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# taz.de -- Steigende Coronazahlen in Berlin: Eine Mauer für alle?
> Die Brandenburger Regierung denkt über ein Übernachtungsverbot für
> Berliner nach – und der Berliner Senat über ein nächtliches
> Alkoholverbot.
Bild: Montagnacht in einer Kneipe in Wilmersdorf. Ist der Hahn bald zu?
Berlin taz | „Zwischen uns die Mauer“ hieß am Feiertagswochenende ein Film,
der an die Zeit vor dem Mauerfall erinnern sollte. „Zwischen“ hieß da:
zwischen Ost-Berlin und West-Berlin. In ein paar Tagen könnte es wieder
eine Art Mauer geben, dann aber zwischen Ganz-Berlin und Brandenburg. Denn
angesichts drastisch steigender Coronazahlen in der Hauptstadt denkt man in
der Brandenburger Landesregierung zwar wegen der starken Verflechtung
(noch) nicht an ein Einreise-, aber an ein Übernachtungsverbot für
Berliner. Akut könnte das nach jetzigem Stand werden, wenn die Fallzahl in
Berlin binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner über 50 steigt. Am
Dienstag waren es 41,5, in Brandenburg hingegen nur 8,6. In Berlin läuft es
währenddessen auf ein Alkoholverkaufsverbot ab 23 Uhr hinaus.
Schon bevor am Dienstag die Regierungen beider Länder tagten, hatte
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zwar
angekündigt, Berliner – und damit auch jene aus den vier besonders stark
von Corona betroffenen Bezirken – könnten anders als in anderen
Bundesländern weiter in Brandenburg übernachten. Das soll aber eben nur
gelten, solange ganz Berlin unter der 50er-Grenze bleibt. „Aufgrund der
engen Verflechtungen zwischen Berlin und Brandenburg und den Tausenden
Pendlern müssen wir jetzt sehr aufpassen, dass diese drastische Entwicklung
nicht auf Brandenburg überschwappt“, sagte die Ministerin.
Zuvor hatten die Länder Schleswig-Holstein und Rheinland Pfalz festgelegt,
dass einreisende Berliner aus Neukölln, Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und
Tempelhof-Schöneberg 14 Tage in Quarantäne müssten. Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Dienstag, es spreche viel
dafür, diese Regelung, die auch für einige Städte in Nordrhein-Westfalen
gilt, in Bayern gleichfalls anzuwenden. In Berlin ist die Situation aus
seiner Sicht „am Rande der Nicht-mehr-Kontrollierbarkeit“.
Innerhalb Berlins gibt es ein Gefälle von der Innenstadt zur Landesgrenze
hin. Während der 7-Tage-Wert nach dem Lagebericht des Senats vom
Montagabend in Marzahn-Hellersdorf mit 17,4 landesweit und in
Steglitz-Zehlendorf mit 26,8 in den Westbezirken am niedrigsten lag, waren
die Werte in Mitte und Neukölln – Spitzenreiter mit 87,6 – drei- bis
viermal so hoch.
## „Grober Unfug“
„Die Lage bei uns ist ernst“, sagt entsprechend auch der
Gesundheitsstadtrat von Neukölln, Falko Liecke (CDU), im Gespräch mit der
taz. Die Gründe für die hohen Fallzahlen sieht er zum einen in konkreten
Feierlichkeiten – es soll beispielsweise Infizierte bei sieben
Großhochzeiten Ende September vor allem im Bezirk Tempelhof-Schöneberg
gegeben haben, deren Folgen sich nun auf ganz Berlin erstreckten. Auch
deshalb bezeichnete Liecke die Erklärung einzelner Bezirke zum Risikogebiet
als „groben Unfug“ in einer Großstadt.
Der hohe Anstieg in Neukölln binnen einem Tag könnte zum Teil auch in einem
Rückstau der Fallbearbeitung begründet sein, so Liecke. Man sei dabei, das
Gesundheitsamt noch einmal deutlich personell zu verstärken. Um ein
weiteres rasantes Anwachsen der Fallzahlen zu verhindern, fordert Liecke
vor allem spürbare und sichtbare Kontrolle der Party-Örtlichkeiten –
gegebenenfalls auch mit Kräften aus anderen, schwächer betroffenen
Bundesländern. Lokale, in denen sich wiederholt nicht an die geltenden
Regeln gehalten werde, müssten dann „auch mal für 14 Tage geschlossen
werden“.
Der Direktor am Institut für Epidemiologie an der Charité, Stefan Willich,
kritisierte indes die Fokussierung auf die im Frühjahr festgelegten
Schwellenwerte wie die Zahl von 50 Infizierten auf 100.000 Einwohner*innen
binnen 7 Tagen. Seine Argumentation im RBB-Inforadio: Weil aktuell mehr
getestet werde als im Frühjahr, „ist allein wegen der Anzahl die
Wahrscheinlichkeit höher, dass man hier diese Zahl mal überschreite“. Aus
seiner Sicht müssten sich die Zahlen zur Einschätzung der aktuellen Lage
auf repräsentative Stichproben beziehen, die jetzt erst beginnen.
Der Senat diskutierte währenddessen am Vormittag eine Sperrstunde zwischen
23 Uhr und 6 Uhr. Ob das bedeutete, dass Restaurants, Bars oder
Spätverkauf-Läden nur keinen Alkohol mehr ausschenken beziehungsweise
verkaufen dürfen oder ob sie dann komplett schließen müssen, blieb bis
Redaktionsschluss offen. Konkrete Beschlüsse wollte der Senat erst in einer
zweiten Sitzung am Abend fassen und anschließend vorstellen.
Weitere Neuerungen sind dabei dem Vernehmen nach, dass sich nach 23 Uhr nur
noch fünf Personen treffen dürfen, die nicht zum selben Haushalt gehören,
drinnen generell nur noch 10 statt bisher 25 Menschen privat zusammenkommen
dürfen und Ansammlungen in Parks nachts verboten sein sollen – ab wie viel
Uhr konkret, war bei Redaktionsschluss noch offen. Die neuen Regeln sind
nach taz-Informationen vorerst bis Ende Oktober befristet.
6 Oct 2020
## AUTOREN
Stefan Alberti
Manuela Heim
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