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# taz.de -- Digitalisierung an Schulen: Wenn das WLAN funktioniert
> Wie Digitalisierung vorbildlich umgesetzt wird, zeigt eine Dresdner
> Schule. Auch der Digitalpakt des Bundes kommt nun langsam in Gang.
Bild: Laptop-Lernen leicht gemacht: Mit technischer Ausstattung und ohne Leistu…
Dresden taz | „Ick bün all hier!“, rufen die beiden Igel in der Fabel vom
Wettlauf mit dem Hasen. An der Universitätsschule Dresden könnte man ebenso
mit einem Vorsprung kokettieren, obschon man sich nicht in einem Wettlauf
fühlt. Denn der 2019 mühevoll zustande gekommene Schulversuch ist nicht nur
in Dresden ziemlich konkurrenzlos, Digitalisierung ist hier nur ein
Schlagwort.
Hier brauchte es keinen Bildungsgipfel [1][wie Ende September im
Kanzleramt], hier nutzten von Anfang an alle Lehrer und Schüler ab Stufe
vier einen Laptop, und das ohne einen Cent aus dem Digitalpakt des Bundes.
Hier kam man relativ locker über die Schulschließungen des Frühjahrs, weil
die digitale Schulorganisation bereits zum Alltag gehörte. Gleichzeitig
folgt man aber stark reformpädagogisch geprägten Methoden mit individueller
Betreuung und dem Grundsatz „Pädagogik geht vor Technik“.
Dem von Plattenbauten umgebenen Schulgebäude auf der Dresdner Südhöhe sieht
man auf den ersten Blick keine innovative Ausstrahlung an. Ein wenig
origineller DDR-Standardbau für Polytechnische Oberschulen, über große
Baupläne der wachsenden Schule wird derzeit gestritten.
Der Universitätscampus beginnt nur wenige hundert Meter unterhalb, denn die
Schule ist ein Gemeinschaftsprojekt der TU Dresden mit der
Landeshauptstadt. Keine freie Schule also, die Schulgeld verlangt, sondern
eine in Trägerschaft der Stadt Dresden. Das sächsische Kultusministerium,
sonst bei Schulthemen nicht unbedingt von revolutionärem Eifer besessen,
genehmigte nach einigem Zögern diesen zunächst auf 15 Jahre befristeten
Versuch.
Die Fakultät Erziehungswissenschaften der Dresdner Uni begleitet und
evaluiert das viel beachtete Projekt nicht nur als ein Labor künftigen
Lehrens, Lernens und des Zusammenlebens. Hier sitzt auch seine „Mutter“ und
Ideengeberin Professorin Anke Langner. Die Genugtuung über die
Medienresonanz und das Echo von Eltern und Schülern ist ihr anzumerken.
Gleichwohl behagt es ihr und den beiden Schulleiterinnen gar nicht, dass
dabei oft das Image als digitale Modellschule im Vordergrund steht. Lieber
spricht die Erziehungswissenschaftlerin von „digital gestütztem Lernen“.
Das Online-Unterrichtsmanagement müsse „menschlich rückgebunden werden“.
„Das Soziale ist ausschlaggebend“, betont die Spezialistin für inklusives
Lernen. Gerade die Erfahrungen der Viruskrise hätten gezeigt, „dass der
soziale Austausch unersetzlich ist“.
## Was hier liegt, ist breitbandtauglich
Das auf intrinsische Motivation setzende pädagogische Konzept findet seine
technische Entsprechung in einer vorbildlichen Ausrüstung. Man hat die
jetzt überall diskutierten Schwierigkeiten selber ohne großen Bohei
gemeistert, wenn auch unter relativ günstigen Voraussetzungen. Was an den
Dresdner Glasfaserknoten anliegt, ist breitbandtauglich. Innerhalb des
Gebäudes musste freilich eine alle Räume erreichende WLAN-Versorgung auch
erst aufgebaut werden. Der Stadt als Schulträger ist man dafür dankbar.
Die Schulleiterinnen Maxi Heß und Patricia Schwarz wissen, dass in
ländlichen Räumen schon an diesen beiden Punkten meist der Digitalhype
steckenbleibt. Denn der im März 2019 beschlossene Digitalpakt des Bundes
mit den Ländern fördert den Netzausbau nicht. [2][Erst im vergangenen
Vierteljahr] hat sich der schleppende Abruf der zur Verfügung stehenden
fünf Milliarden Euro verdreifacht. Nach Angaben des
Bundesbildungsministeriums sind derzeit 680 Millionen Euro bewilligt
worden. In Sachsen, wo der Freistaat seinen Kommunen auch die
Kofinanzierung des Breitbandausbaus abgenommen hat, sind die zustehenden
250 Millionen Euro fast komplett durch Anträge beansprucht worden.
Maxi Heß, die den Grundschulbereich leitet, kommt von der
Montessori-Pädagogik. Wenn sie durch Unterrichtsräume führt, stolpert man
weder über Kabel, noch wird man von Bildschirmen oder Beamern erschlagen.
Die Regale erinnern eher an „Old School“, ein Begriff, der lächelnd immer
wieder fällt. Viel Holz und Papier, Buchstaben-Bausteine im Wortsinn für
die Anfänger. „Die Schüler müssen Haptisches auch lernen“, betont die
begeisterte Anhängerin dieses Schultyps.
Selbstverständlich erinnert aber nichts mehr im Raum an den früheren
Frontalunterricht. Die Tische stehen in Gruppen zusammen. An der
Universitätsschule Dresden gibt es ohnehin keinen einheitlichen Lehrplan,
sondern jedes Kind bekommt seinen individuell abgestimmten Lernplan – auf
digitalem Weg übermittelt.
Das Wort „Klassenraum“ wäre unzutreffend. Denn gelernt wird in drei
Jahrgänge übergreifenden Stammgruppen, ob nun live oder online. Und Lehrer
heißen dabei offiziell „Lernbegleiter“ und haben mit „Paukern“ aus der
„Feuerzangenbowle“-Zeit wirklich nichts mehr gemeinsam.
## Lernen ohne Leistungsdruck
Schulnoten wurden mit Beginn des zweiten Jahres der neu gegründeten Schule
in diesem August ganz abgeschafft und durch „Lernentwicklungsberichte“
ersetzt. Und Messinstrumente wie Pisa, das nur auf die ökonomische
Verwertbarkeit des Schülermaterials zielt, braucht man hier schon gar
nicht. Zu den 200 Schülern des Auftaktjahres sind jetzt weitere 160 bis zur
Stufe sechs hinzugekommen, das Interesse ist groß. In der Kombination von
Grund- und Oberschule, wie in Sachsen die Realschule inzwischen heißt, will
man dreizügig bis zur Stufe zehn wachsen.
Auch bei der zweiten maßgeblichen Digitalisierungskomponente, der
Versorgung mit Endgeräten wie Laptops oder Tablets, lief es bei der
Universitätsschule gut, lange bevor das Bundesbildungsministerium aufwachte
und nun [3][alle 800.000 deutschen Lehrer ausstatten will]. Die Stadt
schaffte die immerhin bis zu 1.300 Euro teuren Laptops an und spielte auch
die Software auf. An Letzterer wird noch gearbeitet, weil das Personal
selber einen Einsatz unterhalb der Klassenstufe vier derzeit nicht für
sinnvoll erachtet.
Über ihren persönlichen „Leppi“ können die Schüler jederzeit verfügen,…
musste in der Zeit der Corona bedingten Schulschließung ausnahmsweise nicht
an der Schule verbleiben. Allerdings sammle man erst noch Erfahrungen, wie
die Mobilgeräte die täglichen Strapazen aushalten, gibt die für die
Oberschule zuständige Patricia Schwarz zu bedenken.
So bedeutete der Lockdown im März für Schüler der Universitätsschule keinen
gravierenden Einschnitt. In Plattformen wie die vom sächsischen
Kultusministerium entwickelte „LernSax“ musste man sich nicht erst
einfuchsen. Stattdessen machten drollige „Corona-Challenges“ im Intranet
die Runde wie das Schreiben eines Gedichts oder eines Krisensongs.
Und als vier Wochen später der Freistaat als einer der ersten seine
Grundschulen wieder öffnete, wurden die Online-Hausaufgaben, die es im
Regelbetrieb sonst nicht gibt, durch eine Rotation mit zwei oder drei
Präsenztagen an der Schule ergänzt. Wenn jedes Kind ohnehin seinem
individuellen Lehrplan folgt, lassen sich die Lerngruppen wegen der
Abstands- und Hygienevorschriften leicht neu mischen.
## Skepsis gegenüber neumodischem Kram
Neben WLAN und Laptop erscheint die Medienkompetenz als dritte Hürde der
Digitalisierung am höchsten. Diesen Eindruck konnte man beispielsweise beim
aller vier Jahre abgehaltenen großen Verbandstag des Sächsischen
Lehrerverbandes Ende der vorigen Woche gewinnen. Wenig offensiv wurde auch
hier über Digitalisierung diskutiert. Das ausgeprägte Beharrungsvermögen
vor allem der älteren Oberschullehrer mischt sich mit Skepsis gegenüber dem
neumodischen Kram.
Das Personal an der Dresdner Universitätsschule aber ist nicht nur
überwiegend weiblich, sondern sogar den beiden jungen Schulleiterinnen im
Durchschnitt zu jung. Im Kollegium haben nur zwei die 55 überschritten, man
hätte die Lehrerjahrgänge wie bei den Schülern gern gemischter.
Eine jetzt veröffentlichte Studie der Vodafone-Stiftung müsste aber gerade
Lehrer jenseits der Gymnasien ermuntern, neue Technologien pädagogisch
sinnvoll einzusetzen. Gymnasiasten der untersuchten achten Klassen verfügen
zwar bei der Mediennutzung über eine höhere Kompetenz. Bei anderen
Schularten aber macht die Studie auch etwa ein Zehntel „digitaler
Optimalschulen“ aus. Sie seien „besonders chancengerecht und gleichen
Leistungsunterschiede aufgrund von Geschlecht, Migrationshintergrund und
sozialer Lage der Schülerinnen und Schüler aus“, heißt es.
Medienkompetenz muss indessen auch von den Schülern der Generation Handy
bewusst erworben werden. „Ein Handy können alle bedienen“, meint
Schulleiterin Patricia Schwarz, „aber das bedeutet noch keinen sinnvollen
Einsatz.“ Um das zu üben, dazu werden Schüler der Dresdner
Universitätsschule hoffentlich bald in einem neuen oder zumindest
erneuerten Gebäude Gelegenheit haben.
Wenn es auch wahrscheinlich nicht für einen teuren Neubau reichen wird,
will die Stadt zumindest 24 Millionen Euro für einen Um- und Anbau an die
überquellende Schule einsetzen. Im Dresdner Bildungsbürgermeister Jan
Donhauser (CDU) hat man dabei einen Verbündeten.
13 Oct 2020
## LINKS
[1] /Bildungsgipfel-im-Kanzleramt/!5715304
[2] /Digitalisierung-der-Schulen/!5710635
[3] /Bildungsgipfel-vor-Corona-Herbst/!5711637
## AUTOREN
Michael Bartsch
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