# taz.de -- Online-Unterricht in Corona-Krise: Profiteure mit Schwachstellen | |
> Mit dem Lockdown geht Unterricht endlich online – und digitale | |
> Lernangebote etwa von Microsoft boomen. Doch die bringen nicht nur | |
> Vorteile. | |
Bild: Im virtuellen Klassenzimmer: Schüler einer Grundschule in der US-Stadt P… | |
Berlin taz | Bewährungsprobe Corona: Apps, virtuelle Lernräume, Software | |
und Plattformen für Mathe, Deutsch oder Sprachen sollten im Lockdown | |
umgehend für alle Klassenstufen zur Verfügung stehen. Das wünschten sich | |
Elternverbände und Lehrkräfte. Zur Freude von Firmen, die seit Jahren | |
versuchen, digitale Angebote im Unterricht zu etablieren. | |
Mit zu den größten [1][Anbietern im Bildungsbereich zählt Microsoft]. In | |
der Pandemie hat der Konzern verschiedene Online-Fortbildungen | |
zusammengestellt, die Lehrenden helfen sollen, den Unterricht digital zu | |
gestalten – mit den konzerneigenen Produkten natürlich. Es gibt einen | |
Leitfaden mit dem Titel „Vier Schritte zum Fernunterricht mit Teams“. | |
[2][Teams] ist Teil des Pakets „Office 365“. Das stellt Microsoft für | |
Schulen in einer Basisversion kostenlos zur Verfügung, nicht nur in | |
Deutschland, sondern beispielsweise auch in den USA, Großbritannien, Mexiko | |
oder Indonesien. Enthalten ist eine Software für Videokonferenzen und zum | |
digitalen Zusammenarbeiten. Laut Microsoft nutzen mehr als 150 Millionen | |
Schüler:innen, Studierende und Lehrkräfte die Konzerntechnologie für den | |
virtuellen Unterricht oder für den Aufbau digitaler Lernplattformen. | |
Aber auch kleinere Anbieter spüren die hohe Nachfrage. So registrierte | |
[3][die Webseite Sofatutor] rund 1,5 Millionen Zugriffe in der Woche – rund | |
viermal so viele wie vor dem Lockdown. Die Online-Lernplattform richtet | |
sich an Schüler:innen von der Grundschule bis zum Abschluss. Es gibt | |
Erklärvideos, Übungen, aber auch klassische Arbeitsblätter zum Ausdrucken | |
und einen Hausaufgaben-Chat. Ähnlich funktionieren die Plattformen scoyo | |
oder Anton. | |
## Beim Datenschutz mangelhaft | |
Neben solchen Angeboten richteten zahlreiche Schulen selbst gehostete | |
Lernräume ein, die den Austausch mit den Schüler:innen daheim fördern | |
sollten. Genutzt wurden natürlich auch Youtube, Facebook und andere soziale | |
Medien. Alle verstehen sich als Gewinner in der Pandemie und erhoffen sich | |
mehr Akzeptanz für die Digitalisierung des Schulalltags. | |
Aber der Schub rückt auch Schwachstellen in den Mittelpunkt. | |
Microsoft-Teams bekam bei einem Ranking der Berliner | |
Datenschutzbeauftragten von mehreren Videokonferenzdiensten eine rote Ampel | |
verpasst. Die Liste der Mängel ist knapp zwei Seiten lang. Und auch der | |
EU-Datenschutzbeauftragte warnte kürzlich vor dem Einsatz von | |
Microsoft-Produkten und riet zu Alternativen „mit höheren | |
Datenschutzstandards“. | |
Aber: „Es geht auch im Marktmacht“, sagt Britta Schinzel, emeritierte | |
Informatikprofessorin, heute im Vorstand des Forum InformatikerInnen für | |
Frieden und gesellschaftliche Verantwortung. Schüler:innen gewöhnten sich | |
schnell an die ihnen vorgesetzte Software – und wollten sie danach auch | |
privat nutzen. Bei Microsoft wäre das „Microsoft 365 Family“, Kostenpunkt | |
99 Euro pro Jahr. Geld, das nicht jede Familie hat. | |
## Digitalisierung auf politischer Ebene | |
Björn Schießle von der Free Software Foundation Europe kritisiert mangelnde | |
Mitsprachemöglichkeiten – von Schüler:innen und Eltern. „Wenn die Schule | |
sich etwa für eine bestimmte Cloudlösung entscheidet, lässt sich da kaum | |
etwas dran ändern.“ Und gerade, wenn etwa Leistungsbeurteilungen oder | |
persönliche Aufsätze in der Cloud landeten, sei mangelhafter Datenschutz | |
ein Problem. Zumal mit der Entscheidung für eine Software auch Fakten | |
geschaffen würden. | |
Schießle sieht weltweit die Länder im Vorteil, die sich früh um | |
Digitalisierungsstrategien gekümmert haben. „Deutschland hat da viel | |
verschlafen.“ Er fordert eine Lösung auf politischer Ebene: „Man darf das | |
nicht auf die Schule oder einzelne Lehrer auslagern, sondern die | |
Bundesländer sind es, die für nachhaltige, datenschutzkonforme Lösungen | |
sorgen müssen.“ Politiker:innen, Ministerien müssten sich mit Themen wie | |
Datenschutz und digitaler Souveränität auseinandersetzen und diese ernst | |
nehmen, statt einfach auf die bekannten Lösungen von großen Anbietern zu | |
setzen. | |
Der Lockdown schaffte, was Bildungsexpert:innen seit Langem predigen: | |
die Erkenntnis, dass [4][Deutschland bei Digitalangeboten in der Schule | |
kläglich versagt] hat. Es mangelt an Soft- und Hardware, mancherorts fehlte | |
gar WLAN für den Zugang zum Netz. Ob Corona die Bildungslandschaft | |
nachhaltig digitalisiert hat? Plattform- und Softwareanbietern zufolge ist | |
das keine Frage. Unabhängige Studien lassen aber noch auf sich warten. | |
3 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Zoom-und-Microsoft-im-Corona-Aufschwung/!5678135 | |
[2] /Digitales-Lernen-in-Corona-Zeiten/!5686062 | |
[3] /Lernen-von-zu-Hause/!5674459 | |
[4] /Lernen-zu-Hause/!5669207 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
Svenja Bergt | |
## TAGS | |
Schule und Corona | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Digitales Lernen | |
Microsoft | |
Medienkompetenz | |
Datenschutz | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Medienkompetenz von Lehrer:innen: Erstaunliche Vorstellungen | |
In einer Studie wurden Lehrkräfte nach den Aufgaben von Medien befragt. Das | |
Ergebnis: Ein überraschend großer Teil steht ihnen ablehnend gegenüber. | |
Digitales Lernen in Corona-Zeiten: Microsoft erobert die Schulen | |
Bayerns Schulen können bald „Teams“ von Microsoft für Videokonferenzen | |
nutzen. Datenschützern und der Open-Source-Community gefällt das nicht. | |
Zoom und Microsoft im Corona-Aufschwung: Digital unabhängig werden | |
Angebote von Zoom und Microsoft boomen gerade. Für die Bildung sind vor | |
allem Open-Source-Anwendungen besser. | |
Lernen zu Hause: Das Schul-Experiment | |
Jahrelang war digitales Lernen für Lehrer:innen und Schüler:innen ein | |
Randthema. Corona ändert das. Alle lernen digital. Geht das? |