| # taz.de -- taz-Autor:in macht Werbung für Luxusmarke: Nur noch Gucci, Bratan | |
| > Wenn Linke Luxus leben, regt das sowohl Rechte als auch Linke auf. Doch | |
| > wer mit einer Doppelmoral argumentiert, hat Kapitalismuskritik nicht | |
| > kapiert. | |
| Bild: Hengameh Yaghoobifarah wirbt für das Kaufhaus des Westens | |
| Taz-Kolumnist:in Hengameh Yaghoobifarah wirbt für das KaDeWe in Berlin, für | |
| einen Ledermantel der Marke Marni (3.900 Euro) und für Ankle Boots (459 | |
| Euro). In einem dazugehörigen Video sagt Yaghoobifarah: „Luxus ist geil, | |
| solange alle Luxus haben können.“ Die Werbefotos, die seit Mittwoch | |
| rumgeistern, sind mit dem Slogan „Alles allen“ garniert. Und im Netz ist | |
| die [1][Aufregung mal wieder groß]. | |
| Manche finden die Fotos toll, wie auch [2][die sogenannte Polizeikolumne], | |
| die im Sommer für Aufsehen gesorgt hatte. Andere mögen die Fotos, obwohl | |
| sie die Kolumne kritisch sehen. Und wieder anderen, Polizeigewerkschafter | |
| und Welt-Chefredakteure inbegriffen, gefällt weder Kolumne noch Werbung. | |
| Ihre Kritik: Wie kann sich eine Person kapitalismuskritisch geben und für | |
| Luxusartikel werben? Auch manche gewissenhafte Linke finden deshalb, dass | |
| hier mit dem Aushalten kapitalistischer Widersprüche übertrieben wurde. | |
| Andere stellen triumphal fest, dass es sich einfach um einen gelungenen | |
| Werbecoup für beide Seiten handele. | |
| Doch wenn all diese denken, sie könnten Linke der Doppelmoral überführen, | |
| dann zeigen sie meistens nur, wie wenig sie von deren Kritik am Status quo | |
| verstanden haben. Menschen vorzuwerfen, sie würden den Kapitalismus | |
| kritisieren und trotzdem am Kapitalismus teilnehmen, ist lächerlich. | |
| ## Reinheit des linken Daseins | |
| Wenn die vermeintlich verlogenen Linken also kapitalistisch sind, weil sie | |
| Werbung machen oder teure Uhren tragen, wo sind dann die aufrichtigen | |
| Linken? Nach der Logik genannter Kritiker müssten diese imaginierten, | |
| aufrichtigen Linken alle irgendwo jenseits der Zivilisation | |
| Subsistenzwirtschaft betreiben, Felder bestellen, Vieh halten und jagen | |
| gehen, um zu überleben. | |
| Jene Linke, die bald wirklich [3][Subsistenzwirtschaft betreiben] könnten, | |
| kämpfen heute noch auf Twitter und Co um die Reinheit des radikalen | |
| Linksseins. Sich als Linker möglichst widerspruchsfrei durch eine | |
| widerspruchsvolle Welt zu bewegen ist nicht gratis. | |
| Das wissen wir auch von Diskussionen über Fairtrade oder Flugscham. Wer | |
| genug Mittel hat, um seinen Prinzipien getreu Geld zu verdienen und zu | |
| konsumieren, der möge das tun. Wenn er aber mit dem Finger auf andere | |
| zeigt, dann offenbart das selbstgerechte Ignoranz. | |
| In ihrer intendierten provokativen Wirkung ähnelt die Werbekampagne | |
| deshalb, das hat eine Kollegin von der Berliner Zeitung auch festgestellt, | |
| dem [4][zeitgenössischen deutschen Gangstarap]. Wie Capital Bra sagt: „Nur | |
| noch Gucci, Bratan, ich trage nur noch Gucci.“ | |
| 26 Sep 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/search?q=%23KaDeWe&src=typed_query | |
| [2] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584 | |
| [3] /Der-Hausbesuch/!5671090 | |
| [4] /Streetworker-und-Strassensound-Moderator/!5707653 | |
| ## AUTOREN | |
| Volkan Ağar | |
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