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# taz.de -- Tourismusförderung fürs Adelshaus: Raubritter am Steinhuder Meer
> Die Region Hannover soll in ein Tourismuskonzept für die Insel im
> Steinhuder Meer investieren. Die gehört Alexander Fürst zu
> Schaumburg-Lippe.
Bild: Die künstliche kleine Insel mitten im Steinhuder Meer soll mehr Touriste…
Hannover taz | Wer in der Region Hannover aufgewachsen ist, kennt sie:
Wilhelmstein im Steinhuder Meer ist eine kleine künstliche Insel in einem
Meer, das in Wirklichkeit auch keines ist, sondern bloß ein riesiger
Binnensee. In der Gegend ist die Insel, die sich bis heute im Besitz des
Adelshauses Schaumburg-Lippe befindet, das klassische Ausflugsziel für
Familien und Schulklassen.
Man muss sich mit einem sogenannten „Auswandererboot“ hinübersetzen lassen,
einer offenen Jolle mit weißem Segel. Motorboote dürfen hier nur mit
Sondergenehmigung fahren – der [1][See ist Landschafts- und teilweise auch
Naturschutzgebiet].
Auf der kleinen, fast quadratischen Insel kann man sich dann die ebenfalls
nicht besonders große Festung anschauen, durch die kühlen Kasematten
schleichen, an den alten Kanonen vorbei, und etwas über Militärgeschichte
des 18. Jahrhunderts erfahren. Und man kann sich ein paar schauerliche
Anekdoten über das schwere Leben der Soldaten und das noch schwerere der
Gefangenen erzählen lassen – denn für kurze Zeit war die Insel auch mal ein
Gefängnis.
Früher gab es danach meist rustikale Verpflegung: Bockwurst und
Kartoffelsalat oder Fischbrötchen. Mittlerweile gibt es ein
anspruchsvolleres gastronomisches Angebot. In das hat die Fürstliche
Hofkammer zu Bückeburg vor einer Reihe von Jahren investiert – genauso wie
in die Restaurierung der Festung und der Nebengebäude, in ein Seminar- und
Tagungshaus, in Übernachtungsmöglichkeiten auf der Insel.
## Auch an anderen Orten versucht die Hofkammer zu sparen
Doch bei dem touristischen Konzept, das jetzt dauerhaft Gäste und Einnahmen
auf die Insel treiben soll, wünscht sich [2][Alexander Fürst zu
Schaumburg-Lippe nun öffentliche] Schützenhilfe.
Übernehmen soll das die schon bestehende [3][Steinhuder Meer Tourismus]
GmbH: Sie soll dafür noch einmal 60.000 Euro pro Jahr von der Region
Hannover bekommen, damit die sich überhaupt erst einmal ein Konzept
ausdenkt, wie die Insel dauerhaft attraktiver gemacht werden kann. Auch das
Land Niedersachsen und die Landkreise Schaumburg und Nienburg/Weser sollen
Geld beisteuern.
Mit ihrem Wunsch ist die Fürstliche Hofkammer zu Bückeburg schon vor zwei
Jahren auf die Politik zugekommen. Die Hofkammer verwaltet das
Immobilienvermögen und die Ländereien des Fürsten, dazu gehört zum Beispiel
auch das Schloss Bückeburg und die dort ansässige Hofreitschule.
Möglicherweise reiht sich die Insel Wilhelmstein damit in andere Versuche
ein, Kostenträger loszuwerden und Einnahmen zu optimieren. Erst kürzlich
kündigte die Hofkammer an, mehrere populäre Gastronomiezweige im
Fürstenbesitz zu schließen, darunter die „Alte Schlossküche“ im Schloss
Bückeburg und das Ausflugslokal am Idaturm im nahe gelegenen Gebirgszug
Harrl.
Diese seien schon vor Corona unrentabel gewesen, hieß es aus dem Schloss.
Sie seien bisher mit Erträgen aus der Forstwirtschaft und Events
quersubventioniert worden, wollen die Schaumburger Nachrichten erfahren
haben. 35 Beschäftigte verlieren ihre Arbeit.
## Piraten und „Die Partei“ kritisieren das Vorhaben
Auch auf der Insel Wilhelmstein wird wohl nicht genug Ertrag
erwirtschaftet. Die Hofkammer begründet dies unter anderem mit der extremen
Wetterabhängigkeit – bei schlechtem Wetter gehen die Touristen nicht gern
auf die offenen Boote, von Ende Oktober bis Anfang April liegt die Insel
ohnehin im Winterschlaf.
Wie ein Konzept aussehen könnte, das an diesen Gegebenheiten etwas ändert,
ist noch unklar. Die damit befasste Steuerungsgruppe hat ihre Arbeit gerade
erst aufgenommen.
Harsche Kritik daran äußerten Die Partei und die Piratenpartei, deren
gemeinsame Gruppe im Regionalparlament sich „Die Region“ nennt.
„Verkehrswende, Hilfe für Obdachlose, Unterstützung von Schüler*innen wegen
Homeschooling… die Liste der Dinge, für die zur Zeit kein Geld da ist,
wächst und wächst stetig. Da wunder ich mich, wie wir mit einem Mal Geld
für diese Touri-Falle übrig haben können“, schreibt Bruno Adam Wolf
(Piraten), der stellvertretende Vorsitzende der Gruppe.
Von „Raubrittertum“ sprach der Vorsitzende Julian Klippert (Die Partei) und
fragte, ob man das Geld nicht besser zum Schutz des Steinhuder Meers gegen
den Klimawandel eingesetzt hätte – sonst könne man ja möglicherweise
ohnehin bald zu der Insel laufen. Die anderen Parteien sahen im
Fachausschuss aber keinen großen Diskussionsbedarf.
Am Dienstag, den 6. Oktober, soll die Regionsversammlung entscheiden. Wenn
die Vorlage durchgeht, hat die Region Hannover bald einen Gastsitz im
Aufsichtsrat der Steinhuder Meer Tourismus GmbH und zahlt mindestens fünf
Jahre lang 60.000 Euro im Jahr. Danach wird das Budget jeweils in
Fünfjahresintervallen neu verhandelt.
6 Oct 2020
## LINKS
[1] /Streit-um-Schutzgebietsverordnung/!5704118/
[2] /Ich-hier-oben/!486230/
[3] /Klage-gegen-Corona-Verordnung/!5694401/
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Tourismus
Adel
Niedersachsen
Adel
Naturschutz
Schwerpunkt Coronavirus
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