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# taz.de -- Steigende Infektionszahlen in Israel: Nachts zu Hause bleiben
> In rund 40 Städten dürfen Israelis wegen Corona nachts nicht mehr das
> Haus verlassen. Ein noch härterer Plan wurde kurzerhand allerdings
> verworfen.
Bild: Jüdische Ausbildungsstätte im ultraorthodox geprägten Bnei Brak
Berlin taz | Ab Montagabend gilt in rund 40 israelischen Städten mit
besonders hohen [1][Corona]-Infektionszahlen eine nächtliche
Ausgangssperre. Dies hat die israelische Regierung am Sonntagabend
beschlossen. Damit fegte sie kurzerhand den sogenannten Ampelplan des
Corona-Beauftragten Roni Gamzu vom Tisch, der eigentlich am Sonntag in
Kraft treten sollte und deutlich härtere Maßnahmen beinhaltete.
Gemäß den nun beschlossenen Regeln dürfen die Menschen in den rund 40
Städten nicht mehr als 500 Meter von ihrem Zuhause weggehen. Nicht
systemrelevante Geschäfte müssen während der Ausgangssperre geschlossen
bleiben. Schulen bleiben komplett geschlossen.
Der Ampelplan dagegen sah vor, als rot definierte Zonen mit besonders hohen
Infektionszahlen komplett abzuriegeln, gleichzeitig aber einen landesweiten
Lockdown zu verhindern. Betroffen hätte dies zehn Städte und Stadtteile.
Eine teilweise Schließung war für weitere 27 Viertel und Ortschaften
vorgesehen.
Am vergangenen Mittwoch hatte die Zahl der täglichen Neuinfektionen in
Israel den Rekordwert von knapp 3.000 erreicht. In Deutschland wären dies
umgerechnet auf die Bevölkerungszahl rund 30.000 Neuinfektionen.
Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion hatte am
Wochenende die Marke von 1.000 überschritten, wie das
Gesundheitsministerium am Sonntag mitteilte. Im internationalen Vergleich
sind dies immer noch wenig, doch medizinisches Personal warnt davor, dass
die Krankenhäuser bereits in etwa zwei Wochen überlastet sein könnten.
## Widerstand von Ultraorthodoxen
Gegen den härteren Ampelplan des Corona-Beauftragten kam Widerstand von
ultraorthodoxer Seite, denn viele der als rot definierten Stadtteile und
Städte sind ultraorthodox geprägt. In einem am Sonntag veröffentlichten
offenen Brief beschuldigten vier ultraorthodoxe Bürgermeister
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, ihre Gemeinden „zertrampelt“ zu haben
und die Strenggläubigen als „Krankheitsüberträger“ und „Feinde des Vol…
zu diskreditieren. Die Bürgermeister hatten angekündigt, sich den
Lockdown-Vorschriften, sollten sie in Kraft treten, zu widersetzen.
Netanjahu, der mit [2][Massendemonstrationen gegen ihn] und mit einer
dreifachen [3][Anklage wegen Korruption] zu kämpfen hat, ruderte zurück –
wohl aus Sorge, auch noch die Unterstützung seiner ultraorthodoxen
Koalitionspartner zu verlieren.
Aus der Opposition kam heftige Kritik an der Planänderung: „Der Deal ist
einfach. Bibi gibt den Ultraorthodoxen alles, was sie wollen, und als
Antwort darauf holen sie ihn aus dem Gefängnis“, sagte der
Parlamentsabgeordnete Yair Golan von der Partei Meretz.
Positive Reaktionen kamen dagegen von den Bürgermeistern arabischer Städte.
Neben den ultraorthodoxen sind auch arabisch geprägte Gegenden in Israel
schwer vom Coronavirus betroffenen. Vor allem große Hochzeiten werden dort
für die hohen Infektionszahlen verantwortlich gemacht.
Viele arabische Israelis äußern sich besorgt über eine mögliche Rückkehr
zur völligen Abriegelung, vor allem in Hinsicht auf die ökonomischen
Folgen. Arabische Israelis – im Durchschnitt bereits ärmer als ihre
jüdischen Mitbürger*innen – sind unverhältnismäßig stark von den Folgen …
Pandemie betroffen. Die israelische Ökonomie ist schwer angeschlagen.
Akkurate Arbeitslosenzahlen gibt es derzeit nicht, zuletzt war von einer
Million Arbeitslosen bei neun Millionen Einwohner*innen die Rede.
## Sorge vor anstehenden Feiertagen
Auseinandersetzungen gibt es unterdessen noch um die in der zweiten
Septemberhälfte anstehenden jüdischen Feiertage, das Neujahrsfest Rosch
HaSchana und den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Vertreter*innen
des Gesundheitssystems befürchten ein verstärktes Infektionsgeschehen durch
Familienfeiern und Gottesdienste. Mehrere Dutzend Ärzt*innen und
Wissenschaftler*innen sprachen sich in einem offenen Brief aber gegen einen
noch immer nicht ausgeschlossenen Lockdown ein.
Die beiden Vorsitzenden der zwei ultraorthodoxen Parteien, Yaakov Litzman
und Arie Deri, ließen verlauten, Netanjahu habe versprochen, dass die
Synagogen offen bleiben würden – selbst wenn über die Feiertage ein
landesweiter Lockdown verhängt werde.
7 Sep 2020
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
[2] /Proteste-in-Israel-halten-an/!5699874
[3] /Historischer-Prozessauftakt-in-Israel/!5687615
## AUTOREN
Judith Poppe
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Israel
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