# taz.de -- London-Marathon 2020: Rennen im Regen | |
> Ein Überraschungssieg bei den Männern, ein erwarteter Erfolg bei den | |
> Frauen, viele neue Laufrouten. Das war der London-Marathon 2020. | |
Bild: Nur geschrien wird bei den Royals nicht: königliche Pappfiguren als Mara… | |
Einen von etlichen London-Marathons am gestrigen Sonntag hat sehr | |
überraschend Shura Kitata aus Äthiopien in 2:05:41 Stunden gewonnen. Der | |
Favorit des Eliterennens der Männer, [1][Eliud Kipchoge] aus Kenia, war | |
etwa vier Kilometer vor Schluss zurückgefallen und wurde letztlich Achter. | |
Einen anderen London-Marathon hat Brigid Kosgei aus Kenia in 2:18:58 | |
Stunden gewonnen. Die Weltrekordlerin blieb zwar fast 5 Minuten unter ihrer | |
Bestmarke, aber setzte sich im drei Stunden vor den Männern gestarteten | |
Eliterennen der Frauen souverän durch. | |
45.000 andere London-Marathons hingegen wurden von 45.000 anderen | |
Läufer*innen gewonnen. Coronabedingt war das Rennen nicht nur ohne | |
Zuschauer*innen, sondern auch ohne die üblichen Massen angesetzt worden. So | |
fanden überall in London, in Großbritannien, ja auf der Welt | |
London-Marathons statt, die mithilfe einer App aufgezeichnet wurden. | |
Wichtigste Bedingung war, dass die 42,195 Kilometer binnen 24 Stunden | |
bewältigt wurden. | |
Unter etwas größerer Beobachtung waren die Spitzenläufer*innen, und gerade | |
im Männerrennen ging es dramatisch zu: Olympiasieger und Weltrekordler | |
Kipchoge konnte das regen- und kurvenbedingt gar nicht so hohe Tempo am | |
Schluss nicht mehr mithalten und eine Dreiergruppe mit Kitata, Vincent | |
Kipchumba aus Kenia und Sisay Lemma aus Äthiopien sorgte für ein knappes | |
Finish. | |
## Wie die Coranakrise die Vorbereitung gestört hat | |
Schon vor dem Rennen hatte Kipchoge erklärt, was einen Marathon heuer so | |
schwer macht. „Es war wirklich schwierig, als ich plötzlich für mich | |
alleine trainieren musste“, hatte er in einem Interview zur Pandamie | |
gesagt, „ich habe 17 Jahre lang immer in Gruppen trainiert“. Außerdem | |
fehlte ihm sein großer Widersacher, Kenenisa Bekele aus Äthiopien. Der war | |
angemeldet, musste aber wegen einer Wadenverletzung im allerletzten Moment | |
absagen. Dass Kipchoge es dennoch ernsthaft versucht hat, ein fünftes Mal | |
in London zu gewinnen, zeigte er, indem er eine laufende Legende, den | |
vierfachen britischen Olympiasieger [2][Mo Farah], als Pacemaker | |
verpflichtet hatte. Nach dem Rennen verwies er auch auf das schlechte | |
Wetter, das in London herrschte. „Ich kämpfte bis zu dem Moment, als ich | |
fertig war“, sagte er der BBC. | |
Die Siegerin bei den Frauen, Brigid Kosgei, die mit 02:14:04 den Weltrekord | |
hält, erklärte gleichfalls ihre schlechte Zeit mit dem Wetter, „da mussten | |
wir kämpfen“. Außerdem verwies auch sie auf die schlechten | |
Trainingsbedingungen während der Pandemie. | |
Es war alles anders bei diesem London-Marathon 2020. Statt im April ging | |
der [3][Traditionslauf coronabedingt] erst im Oktober über die Straßen, | |
statt vor Publikum wurde vor Kameras und aufgestellten Pappfiguren | |
gelaufen, und statt des üblichen Sightseeings durch die britische | |
Hauptstadt liefen die Eliteläufer eine ständige Zwei-Kilometer-Schleife im | |
St.-James-Park zwischen dem Buckingham Palace und dem Regierungsviertel. | |
Die Hobbyläufer*innen hatten hingegen, wenn sie es geschickt angelegt | |
hatten, auch einen besseren Blick auf London: Die Physiotherapeutin Sally | |
Orange, 46, etwa, die bereits über 50 Marathons hinter sich hat, trabte in | |
diesem Jahr auf einem Laufband in einer Kabine des Londoner Riesenrads | |
London Eye. | |
So eine gute Aussicht hatte Richard Sharp aus Südlondon nicht. Zusammen mit | |
einem Freund hatte sich der Journalist eine Strecke entlang eines sich | |
durch fünf Stadtbezirke schlängelndes Flüsschens ausgesucht. „Hinter uns | |
werden zwei andere, aber langsamere Freunde laufen. Weitere Unterstützung | |
und Wasser werden wir von einem Freund auf einem Fahrrad erhalten“, hatte | |
er vor dem Rennen angekündigt. Hinterher ging es in einen Pub, wo ein | |
Sonntagsbraten wartete. | |
Für Sharp war es sein zweiter London-Marathon, für die 35-jährige Nikki | |
Donohoe das erste Mal überhaupt, dass sie auf die 42-Kilometer-Strecke | |
ging. „Mit meinem Lauf versuche ich Geld für [4][Unique] zu sammeln, eine | |
Organisation, die Familien wie unsere unterstützen, denn meine Tochter | |
Niamh ist eine von nur 60 Menschen weltweit mit Ogden-Syndrom.“ Mit ihrem | |
Kampf gegen die Krankheit, die auch unter dem Kürzel NAAT10 bekannt ist, | |
hat Donohoe bereits umgerechnet 10.000 Euro an Spenden gesammelt. Gelaufen | |
ist sie gemeinsam mit ihrem Mann von Greenwich im Südosten Londons entlang | |
alten Kanälen über die nördliche Stadtgrenze hinaus bis in die Grafschaft | |
Hartfordshire, wo sie wohnt. Donohoe hatte vorab ein Netz von 35 | |
Freund*innen organisiert, die etappenweise mitliefen oder sonst wie | |
geholfen haben. Ob ihre Tochter, „die erst inmitten des Lockdown laufen | |
gelernt hat“, ihr am Schluss entgegenkommen konnte, war nicht zu ermitteln. | |
4 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Marathon-in-unter-zwei-Stunden/!5632833&s/ | |
[2] /Langstreckenlaeufer-Mo-Farah/!5074367&s/ | |
[3] /Petition-der-Woche/!5714292 | |
[4] https://www.rarechromo.org/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
Martin Krauss | |
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