Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Der Lewandowski der Tierwelt
> Ein irischer Gaul stellte in der Welt des Pferdesports so einige Rekorde
> auf. Auch, was die Zahl der besprungenen Stuten betrifft.
Bild: Leihen sich auch gern Scooter aus: Spatzen der Großstadt
Für Irlands Pferdenarren, also praktisch für die gesamte Nation, war
Samstag ein besonderer Tag. Es war nämlich genau 40 Jahre her, dass Shergar
sein erstes Rennen gelaufen ist. Danach räumte der Gaul alles an Preisen
ab, was zu holen war.
Das Epsom Derby gewann er mit zehn Längen Vorsprung. Noch nie in der
202-jährigen Geschichte dieses Rennens war ein Pferd so überlegen gewesen.
Am Ende des Jahres wurde er zum Europäischen Pferd des Jahres gewählt.
Überträgt man es auf die heutige Zeit und auf eine andere Sportart, so war
Shergar der Lewandowski der Tierwelt.
Anders als der polnische Wunderstürmer wurde der irische Wunderhengst nach
seiner ersten Saison pensioniert und für die Zucht eingesetzt.
Pferdebesitzer zahlten 120.000 Euro dafür, dass er ihre Stuten schwängerte.
Man hoffte, dass dabei ein neues Wunderpferd herauskäme. Lewandowskis
Manager könnte wohl kaum so viel Geld für die Zeugung eines neuen
Mittelstürmers verlangen.
Der Hengst war allerdings nur 15 Millionen Dollar wert, während der
Fußballer wohl das Zehnfache bei einem Verkauf einbringen würde. Shergars
Eigentümer, der Aga Khan, verwandelte das Pferd in eine Aktiengesellschaft
und teilte es in 40 Teile auf. Er selbst behielt sechs Anteile, die
restlichen 34 wurden für je 382.000 Dollar verkauft.
## 36-maliger Vater
Im ersten Jahr als Zuchthengst wurde Shergar 36 Mal Vater. Aber keiner
seiner Nachkommen reichte an ihn heran. Für das folgende Jahr hatten
bereits 55 Stuten ein Rendezvous mit Shergar gebucht. Doch plötzlich war es
mit dem Spaß vorbei. In der Nacht des 8. Februar 1983 hat eine Gruppe
maskierter Männer den Gaul aus Ballymany, dem Gestüt des Aga Khan westlich
von Dublin, entführt.
Sein Verschwinden löste hektische Telefongespräche unter den Anteilseignern
aus. Niemand dachte jedoch daran, die Polizei einzuschalten. Das geschah
erst acht Stunden später. Die Pferdediebe verlangten 2 Millionen Pfund
Lösegeld, doch der Aga Khan, das Oberhaupt der islamischen Gemeinschaft der
nizaritischen Ismailiten, sowie die Mehrheit der Anteilseigner lehnten ab.
Ein Polizeispitzel sagte später aus, dass die Irisch-Republikanische Armee
(IRA) das Pferd entführt habe, aber da das Lösegeld verweigert wurde, habe
man Shergar mit einer Maschinengewehrsalve erschossen und den Kadaver im
Moor versenkt.
## Es gab doch keine Leiche?!
Die Aktionäre, die gegen Diebstahl versichert waren, bekamen eine
Entschädigung, doch die meisten hatten nur Shergars Leben versichert. Da es
keine Leiche gab, zahlte die Versicherung nicht. Es konnte ja niemand
beweisen, dass der Wunderhengst nicht unter falschem Namen mit gefärbter
Mähne in Südamerika untergetaucht sei.
Dabei wäre er aber trotzdem leicht zu erkennen gewesen: Er hatte eine weiße
Stirn, trug weiße „Socken“, und wenn er rannte, hing ihm die Zunge heraus.
Genau wie Lewandowski. Nur dass der rote Socken trägt.
21 Sep 2020
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Pferde
Kolumne Die Wahrheit
Robert Lewandowski
Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Irland
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Museum
Schottland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Hitlergruß mit lädiertem Flügel
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (117): Was Spatzen mit
Spinoza und seiner Philosophie zu tun haben. Und mit Luftschutzbunkern.
Die Wahrheit: Schmutzige Fingerübungen für die Polizei
In Irland tragen Polizistinnen und Polizisten nur selten Waffen. Aus
Gründen. Wie man heute sieht, ist das immer noch auch gut so.
Die Wahrheit: Asylbewerber in den Weltraum
Die britische Innenministerin Priti Patel hat eine Idee, wie das Mutterland
der Demokratie sich Flüchtlinge vom Leib halten könnte: Ferne Inseln.
Die Wahrheit: Van der Schreckliche
Zugegeben: „Astral Weeks“ von 1968 und die Them-Platten von vorher waren
klasse. Aber Van Morrison hat leider trotzdem einen Schuss.
Die Wahrheit: Ein Volk von Spitzeln
Der „Gute-Bürger-Bericht“ soll die Iren dazu bringen, Fälle von
Steuerhinterziehung anzuzeigen. Was ist Petze, was bürgerliche Notwehr?
Die Wahrheit: Im Königreich der Kobolde
Die merkwürdigsten Museen der Welt (8). Heute: Das Leprechaun Museum – ein
Museum für Kobolde – in Dublin, Irland.
Die Wahrheit: Sechs Jahre in Annies Fass
Es gibt 56 Akzente im Vereinigten Königreich. Zu den erotischsten zählt
angeblich der Dialekt aus Glasgow. Und da fängt das Problem auch schon an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.