# taz.de -- Klimaproteste von Ende Gelände: Wiedereröffnung der letzten Kneipe | |
> Ende Gelände hat im vom Braunkohletagbeau bedrohten Dorf Keyenberg ein | |
> Haus besetzt. Anwohner*innen sind froh über die Proteste. | |
Bild: Aufgebot für eine Kneipe in RWE-Hand: Polizei vor dem von Ende Gelände … | |
GARZWEILER/KEYENBERG taz | In [1][Keyenberg existieren] nicht mehr viele | |
Geschäfte. Das heißt, es gibt genau noch einen Bäcker und einen | |
Blumenladen. Das war's. Außerdem gibt es noch einen Friedhof, der | |
sinnbildlich für das Schicksal steht, das diesem Dorf blüht. | |
Vom „Hauptfeind“ möchte Yvonne Kremers nicht sprechen, wenn es [2][um RWE | |
geht]. Aber Strom von dem Energiekonzern beziehe hier niemand. Das | |
Unternehmen, das im Rheinland zahlreiche Kraftwerke und mehrere Kohlegruben | |
betreibt, darunter mit Garzweiler das größte Loch Europas, will das Dorf | |
weghaben. Obwohl der Kohleausstieg beschlossene Sache ist, soll der Tagebau | |
wachsen, die Dörfer am Grubenrand sollen dafür weichen. Rund ein Drittel | |
der Bewohner*innenschaft Keyenbergs ist schon gegangen. Von denen, die | |
geblieben sind, engangieren sich viele, wie auch Kremers, bei dem | |
[3][Zusammenschluss „Alle Dörfer bleiben.“] | |
„Wegziehen kommt für mich nicht infrage“, sagt Kremers, die eine Reitschule | |
im Ort betreibt. An ihrem Mantel trägt sie einen Button von „Alle Dörfer | |
bleiben“. „Aber dass RWE hier nach und nach alle Häuser und Geschäfte | |
kauft, macht das Dorfleben sehr traurig.“ Wenn man entlang der | |
Backsteinhäuser durch die schmalen Straßen Keyenbergs geht, bestätigt sich | |
dieser Eindruck. Die meisten Rollläden sind halb oder ganz runter gelassen, | |
es sieht aus, als stünden die meisten Gebäude leer. Auf dem einen oder | |
anderen Fensterbrett stehen aber noch Blumentöpfe mit gelben | |
Stiefmütterchen oder gelben Chrysanthemen. Gelb ist die Farbe des | |
Widerstands der Dörfer. Und den haben sie hier noch nicht aufgegeben. | |
## Ein symbolischer Gasthof | |
„Wiedereröffnung“ steht in schwarzer Schrift auf einem rot-weiß-gepunktet… | |
Transparent, das aus den Fenstern der letzten Kneipe des Ortes hängt. Der | |
„Keyenberger Hof“ steht seit Ende 2019 leer, seit RWE das Gebäude erworben | |
und den Ausschank eingestellt hat. Aktivist*innen von Ende Gelände haben es | |
soeben besetzt. „RWE versucht gezielt, soziale Orte zu vernichten und die | |
Dorfgemeinschaft zu spalten“, erklärt die Ende-Gelände-Sprecherin Ronja | |
Weil. „Der Gasthof steht symbolisch dafür, wie hier das ganze Leben | |
zerstört werden soll.“ Deshalb habe man ihn wiederbelebt. | |
Keine hundert Meter vom besetzten Gasthof entfernt steht eine Gruppe von | |
[4][Ende-Gelände-Aktivist*innen eingekesselt] zwischen Polizist*innen und | |
einer Reiterstaffel auf einem Feldweg. Der orangene Finger hatte das Camp | |
Lützerath verlassen und wurde in Keyenberg gestoppt, „weil die Teilnehmer | |
sich nicht an die Vorgaben gehalten haben“, wie ein Polizist in der | |
Polizeikette sagt. „Die wollten immer wieder in den Tagebau.“ | |
## RWE-Mitarbeiter gehen gegen Aktivist*innen vor | |
Das haben viele der Aktivist*innen bereits im Morgengrauen geschafft. Drei | |
Demofinger, die vor Sonnenaufgang aufgebrochen waren, erreichten die | |
Kohlegruben Garzweiler, das Kohlekraftwerk Weisweiler und das Gaskraftwerk | |
Lausward. „Die Bagger stehen still“, meldete Ende Gelände am Vormittag. Ein | |
RWE-Sprecher sagte am Nachmittag, der Betrieb der Kraftwerke sei nicht | |
beeinträchtigt und die Bagger liefen wieder. | |
Für Aktivist*innen und Pressevertreter*innen war es am Morgen zu einer | |
gewaltvollen Begegnung mit rund 30 Security-Mitarbeitern des | |
Energiekonzerns gekommen. Sie wurden von den Werkschutzleuten bedrängt, ein | |
Fotograf geriet in den Schwitzkasten. Kollegen von ihm wurde unter | |
Androhung von Gewalt versucht, die Kameras wegzunehmen. RWE begründete | |
diese Einschränkung der Pressefreiheit mit seinem Hausrecht und „der | |
Sicherheit.“ Die Polizei ging vereinzelt deeskalierend dazwischen. | |
## Scheuendes Pferd und Dauergottesdienst | |
Am Feldweg, wo der organgefarbene Finger am Nachmittag noch immer im | |
Polizeikessel steht, werden zwei Journalist*innen verletzt. Die | |
Polizist*innen der Reiter*innenstaffel sprühen vom Pferderücken aus | |
Pfefferspray in die Menge der Demonstrierenden. Ein Pferd bekommt das Spray | |
ab und scheut. Ein Fotograf und eine Reporterin landen auf der Wiese, | |
wenige Zentimeter neben den Hufen des Pferdes. Der Fotograf trägt | |
Schnittwunden von einem Stacheldrahtzaun am Oberarm davon, die Reporterin | |
ist mit doppeltem Rippenbruch im Krankenhaus, heißt es auf Twitter. | |
Am frühen Abend weht eine goldene Fahne auf dem Dach des „Keyendorfer | |
Hofs“, an den Fenstern tauchen immer wieder Aktivist*innen in weißen | |
Maleranzügen auf. Ein Dauergottesdienst blockiert friedlich die Tür, zehn | |
christliche Anwohner*innen mit einem großen gelben Holzkreuz singen | |
Kirchenlieder und lesen Predigten vor. Mehrere Polizeihundertschaften | |
stehen auf der Straße vor dem Haus und lassen niemanden auf das Grundstück, | |
ein Hubschrauber kreist über dem Dach. Bis Redaktionsschluss ist die Kneipe | |
nicht geräumt. | |
Etwas haben die Klimaaktivist*innen zumindest erreicht: Sie haben Keyenberg | |
für ein Wochenende wieder belebt. „Wir sind froh, dass Ende Gelände da | |
ist“, sagt Yvonne Kremers. Auf anderem Weg sei es ja nicht möglich, | |
Aufmerksamkeit für das Thema der vom [5][Kohletagebau bedrohten Dörfer] zu | |
generieren. Die Landesregierung fühle sich leider wohl nur berufen, „den | |
Profit der Konzerne zu sichern.“ | |
26 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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