# taz.de -- Fehler in Straßenverkehrsordnung: Zurück ins Jahr 2009 | |
> Alle Änderungen der Straßenverkehrsordnung seit 2009 könnten unwirksam | |
> sein – weil die Rechtsgrundlagen nicht richtig zitiert wurden. | |
Bild: Das Verbot, mit dem Handy im Auto zu telefonieren, wäre betroffen | |
FREIBURG taz | Neben dem Verkehrs-Bußgeldkatalog könnten auch alle | |
Änderungen der Straßenverkehrsordnung seit 2009 unwirksam sein. Darauf | |
weist das baden-württembergische Justizministerium hin. Die Neue | |
Osnabrücker Zeitung hatte zuerst darüber berichtet. | |
Um die Verkehrsregeln schnell anpassen zu können, darf der | |
Bundesverkehrsminister diese per Rechtsverordnung (mit Zustimmung des | |
Bundesrats) ändern. Es ist also nicht jedes Mal ein Gesetz des Bundestags | |
erforderlich. Welche Themen per Verordnung geregelt werden dürfen, ist im | |
Straßenverkehrsgesetz (StVG) geregelt. Damit die Öffentlichkeit | |
kontrollieren kann, ob sich das Ministerium im Rahmen seiner Befugnisse | |
bewegt, muss es bei jeder Verordnung und jeder Änderung angeben, auf | |
welchen StVG-Paragraphen es sich dabei stützt. | |
Das geht beim Bundes-Verkehrsministerium allerdings immer wieder schief. | |
[1][So mussten die Bundesländer ihre Behörden anweisen, den eigentlich ab | |
Ende April 2020 geltenden verschärften Bußgeldkatalog nicht mehr | |
anzuwenden, weil das Ministerium von Andreas Scheuer (CSU) die | |
Rechtsgrundlagen unvollständig zitiert hatte.] Der Vorgang wurde bekannt, | |
weil Scheuer seinen Formfehler derzeit sogar dazu nutzen will, | |
Fahrverbotsregeln für Raser teilweise rückgängig zu machen. | |
Das Stuttgarter Justizministerium von Minister Guido Wolf (CDU) weist nun | |
darauf hin, dass auch alle Änderungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) | |
seit 2009 aufgrund eines Zitierfehlers möglicherweise unwirksam waren. Nach | |
Informationen der taz hat den Fehler ein Richter am Karlsruher | |
Oberlandesgericht gefunden, der sich aus Interesse, also ohne konkreten | |
Fall, mit der Materie beschäftigte. Das Ministerium betont, dass es sich | |
die Befürchtungen „aus der gerichtlichen Praxis“ nicht ausdrücklich zu | |
eigen mache, sie aber den zuständigen Stellen zur Kenntnis geben wolle. | |
## Neufassung mit Fehlern | |
Um was geht es? Schon bei der StVO-Novelle 2009 gab es soviele | |
Zitier-Fehler, dass das Bundesverkehrsministerium 2013 eine völlige | |
Neufassung der StVO vornahm. Leider gab es wohl auch hier wieder einen | |
Zitierfehler. Und da alle folgenden StVO-Änderungen sich auf die | |
StVO-Neufassung von 2013 bezogen, könnten auch diese unwirksam sein, heißt | |
es in dem Schreiben des Stuttgarter Justizministeriums, das der taz | |
vorliegt. Anwendbar wäre dann die bis zum 31. August 2009 geltende | |
StVO-Fassung. 2013 war Peter Ramsauer (CSU) Verkehrsminister.*a | |
Das Bundesverkehrsministerium sieht nun zwar keinen Zitierfehler in der | |
Neufassung von 2013. Und der ADAC kennt keine Gerichtsurteile, die seitdem | |
einen Formfehler der StVO feststellten. Das könnte sich nach dem jetzigen | |
Bekanntwerden der Probleme aber schnell ändern. | |
Zwar sind alte Bußgeldbescheide bestandskräftig. Bei neuen Bescheiden und | |
Fahrverboten, die sich auf Regelungen stützen, die ab 2009 eingeführt | |
wurden, werden Verkehrs-Anwälte aber massenhaft Einspruch einlegen. So wäre | |
wohl das Verbot, mit dem Handy im Auto zu telefonieren, mit betroffen. Wie | |
Gerichte dann entscheiden werden, ist noch nicht absehbar. Es entstünde | |
jedenfalls große Rechtsunsicherheit. | |
Es liegt daher nahe, dass Bund und Länder sich nicht nur auf einen neuen | |
Bußgeldkatalog einigen, sondern zugleich auch die StVO neufassen und dabei | |
besondere Sorgfalt auf das Zitieren der gesetzlichen Ermächtigungen legen. | |
4 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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