| # taz.de -- Zoom und Microsoft im Corona-Aufschwung: Digital unabhängig werden | |
| > Angebote von Zoom und Microsoft boomen gerade. Für die Bildung sind vor | |
| > allem Open-Source-Anwendungen besser. | |
| Bild: Für Schüler/innen ist E-Learning zum Alltag geworden, aber was passiert… | |
| Zwei Gewinner der Coronakrise stehen schon jetzt fest: Microsoft wegen | |
| seiner Software Teams, und [1][Zoom] wegen seines gleichnamigen | |
| Videokonferenzdiensts. Beiden gemeinsam ist, dass diese Dienste bis zu | |
| Beginn der Coronakrise nur wenigen bekannt gewesen waren. | |
| Ebenfalls gemeinsam ist ihnen, dass man seither mit einem dieser Programme | |
| Bekanntschaft gemacht haben dürfte, wenn man im Homeoffice arbeitet oder | |
| als Schüler Tele-Learning macht: Innerhalb einer Woche stieg Mitte März die | |
| Zahl der täglich aktiven Nutzer von Teams weltweit um mehr als 12 Millionen | |
| auf 44 Millionen Nutzer; die Zeit, die das Angebot täglich genutzt wird, | |
| hat innerhalb des letzten Monats um 200 Prozent zugenommen. Zoom hatte Ende | |
| letzten Jahres 10 Millionen Nutzer, nun sind es 200 Millionen. | |
| Eine weitere Gemeinsamkeit: Es gibt [2][berechtigte Zweifel], ob die Daten | |
| ihrer Nutzer bei ihnen in guten Händen sind. Das deutsche Außenministerium | |
| hat seinen Mitarbeitern kürzlich verboten, für Dienstgeschäfte Zoom | |
| einzusetzen, weil der Service möglicherweise nicht der europäischen | |
| Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entspricht. | |
| Microsoft betont zwar gerne, dass es sich an die europäische | |
| Datenschutz-Bestimmungen hält. Doch bei einer Untersuchung in den | |
| Niederlanden kam 2018 heraus, dass die Unternehmensversion von Microsoft | |
| Office in großem Stil personenbezogene Daten ihrer Nutzer speicherte, ohne | |
| sie darüber zu informieren. Mit diesen Informationen konnten Personen- und | |
| Verhaltensprofile erstellt werden. Auch wenn das Unternehmen seither | |
| Änderungen vorgenommen hat, um hohe Geldstrafen zu vermeiden, existiert in | |
| der Unternehmensversion des Programms nach wie vor das Modul „MyAnalytics“, | |
| das Aktivitäten wie E-Mail-Verkehr, Chats und Anrufe analysiert. Schon 2018 | |
| kam eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zu dem Schluss: Das Office-Modul | |
| „Workplace Analytics“ ziehe „aus den Daten Informationen zu Quellen von | |
| Zeitverlust heraus, trägt Stressindikatoren zusammen, macht Aussagen zur | |
| Stimmung und dem Engagement der Belegschaft.“ | |
| Das Kollaborationsprogramm Teams, mit dem Schulkinder in den letzten Wochen | |
| möglicherweise [3][online ihre Hausaufgaben gestellt bekommen haben], ist | |
| Teil von Microsoft Office. Das Unternehmen bietet Schulträgern eine | |
| kostenlose Lizenz von Office 365 Education in der Vertragsvariante A1 an, | |
| obwohl zum Beispiel der hessische Datenschutzbeauftragte das Programm nur | |
| unter Vorbehalt an Schulen in seinem Bundesland erlaubt. | |
| Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung | |
| (FIfF) warnte vor diesen Lockvogel-Angeboten, die Schüler an die Produkte | |
| von Microsoft gewöhnen sollen. Das Einhalten von Datenschutzbestimmungen | |
| sei dabei „kaum bis gar nicht zu garantieren“, die Daten deutscher Schüler | |
| könnten auf amerikanischen Servern landen, heißt es. | |
| Stattdessen fordert FIfF, dass die deutschen Schulen eine eigene | |
| Infrastruktur auf der Basis von Open-Source-Software entwickeln sollten. | |
| Open-Source-Programme unterscheiden sich von den Angeboten von Unternehmen | |
| wie Microsoft dadurch, dass ihr Code öffentlich ist und von Dritten | |
| eingesehen, geändert und genutzt werden kann. Dadurch sind sie wesentlich | |
| transparenter als kommerzielle Angebote, bei denen – wie im Fall von Office | |
| und Teams – nicht immer klar ist, wie sie mit den Daten ihrer Nutzer | |
| umgehen und die entsprechende Prüfung „außerordentlich komplex und | |
| aufwendig“ sei, wie der hessische Datenschutzbeauftragte betont. | |
| Im Mai 2019 wurde der Digitalpakt Schule verabschiedet, mit dem der Bund | |
| bis 2024 fünf Milliarden Euro für den flächendeckenden Aufbau moderner | |
| digitaler Infrastrukturen an Deutschlands Schulen bereitstellt. Das Geld | |
| ist zum Teil für die Anschaffung von Computern, Servern, Routern und WLAN | |
| gedacht, zum Teil aber auch für die Entwicklung von Lern- und | |
| Kommunikationsplattformen. Ausdrücklich werden hier „gemeinsame Server- und | |
| Dienstlösungen“ angestrebt, wobei „prioritär Open-Source-Angebote“ | |
| heranzuziehen seien. An diesem Ziel muss unbedingt festgehalten werden. Es | |
| kann nicht sein, dass als ein Ergebnis der Coronakrise nun proprietäre | |
| Programme wie Zoom oder Teams zum De-facto-Standard werden, weil Lehrer und | |
| Schüler mit ihnen umzugehen gelernt haben. | |
| Dass es möglich ist, solche Lerninfrastrukturen in eigener Regie | |
| aufzubauen, zeigen die Hochschulen in einigen Bundesländern. An der | |
| Hochschule Mainz, an der ich unterrichte, können die Professoren mit | |
| Seafile auf eine eigene Cloud und mit Mattermost auf ein internes | |
| Chatsystem zugreifen. Beide sind Open-Source-Software und laufen auf den | |
| Servern der Hochschule, nicht auf Computern in den USA. Vorlesungen können | |
| bei Panopto, einer Art Hochschul-YouTube aufgezeichnet werden, als | |
| Lernplattform gibt es OLAT, ein Open-Source-Angebot der Universität Zürich, | |
| bei dem man online Lernmaterialien veröffentlichen kann, und für | |
| Online-Seminare das freie Konferenzsystem Big Blue Button. | |
| Mit diesen Diensten kann man auch unter den gegenwärtigen Bedingungen | |
| online unterrichten. Wenn die deutschen Schulen zügig mit solchen Diensten | |
| ausgestattet werden, kann verhindert werden, dass ausgerechnet Microsoft | |
| als lachender Dritter aus der Coronakrise hervorgeht. Viel zu lange hat der | |
| Staat die Entwicklung digitaler Technologien in ähnlicher Weise dem Markt | |
| überlassen wie das Gesundheitssystem. Aber plötzlich scheint die Teilnahme | |
| an Telekonferenzen zum Teil der Daseinsfürsorge geworden zu sein – vor | |
| einigen Wochen wäre das noch ein absurder Gedanke gewesen. Diese Erkenntnis | |
| muss zu verstärkten Anstrengungen beim Aufbau einer eigenen digitalen | |
| Lerninfrastruktur führen, die jene „digitale Souveränität“ sicherstellt, | |
| die Innenminister Seehofer versprochen hat. | |
| 28 Apr 2020 | |
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