Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Absurdes Gerichtsurteil in Belarus: Protest mit „Mäusespeck“
> Eine Rentnerin kommt mit weiß-roten Süßigkeiten zur Demo. Und wird dafür
> bestraft. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 32.
Bild: Eine Demonstrantin wird während einer Kundgebung der Opposition am 8.Nov…
Am 8. November gab es einen [1][traurigen Rekord bei Festnahmen von
Demonstrierenden: 1.240 Menschen]. Das ist sogar mehr als im „brutalen
August“. Im Internet ist ein Foto aufgetaucht, wie Verhaftete mit erhobenen
Händen an der Mauer im Hof eines Isolationszentrums stehen müssen (Es gibt
zahlreiche Berichte darüber, wie Menschen dort stundenlang so stehen
müssen; Anmerkung der Redaktion). Im November. In der Kälte.
„Ich habe eine Frage an die Sicherheitsorgane“, schreibt in den sozialen
Netzwerken ein Journalist des zweitgrößten Internetportals in Belarus.
„Sagen Sie bitte, welches Gesetz regelt, dass man mehr als fünf Stunden so
stehen muss? Was für eine Art der Verwahrung ist das?“ „Das ist wie in
einem Konzentrationslager“, kommentiert ein anderer Journalist.
„Und ich hab noch eine zweite Frage: Wann kommt es zu einer Wende in der
belarussischen Gesellschaft? Wann beginnen die Menschen zu verstehen, dass
die Sicherheitskräfte keine ‚Gesetzeshüter‘ sind und dass sie außerhalb
geltenden Rechts agieren?“, fragt der Autor.
[2][Swetlana Tichanowskaja] hat sich an die belarussischen Machthaber
gewandt: „Mehr als tausend Verhaftungen, hunderte von Menschen, die
getreten oder mit Knüppeln zusammengeschlagen werden. Zeigen Sie so der
ganzen Welt Ihre Legitimation als Präsident? So erreichen Sie nichts! Das
stolze und furchtlose Volk wird denjenigen, die gewagt haben, die Hand
gegen es zu erheben und ihm die Stimme zu rauben, keinen Glauben mehr
schenken.“
Darüber hinaus gibt es Nachrichten, über die man gleichzeitig lachen und
weinen möchte. Unlängst musste eine 75-jährige Rentnerin nach Paragraph
23.34 eine Strafe von umgerechnet 180 Euro zahlen. Jeden Montag geht sie
[3][mit anderen RentnerInnen zur Solidaritäts-Protestaktionen] auf die
Straße.
Über die Frau hatte man sechs Protokolle angefertigt. In einem stand: „Sie
hat mit Schaumzucker-Süßigkeiten („Mäusepeck“) protestiert!“
„Beim letzten Mal hatte jemand zu den Protestaktionen weiß-rot gestreiften
‚Mäusespeck‘ mitgebracht (Diese belarussische Süßigkeit aus Eischnee, ro…
Früchten und Zucker, im Russischen ‚Zefir‘ genannt, wird in genau dieser
Form schon seit Jahren in den Geschäften verkauft; Anmerkung von Autorin
und Redaktion)“, erinnert sich Iraida Wasiljewa im Video-Interview mit dem
Internetportal tut.by. „Und danach wurde ich vor Gericht gestellt, sie
warfen mir vor, dass ich mit diesen Süßigkeiten gewunken und so meinen
Protest gezeigt habe.“ (hier lächelt die Interviewpartnerin)
Belarussen haben der Frau ihre Hilfe angeboten und waren bereit, ihre
Strafe zu bezahlen. Aber sie ist aus Prinzip dagegen und sagt: „Dann sollen
sie es mir von der Rente abziehen, und damit von der staatlichen
Unterstützung nehmen.“
Bei den Protestaktionen sind jetzt weniger Menschen. Das hängt auch damit
zusammen, dass es Winter wird und die Zahl der Infektionen mit Covid-19
steigt. Aber in den öffentlichen Chats geben die Menschen nicht auf. Und
sie probieren jetzt eine neue Strategie: öfter auf die Straße gehen, in
kleineren Gruppen – und am Ende siegen! Es lebe Belarus!
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
13 Nov 2020
## LINKS
[1] /Machtspiele-in-Belarus/!5714990
[2] /Proteste-in-Belarus/!5720655
[3] /Rentner-in-Belarus/!5714968
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Kolumne Notizen aus Belarus
Belarus
Alexander Lukaschenko
Protest
Punk
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Belarus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Protestsong aus Belarus: Kein Bock auf Kartoffeln
Gegen diktatorischen Bullshit: Die belarussische Punkband Messed Up
unterstützt den Kampf der Protestbewegung mit einem kraftvollen Song.
Wieder Massenproteste in Belarus: Polizei schickt Rekordaufgebot
In Belarus ist es erneut zu Massenprotesten gekommen. Einigen Demonstranten
gelang es, die Polizei mit schwarzer Kleidung zu verwirren.
Proteste gegen belarussische Regierung: Warnschüsse und Festnahmen
Erneut sind Zehntausende in Minsk gegen Präsident Lukaschenko auf die
Straße gegangen. Mehr als 40 Demonstrant*innen sollen verhaftet worden
sein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.