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# taz.de -- FDP-Politik mal ganz sportlich: Deutsche Meisterin der Anträge
> Die FDP-Bundestagsabgeordnete Britta Dassler ist familiär mit dem großen
> Sport verbunden. In der Politik lernt sie ihn aber ganz neu kennen.
Bild: Arbeit auf der Tartanbahn: Britta Dassler besucht in Bayern den TSV 1860 …
Es gibt vermutlich nur wenige Bundestagsabgeordnete, die so anschaulich und
ohne Argwohn über ihre politische Arbeit erzählen. Britta Dassler hat in
ihr Büro eingeladen, Thema ist gerade der Anlass ihrer jüngsten politischen
Initiative. Ein Freund von ihr, berichtet die FDP-Obfrau des
Sportausschusses, der Spielerberater zweier prominenter
Fußballnationalspieler sei, habe sie angerufen und gesagt, man habe ein
Riesenproblem in der Branche.
[1][Die Fifa wolle] im kommenden Jahr die Vermittlungsgebühr begrenzen und
festlegen, wie viel Prozent die Berater von den Spielern noch nehmen
dürften. „Das geht gar nicht“, sagt Dassler, „wir haben eine freie
Marktwirtschaft. Die Fifa darf als privat geführter Verband hier nicht
eingreifen.“ Sie habe das Anliegen sofort mit Fraktionschef Christian
Lindner besprochen und sei daraufhin tätig geworden. Die Anfrage an die
Bundesregierung war noch in der Sommerpause raus. Vergangene Woche kam die
Antwort. Eine Begrenzung geht doch, sagt die Regierung. Aber das ist eine
andere Geschichte.
Die Erzählung von Dassler löst geradezu klassische Zuordnungsreflexe aus:
Aha, denkt man, typische FDP-Klientelpolitik, die sich vornehmlich den
Sorgen der betuchten Profitmaximierer widmet. Dassler möchte dagegen mit
dem Beispiel und ihrer Transparenz etwas anderes erzählen: Sie packt die
Dinge an, die an sie herangetragen werden. Sie kümmert sich. Und die Liste
ihrer Aktivitäten ist tatsächlich so lang, dass sie nicht über einen
politischen Kamm geschert werden können.
„Zu Beginn waren die Kollegen im Sportausschuss überrascht, in welcher
Breite und Fülle wir unsere Anträge vorgestellt oder Kleine Anfragen
eingebracht haben, zumal es auch meine erste Legislaturperiode als Mitglied
des Bundestags ist“, erzählt sie. Anfragen und Anträge hat die 56-Jährige
zu etlichen Themen gestellt: zu den European Games in Belarus und zur
Menschenrechtslage vor Ort, zum Datenaustausch mit Russland während der WM
2018, zur Bekämpfung von Homo- und Transphobie im Sport, zum sexuellen
Missbrauch im Sport, zu Olympiastützpunktschließungen, zur Anerkennung von
E-Sport, zum Antidopingkampf und noch einigem mehr. In der Periode davor,
sagt Dassler, seien fast gar keine Anträge im Sportausschuss gestellt
worden.
## Die familiäre Bande zu Puma
Als sie im Herbst 2017 erstmals in den Bundestag zog, begleitete die
Sparkassenbetriebswirtin der Argwohn, ihr Nachname habe sie in den
Sportausschuss getragen. Schließlich heiratete sie in die Dassler-Familie
hinein, die einst [2][durch einen Brüderzwist vorangetrieben] die beiden
großen Weltsportmarken Adidas und Puma schuf. Britta Dasslers Ehemann ist
der Enkel des Puma-Gründers Rudolf Dassler.
In den 80er Jahren begegnete Britta Dassler einmal bei einem
Schwiegerelternbesuch in Herzogenaurach auf deren Terrasse Boris Becker und
Martina Navratilova. Sie staunte nicht schlecht, als sie direkt danach
erfuhr, wie opulent Becker von Puma bezahlt wurde. Lange Zeit hat sich
Britta Dassler eine bemerkenswert arglose Sicht auf den Sport bewahrt –
trotz ihrer verwandtschaftlichen Nähe zu deren ganz großen Geschäftsadern.
Politik ist Politik und Sport ist Sport – das sei noch vor ihrem Umzug nach
Berlin ihre Überzeugung gewesen. Diese bröckelte allerdings rasch. „Ich
habe nach zwei, drei Obleutesitzungen schon gemerkt, wie verwoben Sport mit
Politik ist.“
Gerade der Adidas-Zweig der Familie Dassler tat sich in den 80er Jahren
damit hervor, besonders effiziente und gar globale Netzwerke zu schmieden.
Der einstige Adidas-Chef Horst Dassler gilt als Erfinder der modernen
Sportkorruption, einem Arbeitsbereich, bei dem die Grenzen zwischen Sport
und Politik unmerklich verschwimmen. [3][Zeit Online brachte es im Jahr
2014 auf die Formel:] „Der Weltsport wird von Dassleristen regiert.“
Über Adidas, sagt Britta Dassler dazu, habe man im Hause Puma nicht
gesprochen. Ein Tabu. Sie sitzt nun auf den Oppositionsbänken des
Parlaments und schreibt im Sportausschuss unermüdlich Anträge, die allesamt
abgelehnt werden. Das ist Teil der parlamentarischen Gepflogenheiten. Und
Dassler hat sich in dem System schnell eingefunden: „Zu Beginn meines
Mandats war vieles noch neu, aber nach einer kurzen Einarbeitung war ich
mit den parlamentarischen Abläufen vertraut. Es läuft richtig gut.“
Eigene Ziele werden über Bande erreicht. Ihr Antrag etwa die Invictus Games
für versehrte Soldaten nach Deutschland zu holen, wurde zwar abgelehnt,
kurze Zeit später reichten aber die Regierungsparteien einen Antrag mit der
gleichen Stoßrichtung ein. Ähnlich erfolgreich kämpfte sie mit anderen
Parteien auch für eine vom Deutschen Olympischen Sportbund wirklich
unabhängige Athletenvertretung.
Beim E-Sport ist indes ein anderer Trend zu erkennen. Während die
Regierungsparteien noch im Koalitionsvertrag auf FDP-Kurs für eine
Anerkennung von E-Sport warben, sind sie mittlerweile zurückgerudert.
Britta Dassler sagt, die ganze Bewegung sei dennoch nicht aufzuhalten. „Für
uns ist das auch Sport. Da stecken auch motorische Fähigkeiten dahinter.
Die Gamesbranche ist ein großer Wirtschaftsfaktor.“
Die Streitfrage eignet sich zumindest dafür, eigenes Profil zu gewinnen.
Das ist ansonsten im häufig konsensorientierten Sportausschuss eher
schwierig. Tausende von jungen Menschen hätten ein Bundestagsdebatte dazu
weit nach Mitternacht verfolgt, berichtet Britta Dassler. Ein Feld, auf dem
sich fraglos größere politische Erfolge erzielen lassen als im Kampf um
Spielerberaterhonorare.
11 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/sport/spielerberater-fifa-streit-1.4795641
[2] /Doku-Drama-bei-RTL/!5286592
[3] https://www.zeit.de/sport/2014-05/adidas-bayern-muenchen-dfb-hainer
## AUTOREN
Johannes Kopp
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