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# taz.de -- Schikanen gegen Menschenrechtler: Amnesty schließt Indien-Büro
> Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stellt die Arbeit in
> Indien vorerst ein. Erneut waren dort Konten gesperrt worden.
Bild: Mitarbeiter von Amnesty International in ihrem Hauptquartier in Bangalore…
Mumbai taz | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai)
hatte schon länger einen schwierigen Stand in Indien. Nachdem am 10.
September die Konten des indischen Ablegers ohne Vorwarnung erneut
eingefroren worden waren, teilte ai-Indien am Dienstag mit, dass man sich
gezwungen sehe, die 140 MitarbeiterInnen zu entlassen und die Kampagnen-
und Forschungsarbeit einzustellen.
Die Kontensperrung wie vorherige Verhöre von ai-Führungskräften seien die
letzten Schritte einer „zweijährigen Schikane“. „Als wir das Büro 2012
eröffnet haben, konnten wir uns dieses Ausmaß an Einschüchterungen und
Angriffen nicht vorstellen“, erklärte ai gegenüber der taz.
Amnesty International sieht einen Zusammenhang zwischen dem schikanösen
Vorgehen der Regierung und der eigenen Arbeit, die zuletzt in kritischen
Berichten über die tödlichen Unruhen in Delhi zu Jahresbeginn und über
massive Menschenrechtsverletzungen in der Region Jammu und Kaschmir
bestand.
„Für eine Bewegung, die nichts anderes getan hat, als ihre Stimme gegen
Ungerechtigkeit zu erheben, kommt dieser jüngste Angriff dem Einfrieren von
Meinungen gleich“, erklärte Avinash Kumar, Direktor von ai-Indien.
## „Behandelt wie Verbrecherbanden“
„[1][Menschenrechtsorganisationen] wie Verbrecherbanden und [2][Menschen
mit abweichenden Ansichten] als Kriminelle zu behandeln, ist ein gezielter
Versuch durch die Behörden, ein Klima der Furcht zu schaffen und kritische
Stimmen in Indien zu unterdrücken.“
Schon 2018 hatte die Polizei den Amnesty-Hauptsitz in Bangalore durchsucht,
nachdem zuvor ai-Konten wegen angeblicher illegaler Finanzierung aus dem
Ausland gesperrt worden waren.
Jetzt lautet der Vorwurf auf angebliche Geldwäsche. Denn nachdem
Nichregierungsorganisationen verboten wurde, Gelder aus dem Ausland
anzunehmen, hatte ai-Indien eine erfolgreiche Kampagne gestartet und von
100.000 Personen Spenden bekommen.
Zugleich wurde ai vorgeworfen, mit der Arbeit Indien destabilisieren zu
wollen. Dass „die Regierung dieses rechtmäßige Geldbeschaffungsmodell jetzt
als Geldwäsche darstellt, ist ein Beweis dafür, dass der überzogene
Rechtsrahmen böswillig aktiviert wurde“, so Amnesty.
## Bisher wurden keine Beweise vorgelegt
Denn laut der Menschenrechtsorganisation wurden bisher keinerlei Beweise
vorgelegt, die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen. Die Behörden hatten
bis Dienstag die Kontensperrung nicht bestätigt und dazu nicht Stellung
genommen.
Am Abend erklärte Indiens Innenministerium die Position von Amnesty
International überzogen. Die ai-Zentrale in England solle große Summen an
in Indien registrierte Unternehmen überwiesen haben, und ausländische
Gelder seien ohne Genehmigung an ai-Indien transferiert worden. Amnesty
stehe es frei, seine humanitäre Arbeit in Indien fortzusetzen. „Allerdings
erlaubt Indien keine Einmischung in innenpolitische Debatten durch
Einrichtungen, die durch ausländische Spenden finanziert werden.“
Die [3][Umweltorganisation Greenpeace India] erklärte sich jetzt mit
Amnesty solidarisch. Die Behörden hatten bereits schon mehrfach Konten der
Umweltschützer gesperrt. Im letzten Herbst wurde auch gegen eine indische
Anwaltsgruppe vorgegangen, die sich erfolgreich für [4][LGBTQ-Rechte]
eingesetzt hatte.
Der Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Kenneth
Roth, twitterte, das Vorgehen gegen ai in Indien sei ein weiterer Beleg
dafür, dass die Regierung von Narendra Modi die Meinungsfreiheit
einschränke.
Amnesty hat sein Russland-Büro bereits 2016 geschlossen. Dort müssen sich
Organisationen mit internationalen Verbindungen inzwischen offiziell als
„ausländische Agenten“ registrieren lassen. Nicht vertreten ist ai auch in
China, hat aber ein Büro in der bis vor kurzem autonomen Sonderzone
Hongkong. In der Türkei sitzt der lokale ai-Direktor im Gefängnis, doch
arbeitet die Organisation dort weiter. Das Regionalbüro Südasien hatte ai
bereits von Indien nach Sri Lanka verlegt gehabt.
29 Sep 2020
## LINKS
[1] /Amnesty-ehrt-indischen-Menschenrechtler/!5295035
[2] /79-jaehriger-Dichter-in-Indien/!5695408
[3] /Zulassung-in-Indien-entzogen/!5248653
[4] /Drittes-Geschlecht-in-Indien/!5044201
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
Menschenrechte
Amnesty International
Narendra Modi
Geldwäsche
iPhone
Congress-Partei
Indien
Irom Sharmila
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