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# taz.de -- Reaktionen auf die neuen Corona-Regeln: Alles nur noch Risiko?
> Union, FDP und IHK kritisieren den Senat, weil der die Coronaregeln nicht
> durchsetze und befürchten das auch für die ab Samstag geltende
> Sperrstunde.
Bild: Ab 23 Uhr ist hier demnächst Schluss: Ab Samstag gilt in Berlin die Sper…
Berlin taz | Die krasseste Reaktion kam aus Bayern: „Die Unfähigkeit des
Senats wird zu einem Risiko für ganz Deutschland“, sagte
CSU-Generalsekretär Markus Blume. Zwar seien nun neue Maßnahmen beschlossen
worden. „Doch was helfen Beschlüsse, wenn sie nicht umgesetzt werden.“ Aber
nicht nur der CSU-Mann äußerte sich kritisch zu den [1][verschärften
Coronaregeln inklusive Sperrstunde] ab 23 Uhr, die der Senat am
Dienstagabend beschlossen hat. Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus hält
sie für weder angemessen noch geeignet und denkt an eine Klage dagegen.
Rückhalt kommt hingegen vom Reinickendorfer Amtsarzt, der in der
Vergangenheit nicht nur Lob für den Senat hatte.
Die rot-rot-grüne Landesregierung hatte zuvor festgelegt, dass Restaurants,
Kneipen, Bars, Supermärkte und Spätverkaufsstellen nach 23 Uhr nicht nur
keinen Alkohol mehr verkaufen dürfen, sondern bis mindestens 6 Uhr morgens
schließen müssen. Begegnungen in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen,
verbunden mit Alkoholkonsum, gelten als Hauptgrund für die stark
gestiegenen Coronazahlen.
Ansammlungen im Freien von mehr als fünf Personen oder von Menschen aus
zwei Haushalten sind nach 23 Uhr ebenfalls nicht mehr erlaubt – rechtlich
ist das ein „Zerstreuungsgebot“. Drinnen gilt eine Höchstgrenze von zehn
Personen. Zuletzt hatte eine Hochzeit mit 750 Gästen für Aufsehen gesorgt,
weil es dabei fast 50 Neuinfektionen gab.
Die FDP-Fraktion lehnte die verschärften Regeln als nicht zielführend ab.
Der Senat lasse sich von einer Minderheit auf der Nase herumtanzen, äußerte
sich Fraktionschef Sebastian Czaja. Wenn man Maßnahmen nicht durchsetzen
könne, mache eine weitere Verschärfung keinen Sinn. Grundlegende Freiheiten
darf der Senat seiner Ansicht nach nicht ohne valide Datengrundlage
einschränken.
## Wie lässt sich Verlagerung verhindern?
Das schloss inhaltlich an die Kritik des führenden Charité- Epidemiologen
Stefan Willich vom Dienstag an: Dem fehlt ein „vernünftiger Bezugsrahmen“
für den Grenzwert von 50 Neuinfektionen. Denn der war von Bundesregierung
und Ländern im Frühsommer festgelegt worden, als es deutlich weniger Tests
gab. Das müsse auf Basis von neuen Stichproben und Erhebungen noch einmal
anders definiert werden, forderte Willich.
Ohne valide Grundlage aber hält die FDP-Fraktion die Maßnahmen für
unangemessen und sogar für eine Bedrohung für die
freiheitlich-demokratische Grundordnung. „Wir behalten uns vor, dagegen zu
klagen“, sagte Fraktionsprecher Jean-Paul Neuling der taz.
Die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer, Beatrice Kramm, stellte
ebenfalls die Sinnhaftigkeit von Sperrstunde und Verkaufsverbot infrage.
„Die Gefahr ist groß, dass diejenigen, die bislang in den Parks gefeiert
haben, sich nun einfach in privaten Räumen treffen“, sagt sie, „wie soll
diese Verlagerung verhindert werden?“
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hingegen hält die verschärften
Regeln für überfällig. „Es ist jetzt Schluss mit Partys und privaten
Treffen, es ist jetzt Abstand angesagt“, sagte sie, „wir brauchen eine sehr
gute Disziplin von allen, aber besonders den Jüngeren.“ Sollte sich die
Disziplin nicht verbessern, sei mit weiteren Verschärfungen zu rechnen. Die
Maßnahmen unterstützt auch der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid:
Wenn Partys mit wenig Abstand und viel Alkoholkonsum als Problem
identifiziert seien, sei es auch konsequent zu sagen: „Wir unterbinden
das.“
## Hamburg könnte Berliner Beispiel folgen
An Regeln wie Berlin denkt offenbar auch der Stadtstaat Hamburg. Dort gilt
an Wochenenden in einigen Stadtteilen bereits ein Außer-Haus-Verkaufsverbot
für Alkohol. Das könnte offenbar auf den Schankbetrieb ausgeweitet werden.
Auch eine Sperrstunde für Restaurants und Bars soll im Gespräch sein.
Während in der Hauptstadt der Wert für die Neuinfektionen binnen sieben
Tagen pro 100.000 Einwohner nach [2][Lagebericht] vom Mittwoch auf 47,2
gestiegen war, sind die [3][Zahlen im Umland] viel geringer: In Potsdam als
Großstadt lag der Wert bei 8,4, im Landkreis Barnim bei 6,6, im
BER-Landkreis Dahme-Spreewald bei 13,0. Weiter entfernt, im Landkreis
Prignitz gab es binnen der vergangenen sieben Tage nur eine einzige
Neuansteckung.
In Friedrichshain-Kreuzberg lehnte nun nach dem Bezirksparlament auch das
Bezirksamt um Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) Bundeswehrhilfe ab,
die andere Bezirke dankend angenommen haben. „Das Bezirksamt setzt in der
Corona-Kontaktnachverfolgung auf mittelfristigen Personalaufwuchs statt auf
kurzfristige externe Unterstützung“, hieß es von Herrmann.
Regierungschef Michael Müller (SPD) hatte die [4][Ablehnung der
Bundeswehrhilfe vergangene Woche kritisiert] und fand jetzt einen neuen
Unterstützer in CSU-Generalsekretär Blume: „Da werden aus ideologischen
Gründen wissentlich Menschenleben gefährdet.“ Herrmann hingegen verwies
darauf, dass man in den vergangenen Monaten bereits 17 Personen befristet
eingestellt habe und in den nächsten Wochen noch bis zu fünf folgen
könnten. Hinzu kämen 25 Honorarkräfte und zwei Mitarbeiter des
Robert-Koch-Instituts. „Damit kann das Gesundheitsamt bei den aktuell
vorliegenden Infektionszahlen tagesaktuell reagieren“, sagte Herrmann. Mehr
Personal forderte sie hingegen für das Ordnungsamt, um die Coronaregeln
besser kontrollieren zu können.
7 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitte…
[2] https://www.berlin.de/corona/lagebericht/
[3] https://kkm.brandenburg.de/kkm/de/presse/pressemitteilungen/detail/~07-10-2…
[4] https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-mueller-bundeswehr-hilfe-in-berlin-…
## AUTOREN
Stefan Alberti
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