# taz.de -- Machtspiele in Belarus: Die Standpunkte verhärten sich | |
> Wer protestiert fliegt raus – in Krankenhäusern, Unis und Fabriken. Olga | |
> Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 29. | |
Bild: Belarussische Polizisten blockieren eine Straße in Minsk | |
Am Montag gingen die Studierenden der Universitäten auf die Straße. Am | |
folgenden Tag verkündete Lukaschenko: „Die wollen nicht studieren – | |
schmeißt sie raus! Die einen in die Armee, die anderen – auf die Straße.“ | |
„Heute wurden um die [1][20 Studierende der Medizinischen Hochschule | |
exmatrikuliert]“, schreibt ein angehender Arzt auf seiner Facebookseite. | |
„Einigen warf man fehlende Teilnahme-Scheine vor. Mir macht das Angst und | |
es widert mich an. Ich möchte dort nicht mehr hin, obwohl ich von klein auf | |
davon geträumt habe, Medizin zu studieren. Ich weine, meine Mutter mit mir. | |
Wir wissen nicht, was wir jetzt tun sollen. Heute hat man drei Leute | |
rausgeworfen, die verdienstvolle Ärzte hätten werden können. Sie haben dort | |
studiert, um später Menschenleben retten zu können. Ich würde ihnen die | |
Gesundheit meiner Familie anvertrauen. Es tut mir sehr weh, dass sie gehen | |
mussten.“ | |
An anderen Hochschulen gehen die Dekane, in den Fabriken werden | |
scharenweise die Menschen entlassen, die nicht mit der Regierung | |
übereinstimmen. [2][Journalisten führender Medien werden die | |
Akkreditierungen entzogen] und sie erhalten Administrativhaftstrafen. | |
Sicherheitskräfte stürmen Privatwohnungen und schlagen die Menschen, werfen | |
während friedlicher Proteste mit Blendgranaten auf Demonstrierende. | |
Menschen verlassen Belarus, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen. | |
Im Fernsehen lügt man weiter, dass die hundertausende Menschen auf den | |
Demos danach trachten, dass friedliche und blühende Belarus aufzumischen. | |
In einem anderen Text für diese Kolumne „Tagebuch aus Minsk“ habe ich | |
einmal über einen Mann geschrieben, der mit seiner Katze zu Hause saß, | |
[3][während seine Frau zu den Protestaktionen] ging. Vor ein paar Tagen | |
wurde sie aus dem Gefängnis entlassen, in dem sie für 15 Tage inhaftiert | |
gewesen war. Auf dem Weg zum Abendessen zu ihrem Mann wurde sie im Dunkeln | |
verhaftet. Ihre feministische Bildungsarbeit hat sie aufgegeben – man hat | |
sie mit einem Strafverfahren bedroht. | |
Und als „Auszeichnung“ hat sie sich im Gefängnis auch noch mit Covid19 | |
infiziert, wie auch andere ihrer „Zellengenossinnen“. Die Lebensbedingungen | |
dort waren sehr unhygienisch. In einigen Zellen sind die Toiletten | |
gesperrt, die Spülung geht nicht, es gibt kein Wasser. Eine | |
Basketballspielerin (die Nationalspielerin Yelena Leuchanka war Ende | |
September für 15 Tage wegen Teilnahme an Protesten in Haft; Anmerkung d. | |
Redaktion), die ebenfalls dort war, erzählte, dass sie sich aufgrund der | |
Haftbedigungen im Gefängnis Läuse eingefangen hatte. | |
In meinem Bekanntenkreis sind alle von Repressionen betroffen. Die | |
Belarussen sind erschöpft von der Angst, die Situation ist psychisch sehr | |
belastend für alle. Denn jeder Tag bringt neue Gewalt der Machthaber gegen | |
das Volk. Aber wir glauben stark daran, dass der Sieg sehr nah ist. | |
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey] | |
3 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Olga Deksnis | |
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