# taz.de -- Komödie mit Isabelle Huppert im Kino: Die Alte mit den Drogen | |
> Die Komödie „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ zeigt Isabelle Huppert | |
> als erfolgreiche Gelegenheitsdealerin. Den Rollentausch kann sie gut. | |
Bild: Kopftuch um, Sonnenbrille auf, et voilà Madame Hasch (Isabelle Huppert) | |
„La daronne“ – „Die Alte“ wollte man [1][Isabelle Huppert] dann offen… | |
doch nicht nennen. Es ist der Titel, mit dem Jean-Paul Salomés | |
Gangsterinnen-Komödie in den französischen Kinos startete. In Deutschland | |
ist Huppert beziehungsweise Portefeux, so ihr Rollenname, nun „Eine Frau | |
mit berauschenden Talenten“. Eines von diesen stellt gleich ihr Vorname zur | |
Schau: Patience, Geduld. Die Idee einer Mutter, die ihr Baby | |
überdurchschnittlich lange im Bauch trug. | |
Als gigantischer Brocken sei das Mädchen schließlich auf die Welt gekommen. | |
Das ist, beguckt man sich Patience Portefeux heute, kaum mehr vorstellbar: | |
Schlüpft sie in ihre Modest-Fashion-Robe, mit der sie zur Araberin | |
unbestimmter Herkunft wird, verschwinden Teile ihrer Hände unter den | |
überlangen Ärmeln. | |
Dabei ist genau das – Verschwinden – wahrscheinlich Patience’ größte | |
Begabung. Sie stellt das sehr geschickt an: Zwielichtige Geschäfte wickelt | |
sie in unmittelbarer Nähe zur Polizei ab (wer würde das schon tun), und | |
sowieso pflegt sie beruflichen Austausch mit einigen Ermittlern. Einer von | |
ihnen, Philippe ([2][Hippolyte Girardot]), ist sogar an privaten | |
Fortsetzungen nach Dienstschluss interessiert. | |
Patience, seit langen Jahren verwitwet, scheint jedoch nur halbherzig bei | |
der Sache. Es ist einer der vielen Nebenplots, die Salomés Film | |
verlebendigen sollen. Und tatsächlich gibt sich der Regisseur, von dem | |
hierzulande bislang nicht viel mitzubekommen war, Mühe, Bewegung in seine | |
Geschichte zu bringen. | |
Das Ergebnis aber ist vor allem hektisch. Kamerafahrten wirken fahrig und | |
aufgerieben, ein stetig wechselnder und manchmal ziemlich guter Soundtrack | |
täuschen Dynamik vor. Es dauert eine Weile, bis man sich auskennt, und es | |
bereitet keine sonderliche Freude, auf diesen Moment hinzuarbeiten. | |
Zumal das, was einen letztlich erwartet, nicht gerade gehaltvoll ist: | |
Patience, die ihrer geliebten, aber auch sehr anstrengenden Mutter | |
(Spitzname „La princesse“) ein teures Pflegeheim finanziert, ist das Geld | |
ausgegangen. Als sie dank ihres Jobs im Pariser Drogendezernat – sie hört | |
auf Arabisch geführte Telefonate ab und übersetzt diese – von einem | |
verhinderten Deal um eine Tonne bestes Haschisch erfährt, beschließt sie, | |
den Vertrieb selbst in die Hand zu nehmen. | |
## Den Vertrieb selbst in die Hand nehmen | |
Die Art, wie Huppert zur „Alten“ wird – so nennt man die geheimnisvolle | |
Chefin, die insbesondere zwei junge, wenig clevere Dealer fortan mit | |
dunkelbraunen Briketts versorgt –, ist unterhaltsam wie ärgerlich. | |
Unterhaltsam, weil eine grundsätzliche Komik im Rollentausch liegt und | |
Huppert beides, Komik und Rollentausch, kann. | |
In dieser Hinsicht fühlt man sich an Jérôme Enrichos „Paulette“ vor eini… | |
Jahren erinnert, in dem Bernadette Lafont zur fleißigen Bäckerin von | |
Space-Kuchen avancierte. Die Oma mit den Drogen, das funktioniert als Witz | |
irgendwie. Auch, da der Kontakt mit dem neuen Milieu einlädt, sämtliche | |
Register in Sachen kultureller Vorurteile zu ziehen. | |
## Unsichtbare chinesische Halbwelt | |
Das könnte Spaß machen. In „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ aber | |
ermüdet es. Die vermeintlich flotten Sprünge zwischen Kebabrestaurants und | |
Unterwäschegeschäften, in denen junge Araberinnen begeistert Selfies | |
schießen, münden in einer chinesischen Halbwelt, die für Patience bislang | |
unsichtbar war. | |
Denn als einzige Französin ihres Wohnhauses kommt sie erst durch ihre | |
illegale Tätigkeit mit einer anderen „daronne“ in Kontakt: einer kühlen | |
Dame namens Colette Fo (Jade-Nadja Nguyen), die schnell begreift, was vor | |
sich geht und auch bereit ist, bei der bald nötigen Geldwäsche zu helfen. | |
Ein „fantôme“ bleibt Patience für Colette aber bis zuletzt. Immerhin: ein | |
Privileg, das zumindest Vielschichtigkeit andeutet – und die wird hier | |
niemanden sonst zuteil. | |
12 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Carolin Weidner | |
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