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# taz.de -- Die Wahrheit: Ein Volk von Spitzeln
> Der „Gute-Bürger-Bericht“ soll die Iren dazu bringen, Fälle von
> Steuerhinterziehung anzuzeigen. Was ist Petze, was bürgerliche Notwehr?
Bild: Die koboldartige Familie Sotscheck
Was ist bloß aus den Iren geworden? Die alte Regel, die vor allem in
Nordirland ehernes Gesetz war, gilt nicht mehr: „Was immer du sagst – sag
nichts.“ Heutzutage ist das Inselvolk eine Nation von Petzen.
Voriges Jahr haben fast 6.000 Menschen ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger
wegen Steuerhinterziehung und Sozialhilfebetrugs angeschwärzt. Das sind
doppelt so viele wie vier Jahre zuvor. Und in diesem Jahr werden es noch
mehr, schon im ersten Halbjahr sind 3.387 Anzeigen eingegangen.
Das Finanzamt macht es den Denunzianten leicht. Seit 2017 können sie die
Meldungen anonym auf einer Webseite hinterlassen. „Gute-Bürger-Berichte“
heißen die perfiden Bezichtigungen euphemistisch. Man soll auf der Webseite
Autokennzeichen, Adresse und Telefonnummer des Verdächtigen und am besten
auch gleich Beweise hinterlassen.
Im Jahr 2018 hat das Finanzamt durch die guten Bürger knapp fünf Millionen
Euro von Menschen erhascht, die aufgrund der astronomischen Mieten und
stetig steigenden Preise oft nur wegen heimlicher Zweitjobs über die Runden
kommen. Fünf Millionen! Das sind Peanuts im Vergleich zu den
professionellen Steuerhinterziehern wie Apple und anderen Hightechfirmen,
die es sich im irischen Steuerparadies gemütlich gemacht haben.
## Johnny Ronan, nicht Rotten
Es gibt natürlich auch einheimische Abzocker. Ein besonders widerliches
Exemplar ist Johnny Ronan, der sich auf Immobilienspekulation spezialisiert
hat. Er strich zunächst Milliarden ein, doch dann kam die Finanzkrise.
Ronan ging pleite. Aber Leute wie er gehen nicht wirklich pleite. Nama,
Irlands „Bad Bank“, übernahm die Schulden, während Ronan mit seinem
Privatjet nach Marokko zum Dinner flog, was ihn – also letztlich die
Steuerzahler – 60.000 Euro kostete.
Ende Februar, als sich Corona in Europa auszubreiten begann, stellte Ronan
ein Video aus Südafrika ins Netz. Darin macht er sich über das Virus
lustig, posiert vor einer Corona-Bier-Reklame und stülpt sich eine
Serviette als Maske über den Kopf, aus dem das Hirn offenbar in den
Geldbeutel gerutscht ist.
Ronan hat sich finanziell längst erholt. Bewley’s wird sich nicht mehr
erholen, das Café in der Grafton Street bleibt für immer geschlossen. Dabei
ist es eine Dubliner Institution. Die Bewleys, eine französische
Quäkerfamilie, waren im 18. Jahrhundert nach Irland gekommen. 1927
eröffneten sie in Dublin ein Café. Es war von Anfang an ein Treffpunkt für
Dichter, Künstler und Musiker. James Joyce, der das Café in seinen
„Dubliners“ erwähnt, war hier oft anzutreffen, ebenso wie Samuel Beckett
und Seán O’Casey.
Das Coronavirus ist nur zum Teil schuld am Untergang des Cafés und am
Verlust von 110 Arbeitsplätzen. Hauptgrund ist ein anderes Virus – die
Geldgier. Der Eigentümer des Hauses in der Grafton Street verlangt 1,5
Millionen Euro Miete im Jahr. Der Eigentümer ist Johnny Ronan. Wo sind die
guten Bürgerinnen und Bürger, wenn man sie braucht?
14 Sep 2020
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Irland
Steuerhinterziehung
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