# taz.de -- Die AfD und der Sport: Nicht einmal grobe Leitplanken | |
> Sportpolitik ist für die AfD nebensächlich. Im Sportausschuss des | |
> Bundestags soll nun der Abgeordnete Jörn König Position beziehen. Was | |
> tun? | |
Bild: Wenn Blicke töten könnten und Töten ein Sport wäre, wäre Alexander G… | |
BERLIN taz | Auf der einen Seite ist da der große Tatendrang. Jörn König | |
sagt: „Wir wollen viel und schnell lernen und richtig mitmischen, in die | |
Richtung, die wir einschlagen wollen.“ Auf der anderen Seite aber ist da | |
das große Nichts. König räumt freimütig ein: „Ganz ehrlich, die noch junge | |
Partei AfD hat bislang in der Sportpolitik noch gar keine Spuren | |
hinterlassen.“ Seit kurzem sitzt er als Obmann seiner Partei im | |
Sportausschuss des Bundestages. | |
Und weder er noch irgendjemand anderes weiß trotz aller Strebsamkeit, in | |
welche Richtung es sportpolitisch gehen soll. Nicht einmal grobe | |
Leitplanken wurden gesetzt. Im Bundestagswahlprogramm der AfD taucht der | |
Begriff Sport nur zweimal auf. Die strengeren Regeln des Waffenrechts für | |
Sportschützen werden beklagt sowie für muslimische Schüler der | |
verpflichtende Sport- und Schwimmunterricht gefordert. König weist selbst | |
auf das karge Programmangebot hin. | |
Freies Feld also für Jörn König, gestalterisch tätig zu werden? Die | |
fehlenden Vorgaben bremsen ihn derzeit eher aus. „Das läuft schon | |
basisdemokratisch ab“, erklärt er. Es gibt einen Arbeitskreis Sport, der | |
neun Punkte erarbeitet habe. „Ad hoc“ könne er diese jetzt nicht aufzähle… | |
Mit den für Sport zuständigen Abgeordneten der 14 Landtagsfraktionen, die | |
nach Berlin eingeladen wurden, hat man bereits darüber gesprochen. Nun sei | |
König beauftragt sportpolitische Thesen zu formulieren. Auf der | |
Sportkonferenz vor der Sommerpause wird darüber abgestimmt, der | |
Bundesfachausschuss muss die Beschlüsse dann noch abnicken. „Dann“, sagt | |
König, „haben wir unsere sportpolitischen Thesen.“ | |
Es dauert, bis die parteipolitischen Mühlen gemahlen haben. Aber König kann | |
warten. Seine Anpassungsfähigkeit hat etwas Apparatschikhaftes. Der | |
Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik versteht sich als kleines Rädchen einer | |
großen Räderwerks. „Sie merken ja“, sagt der 50-Jährige, „ich bin nich… | |
große Draufhauer. Erst einmal reden, Kooperationsbereitschaft zeigen.“ In | |
den ersten Ausschusssitzungen hat sich der stellvertretende | |
Landesvorsitzende der AfD Niedersachsen bislang zurückgehalten. „Man will | |
nicht gleich das große Wort führen.“ | |
## Früher war er „Botschafter im Trainingsanzug“ | |
Diese Zurückhaltung ist nicht gerade typisch für AfD-Politiker im | |
Bundestag, prädestiniert ihn aber für diesen Job im luftleeren Raum. Und zu | |
wichtig nimmt er sich selbst nicht, und schon gar nicht den Politikbereich, | |
für den er abgeordnet wurde. Zu den späten AfD-Anstrengungen in der | |
Sportpolitik sagt er: „Das ist eine völlig normale Entwicklung. Sport ist | |
einer der schönsten Nebensachen der Welt. Und bei einer Partei, die erst | |
vier Jahre alt ist, ist die Sportpolitik eben auch eine Nebensache | |
gewesen.“ | |
Zwei ehemalige DDR-Sportler hat die AfD in den Sportausschuss geschickt. | |
Der in Berlin geborene Jörn König war 1984 Vizemeister in der 4 x | |
200-Meter-Freistilstaffel. Andreas Mrosek, wie man auf seiner Homepage | |
nachlesen kann, erreichte 1972 den dritten Platz bei den | |
Freistil-DDR-Meisterschaften, 1975 wurde er zum stärksten Lehrling der | |
Stadt Dessau gekürt und einen Weltmeistertitel hat er auch: als | |
Kraftsportler im Bankdrücken im Jahre 2000. | |
Zwei Biografien, die mit den gesellschaftspolitischen Dimensionen des | |
Sports in Berührung kamen. In der DDR galten Spitzensportler als | |
„Botschafter im Trainingsanzug“. Die blauen Pillen, das in der DDR | |
besonders beliebte Anabolikum Oral-Turinabol, bekam auch Jörn König | |
verabreicht. Zwei, dreimal habe er sie geschluckt. Er erzählt: „Ich hab so | |
dicke Arme bekommen und war ganz fest, da habe ich danach die Pillen im | |
Becken entsorgt.“ Sein Bild vom Sport hat das nicht getrübt, auch wenn er | |
Doping, wie König betont, als Betrug natürlich ablehnt. „Wir waren da ja | |
sehr jung, da hat sich keiner richtig einen Kopf gemacht, ob das gut für | |
einen selbst ist.“ Und außerdem habe man damals gewusst, dass auch im | |
Westen gedopt wurde. | |
Jörn König hebt die „sehr positiven Erinnerungen“ hervor. „Ich habe ein… | |
gelernt in dieser Zeit, zum Beispiel Zielgerichtetheit. Es hat sehr viel | |
Spaß gemacht, weil wir zusammen auf ein Ziel hingearbeitet haben. Und alles | |
war sehr gut durchorganisiert.“ Das System sei „etwas überzogen“ gewesen. | |
So weit solle es heute und hier im deutschen Leistungssportsystem nicht | |
gehen, aber „ein bisschen“. | |
Andererseits verweist König gern auf seine libertäre Grundeinstellung. Der | |
Staat solle sich so wenig wie möglich in gesellschaftliche Bereiche wie | |
Wirtschaft oder Sport einmischen. Das Sportstipendiensystem in den USA etwa | |
begeistert ihn, die staatliche Sportförderung in Deutschland durch | |
Bundeswehr und Bundespolizei würde er lieber durch ein | |
zivilgesellschaftlich verankertes System ersetzt sehen. | |
## Weltmeisterlicher Bankdrücker steht rechtsaußen | |
Sein Parteikollege Andreas Mrosek im Sportausschuss dagegen ist eher dem | |
„Flügel“, der Organisation der Rechtsaußen in der AfD zuzurechnen, die | |
staatlicher Interventionspolitik gegenüber deutlich aufgeschlossener ist. | |
Deren Grundsatzpapier, die „Erfurter Resolution“, hat er unterschrieben. | |
2002 war Mrosek Mitglied der Freiheitlichen Deutschen Volkspartei, einer | |
Abspaltung der rechtsextremen DVU. Und er gründete eine WhatsApp-Gruppe, | |
deren geleakte Chatprotokolle wegen der rechsextremen Äußerungen einiger | |
Mitglieder im Juni 2017 für viel Aufregung sorgten. | |
Die libertären und völkischen Flügel der Partei werden ihre Fehden gewiss | |
eher auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik austragen, als auch | |
noch in sportpolitischen Debatten Federn zu lassen. Oder um es mit Jörn | |
König zu sagen: bei Debatten um die schönste Nebensache der Welt. | |
König selbst schätzt das Streitpotenzial zur bisherigen Sportpolitik der | |
Regierungsparteien recht gering ein. Obwohl die parteiinterne | |
Richtungsbestimmung ja noch aussteht, sagt er: „Da geht vieles in die | |
Richtung, die wir auch inhaltlich unterstützen.“ Große Überraschungen | |
erwartet er offensichtlich beim parteiinternen Klärungsprozess nicht. | |
Ein klein wenig Oppositionsgeist lässt König aber dann doch aufblitzen. Er | |
sei grundsätzlich dafür, dass die Sportausschusssitzungen wieder für | |
Journalisten zugänglich seien. Wegen zu kritischer Berichterstattung hatten | |
2011 die Sportpolitiker im Parlament mehrheitlich für den Ausschluss der | |
Medien gestimmt. | |
## Rassismus sei „Mediensache“ | |
Schwierig wird es sicherlich für König und Mrosek werden, das Vertrauen der | |
Spitzensportfunktionäre zu gewinnen, politische Netzwerke aufzubauen. Das | |
Verhältnis ist, spätestens seit Parteichef Alexander Gauland die Akzeptanz | |
von Fußballnationalspieler Jerome Boateng in der deutschen Bevölkerung in | |
Frage stellte („Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie | |
wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“), zerrüttet. Der DFB | |
reagierte empört auf diese Spaltungsversuche. Zuletzt erklärte Peter | |
Fischer, der Präsident von Eintracht Frankfurt, Mitglied im Verein könne | |
keiner werden, der AfD wählt. Das verstoße gegen die Klubsatzung, die sich | |
gegen Diskriminierung und Rassismus wende. | |
Jörn König sagt, er habe bei Fischer für einen Termin angefragt, weil man | |
die stärkste Oppositionspartei nicht einfach so pauschal diffamieren könne. | |
Und Gauland sei von dem Journalisten der Frankfurter Allgemeinen | |
Sonntagszeitung reingelegt worden. Das sei eigentlich ein | |
Hintergrundgespräch gewesen. Er verbucht die beiden Fälle in den Rubriken | |
„Mediensachen“ und „Profilierungssachen“. | |
Ausgrenzungsversuche à la Gauland werden vermutlich das | |
Alleinstellungsmerkmal der künftigen ansonsten wohl eher | |
stromlinienförmigen AfD-Sportpolitik sein. Rechtsaußen André Poggenburg, | |
der diese Woche erst auf Druck in der AfD seinen Partei- und | |
Landtagsfraktionsvorsitz in Sachsen-Anhalt aufgegeben hat, bemerkte in | |
einer sportpolitischen Rede in Magdeburg im Landtag, | |
Sportintegrationsprojekte für Ausländer brauche es nicht. Denn die wenigen | |
Ausländer, die berechtigt in Deutschland sein dürften, hätten mit dem | |
nötigen Willen zur Integration und Assimilation gar keine Probleme, hier | |
Fuß zu fassen. | |
Projekte gegen Homophobie und Sexismus geißelte er als irrige linke | |
Gesellschaftsprojekte und Steuerverschwendung. Und er forderte, es müssten | |
Motivationskampagnen gefahren werden, „um Breitensport gesellschaftlich | |
wieder attraktiver und vielleicht einmal sogar zu einem wichtigen | |
Bestandteil deutscher Volksertüchtigung zu machen“. | |
Poggenburg ist bekannt dafür, dass er gern Vokabular auffrischt, das | |
zuletzt zur Nazizeit gepflegt wurde. Jörn König sagt, er hätte das anders | |
formuliert, weil sich daran wieder „aufgegeilt“ wird. Man sollte sich aber | |
am Inhalt und dem Sinn solcher Reden orientieren und nicht an einzelnen | |
Worten, die mal durch irgendetwas zum Tabu erklärt worden seien. Der neue | |
AfD-Obmann im Sportausschuss erweist sich in jeder Hinsicht als äußerst | |
biegsam. Etwas konkreter will die AfD mit ihren sportpolitischen | |
Vorstellungen im Sommer werden. Bis dahin fasst Jörn König seine | |
Forderungen noch etwas allgemeiner: „Wir sollten alle mal etwas | |
sportlicher, zackiger werden.“ | |
9 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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