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# taz.de -- Hausprojekt in Berlin-Friedrichshain: Liebig 34 rüstet sich für R…
> Das Hausprojekt Liebig 34 in Berlin soll geräumt werden. Eine von der
> Polizei beendete Pressekonferenz gab einen Vorgeschmack darauf.
Bild: Demonstration für die Liebig 34 am Samstag
Berlin taz | Zwei vermummte Vertreterinnen des anarcha-queerfeministischen
Hausprojekts [1][Liebig 34] sitzen am Dienstagvormittag vor dem bunt
bemalten und mit Transparenten geschmückten Altbau an der Ecke zur Rigaer
Straße in Berlin-Friedrichshain. Es ist der letzte Versuch der
Bewohner*innen, ihre Sicht auf die für Freitagfrüh 7 Uhr angekündigte
Räumung darzulegen – und die Hauptstadtpresse ist zahlreich erschienen.
Eine Frau im Tigerkostüm beschreibt das vor 30 Jahren besetzte Haus als
einen „Schutzraum“ für Frauen, Transgender, Geflüchtete und Betroffene von
sexualisierter Gewalt. Die Liebig 34 sei eine „Utopie“ und ihre bloße
Anwesenheit behindere die „Verdrängungsdynamik“ im Kiez.
Doch was den einen ein linksradikales Symbol ist, ist anderen ein Dorn im
Auge. Während Bewohner*innenanwalt Moritz Heusinger Fragen von
Journalist*innen beantwortet, geht die Polizei dazwischen. Beamte
ergreifen die zweite Liebig-34-Sprecherin, die zu ihrem Krokodilskostüm
kurz zuvor noch einen Helm getragen hatte, und führen sie ab. Der Vorwurf:
illegale Schutzbewaffnung. Lukas Theune, der zweite Anwalt, geißelt noch
den „Angriff auf die Pressefreiheit“, dann ist die Pressekonferenz schon
beendet.
Es ist ein bizarres Vorspiel für das, was Berlin in den nächsten Tagen
bevorsteht. Für die autonome Szene Berlins und weit darüber hinaus ist die
geplante Räumung ein Generalangriff auf ihre selbstbestimmten Strukturen,
den es zu verhindern gilt – oder der [2][zumindest im Chaos versinken
soll]. Für die Polizei ist es ein Szenario wie zu alten 1.-Mai-Zeiten.
Dem rot-rot-grünen Senat wiederum stehen Tage bevor, die ihm Kritik von
links und Applaus von der falschen Seite bescheren werden. Und für die
Anwohnenden, von denen sich viele solidarisch mit den Linken zeigen,
bedeutet die Räumung eine Ausnahmesituation, samt roter Zone, sowie der
Schließung einer Grundschule und einem halben Dutzend Kitas.
## Langer Prozess
Das Szenario hatte sich abgezeichnet, seit Ende 2018 ein zehnjähriger
Pachtvertrag des [3][Immobilienspekulanten Gijora Padovicz] mit den
Bewohner*innen auslief, diese aber nicht freiwillig ausgezogen sind. Der
Rechtsstreit endete im August mit einem Räumungsurteil des Landgerichts.
Doch laut Anwalt Heusinger, der beim Kammergericht Berufung eingelegt hat,
ist der zur Herausgabe verurteilte Verein Raduga e. V. gar nicht mehr im
Besitz der Räume, sondern der ehemalige Untermieterverein Mittendrin e. V.
– gegen diesen erging jedoch kein Räumungstitel. Ihre Sicht auf die
„illegale Räumung“ wollen die Anwälte noch am Freitag vor Ort dem
Gerichtsvollzieher übermitteln. Das bestätigte auch Janko E., Vorsitzender
des Vereins Mittendrin, im Gespräch mit der taz.
Die Linksradikalen bereiten sich unterdessen darauf vor, mit
„zielgerichtetem Chaos“, also Angriffen auf die Infrastruktur, den Einsatz
zu erschweren. Eine Verhinderung der Räumung etwa durch Blockaden scheint
ihnen wenig erfolgversprechend. Bereits am Montagmorgen wurde ein Anschlag
auf Kabelanlagen verübt, der noch am Dienstag den S-Bahn-Verkehr im Osten
der Stadt erheblich einschränkte. Statements der Liebig 34 und ihres
Umfelds wirken in ihrer Unversöhnlichkeit gegenüber staatlichen Strukturen
und ihren offenen Aufrufen zu Militanz wie Überbleibsel aus Hochzeiten der
Autonomen.
## Autonome Hochburg
Zusammen mit der [4][Rigaer Straße 94], zwei Häuser weiter, bildet die
Liebig 34 die letzte autonome Hochburg der Stadt. Auf der „Dorfplatz“
genannten Kreuzung Rigaer-/Liebigstraße ist die Konfrontation mit der
dauerpräsenten Polizei fast alltäglich. Der Kampf um den eigenen Verbleib
inmitten eines überwiegend gentrifizierten Viertels wird lautstark, nicht
selten auch mit Sachbeschädigung geführt.
Doch Massenmilitanz wie etwa 1990 bei der [5][Räumung der besetzten Häuser
in der Mainzer Straße] gibt es nicht mehr. Eine Demonstration für die
Liebig 34 am Samstag fand mit viel Pyrotechnik, aber ohne Krawalle statt.
Die Polizei hat ihr ursprünglich geplantes Aufgebot von 2.500 Beamten
jedoch deutlich erhöht, allein 19 Hundertschaften kommen zur Verstärkung
aus anderen Bundesländern. Laut einem in der Boulevardzeitung B.Z.
zitierten hochrangigen Staatsschützer will man bei einer sich zuspitzenden
Lage „auch Spezialeinheiten vom LKA 6 zuziehen“ – die Rede ist von
Sondereinsatzkommandos, die in der entsprechenden Abteilung des
Landeskriminalamts angesiedelt sind.
Es ist ein Szenario wie 2017 beim G20-Gipfel in Hamburg, [6][als
schwerbewaffnete SEK-Kommandos das Schanzenviertel räumten]. Der
innenpolitische Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader,
sagt auf Anfrage der taz: „Ich sehe keine Anzeichen, die einen SEK-Einsatz
rechtfertigen würden“, schließlich habe man es nicht mit bewaffneten
Terroristen zu tun.
Während aus der Liebig 34 rotierende Akkuschrauber zu hören sind, um das
Haus zu verbarrikadieren, ist es im politischen Raum ruhig. Weder
Innensenator Andreas Geisel (SPD) kann mit harten Ansagen etwas gewinnen,
noch kann die mit den Bewohner*innen solidarische Bundestagsabgeordnete
des Bezirks, Canan Bayram (Grüne), noch viel ausrichten. Die
Entscheidungsschlacht werden Polizei und Linke allein führen.
6 Oct 2020
## LINKS
[1] /Liebig34/!t5539067
[2] /Raeumung-der-Liebig-34/!5713181
[3] /Widerstand-gegen-Vermieter/!5586627
[4] /Rigaer94/!t5320642
[5] /Raeumung-der-Mainzer-Strasse-1990/!5248049
[6] /Gescheiterte-Polizeitaktik-beim-G20-Gipfel/!5426594
## AUTOREN
Erik Peter
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