten U-Boot-Affäre | |
Ermittlungen gegen Netanjahu einleitet. Der Fall kam erstmals 2016 durch | |
einem Bericht des Investigativjournalisten Raviv Drucker ans Licht. Es geht | |
um den Kauf von drei atomwaffenfähigen U-Booten zum Preis von 1,5 | |
Milliarden Euro sowie von Raketenschiffen zum Preis von 430 Millionen Euro | |
aus dem Hause des deutschen Waffenherstellers Thyssenkrupp. Um das Geschäft | |
zu ermöglichen, sollen Schmiergelder geflossen sein. | |
Mehrere Netanjahu nahestehende Personen wurden wegen Bestechung, Betrugs | |
und Geldwäsche bereits angeklagt, darunter Netanjahus Anwalt und Cousin | |
David Shimron sowie der Ex-Vertreter von Thyssenkrupp in Israel, Miki | |
Ganor. Gegen [1][Netanjahu selbst, der ebenfalls in drei Korruptionsfällen | |
vor Gericht steht], wird in diesem Fall bislang nicht ermittelt. Das | |
Gericht könnte dies nun ändern. | |
Organisiert hat den Autokonvoi Roi Peleg. Der frühere Offizier hat wenig | |
mit dem Bild eines Anarchisten zu tun, das Netanjahu von den | |
Demonstrant*innen zeichnet, [2][die seit Monaten seinen Rücktritt fordern]. | |
„Die U-Boot-Affäre“, sagt Peleg, „ist wohl der größte | |
Waffenkorruptionsskandal in der Geschichte Israels.“ Wie so viele vermutet | |
auch Peleg, dass Netanjahu selbst involviert ist. | |
## Militärstab hielt die U-Boote für überflüssig | |
Hinweise sehen sie etwa in der Tatsache, dass die U-Boote gekauft wurden, | |
obwohl sich Verteidigungsministerium, Militärstab und die Marine einig | |
waren, dass Israel keine weiteren U-Boote zur Verteidigung benötigte. Hinzu | |
kommt, dass der Kaufpreis enorm hoch war. Medienberichten zufolge drängte | |
Netanjahu aber auf den Deal und ersetzte den damaligen | |
Verteidigungsminister, der gegen den Kauf war, durch Avigdor Lieberman. | |
2016 stimmte die Regierung dem Kauf zu. | |
Ganor, der Vertreter Thyssenkrupps, der den Deal in die Wege geleitet haben | |
soll, soll zu den Verhandlungen außerdem seinen Rechtsberater Shimron | |
mitgebracht haben, der dafür eine hohe Provision erhalten haben soll. Das | |
Brisante daran ist die verwandtschaftliche Beziehung von Shimron und | |
Netanjahu und dass Shimron gleichzeitig Netanjahus Anwalt war. | |
Ermittlungen könnten Netanjahu auch in Bezug auf einen weiteren Cousin, | |
Nathan Milikowsky, in Schwierigkeiten bringen. Netanjahu hielt Anteile an | |
dessen Unternehmen Sea Drift (später GrafTech). Brisanterweise hatte das | |
Unternehmen Thyssenkrupp mit Stahl beliefert, womit für Netanjahu ein | |
schwerwiegender Interessenkonflikt vorgelegen haben kann. | |
Netanjahu könnte Blau-Weiß-Chef Benny Gantz zufolge umgerechnet mehrere | |
Millionen Euro mit dem Deal gemacht und diese in die eigene Tasche gesteckt | |
haben. In den vergangenen Wahlkämpfen war dieser Verdacht für Gantz’ | |
einstiges Oppositionsbündnis zentral. [3][Nun aber sitzt Blau-Weiß mit | |
Netanjahu in einer Koalition], und die Knesset stimmte im August gegen die | |
Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Blau-Weiß hatte sich bei der | |
Abstimmung enthalten. | |
Bis Donnerstag müssen der Generalstaatsanwalt, das Büro des | |
Ministerpräsidenten, das Verteidigungsministerium und die Polizei dem | |
Obersten Gericht mitteilen, ob sie eine Untersuchung befürworten. Dann wird | |
das Gericht entscheiden, ob Ermittlungen eingeleitet werden. Die Zeit | |
drängt: Im November ist es zehn Jahre her, dass Netanjahu seine | |
GrafTech-Aktien verkauft hat – danach kann in diesem Fall keine | |
Untersuchung mehr eingeleitet werden. | |
15 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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