# taz.de -- Streit über Bremer Stadthalle: Zaun entzweit Linke | |
> Ein Zaun hält Jugendliche und Wohnungslose von der Stadthalle fern. Die | |
> Linke im Stadtteil Findorff ist empört. Die linke Wirtschaftssenatorin | |
> nicht. | |
Bild: Soll nicht angepinkelt werden: Die Bremer ÖVB Arena | |
Bremen taz | Wer nicht reden will, sondern ausgrenzen, baut Mauern oder | |
Wände auf: Mitten in Bremen, an der Stadthalle, die derzeit als ÖVB-Arena | |
firmiert, hat die M3B GmbH als Betreiberin im Sommer einen Zaun errichtet. | |
Dessen Zweck: Wohnungslose fernhalten, Obdachlose abhalten, Jugendliche | |
aussperren. „Wir halten das Aufstellen von Bauzäunen, um Wohnungslose und | |
Jugendliche zu vertreiben, für eine enorm bedenkliche Entwicklung“, sagt | |
Marcel Gaytan, der Fraktionssprecher der Linken im Ortsbeirat Findorff. | |
Anlass für den Zaunbau: Die M3B GmbH hatte in diesem Jahr ein erhöhtes | |
Aufkommen von Personen vor der Arena festgestellt. „Zurzeit ist rund herum | |
kein Betrieb, wodurch die Personen hier einen Rückzugsort finden“, sagt die | |
Pressesprecherin der M3B GmbH, Janne Addiks. Auch Gaytan vermutet, dass | |
wegen Corona mehr Menschen den Bereich um die Arena aufsuchen. Die Treppen | |
an der Arena seien einfach gut gelegen: Jugendliche aus dem Umland treffen | |
sich seit jeher am Bahnhof, Wohnungslose finden dort während Corona | |
Versorgungsangebote. | |
Die M3B hat allerdings Probleme mit dem Publikumszuwachs. „Seit Mai haben | |
Personen verstärkt an das Gebäude uriniert, es mit Exkrementen beschmiert | |
und das Parkhaus als Spritzstelle genutzt“, sagt Addiks. Seitdem steht | |
daher der Zaun neben dem Aufgang zum Congress Centrum bis zum Eingang der | |
ÖVB-Arena. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende: „Seit August | |
stellen wir durch einen anderen Personenkreis zudem verstärkt Vandalismus | |
fest“, sagt Addiks und spricht von Graffitis und Gullis, die als Mülleimer | |
verwendet worden seien. Daher habe man den Zaun im August um die Strecke | |
entlang der Gustav-Deetjen-Allee verlängert. | |
Die M3B GmbH ist ein Zusammenschluss großer Bremer Veranstalter. Laut | |
Website tragen sie zur Lebensqualität in Bremen bei. Dies gilt anscheinend | |
aber nur für zahlende Kundschaft. Nach eigenen Angaben hat die GmbH 2016 | |
genau 57 Messen und Kongresse sowie 52 Veranstaltungen organisiert und | |
ausgetragen. Ihren Jahresumsatz gibt sie mit 24,5 Millionen an. | |
Außerdem gehört sie der Stadt. Die Vorsitzende des Aufsichtsrates ist die | |
Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, und das ist in dieser | |
Legislaturperiode Kristina Vogt von den Linken. „Wir gehen davon aus, dass | |
Kristina nichts von dem Zaun weiß“, sagt Gaytan, „aber es ist klar, dass | |
sie da in der Verantwortung steht und sich äußern muss.“ | |
Der Pressesprecher der Senatorin Kai Stührenberg zeigt Verständnis für das | |
Vorgehen der M3B GmbH: „Mit steigendem Vandalismus, zunehmender | |
Verschmutzung und der Bedrohung von Mitarbeitern hat die M3B GmbH gehandelt | |
und ist den Empfehlungen der Polizei gefolgt.“ | |
Addiks bestätigt, dass man der Empfehlung der Polizei gefolgt sei, da die | |
Verschmutzungen immer weiter zugenommen hätten und den Mitarbeitern Schläge | |
angedroht worden seien. „Unser Wachdienst hat die Personen bereits mehrmals | |
verwarnt. Nach und nach wurde die Polizei hinzugezogen. Die Polizei hat uns | |
schlussendlich dazu geraten, einen Zaun aufzustellen.“ | |
Gaytan stört sich daran, dass die M3B GmbH weder den Beirat noch | |
Mitarbeiter*innen der inneren Mission in die Kommunikation mit den | |
Betroffenen involviert hat. „Stattdessen ist vom Sicherheitsdienst und | |
Polizeibeamten die Rede“, sagt er. | |
„Wir hätten gemeinsam eine Lösung finden können. Zum Beispiel hätten wir | |
Dixiklos aufstellen können, aber stattdessen mussten die ja ihren | |
Alleingang machen.“ Addiks verteidigt das Vorgehen der M3B GmbH: „Ein | |
Vorschlag zum Aufstellen von Toiletten durch den Ortsbeirat ist uns nicht | |
bekannt. Für Vorschläge, wie wir uns trotzdem einbringen können, mögliche | |
Alternativen für Wohnungslose zu finden, sind wir natürlich jederzeit | |
offen.“ | |
Gaytan will das Thema jedenfalls nicht fallen lassen. „Wir werden das nicht | |
aus den Augen verlieren“, sagt er und kündigt an: „In zwei Wochen werden | |
wir den Zaun im Fachausschuss im Stadtteil Findorff thematisieren.“ Er | |
sieht in Bremen mittlerweile einen gefährlichen Trend zum Zaun. „Erst | |
kürzlich hat die Bahn eine Brache am Gleisdreieck nahe dem Hauptbahnhof | |
geräumt.“ Tatsächlich hatte die Bahn [1][im Mai Wohnungslose von einem | |
brachliegenden Grundstück] zwischen Walle und Findorff geräumt. | |
Damals hieß es, es habe Beschwerden über Ratten und Müll gegeben, außerdem | |
argumentierte die Bahn, dass die Situation an den Gleisen zu gefährlich | |
sei. Auch dieses Gelände ist mittlerweile mit einem Zaun abgesperrt. | |
24 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Lukas Scharfenberger | |
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