| # taz.de -- Digitales Lernen in Corona-Zeiten: Microsoft erobert die Schulen | |
| > Bayerns Schulen können bald „Teams“ von Microsoft für Videokonferenzen | |
| > nutzen. Datenschützern und der Open-Source-Community gefällt das nicht. | |
| Bild: Schule heute | |
| Berlin taz | Es ist der zweite Coup für Microsoft binnen weniger Wochen. | |
| Bayerns Kultusminister Michael Piazolo hat das Videokonferenzsystem | |
| „Microsoft Teams“ für seine Schulen frei gegeben. Das verhilft dem | |
| Software- und Cloud-Giganten aus den USA wohl zum Durchbruch im deutschen | |
| Bildungssystem. Zu Beginn der Schulschließungen Mitte März hatte bereits | |
| das baden-württembergische Kultusministerium Microsofts Text- und | |
| Cloud-Programm Office 365 an Schulen zugelassen. Damit sind die beiden | |
| großen Südländer im Begriff, von der Open-Source-Software Moodle auf | |
| Produkte des Billion-Dollar-Unternehmens umzuschwenken. | |
| Digitale Lernsysteme boomen in Zeiten von virusbedingter Schulschließung | |
| und Fernunterricht. Allerdings war der Markt der Schulclouds und | |
| Konferenztools bisher weitgehend in Händen mittelständischer Unternehmen | |
| wie IServ aus Braunschweig oder digionline aus Köln. Gegen die Anwendung | |
| von Microsoft-Produkten leisteten Datenschützer zum Teil heftigen | |
| Widerstand. | |
| Bayern wischt diese Bedenken nun beiseite. Kultusminister Piazolo (Freie | |
| Wähler) sagte der taz: „Ich gehe davon aus, dass die Bereitstellung eines | |
| Videokonferenztools der Firma Microsoft Corporation nicht gegen die | |
| Datenschutzgrundverordnung DSGVO verstößt.“ Genau da aber liegen die | |
| Bedenken vieler Landesdatenschützer. | |
| Bisher ließ sich etwa im Austausch der Konferenz der | |
| Landesdatenschutzbeauftragten mit Microsoft nicht zweifelsfrei klären, ob | |
| bei regelmäßigen automatischen Funktionskontrollen personenbezogene Daten | |
| in die Zentrale von Microsoft in Redmond abfließen. Zusätzlich unterliegt | |
| das US-Unternehmen dem Cloud-Act, das heißt, Microsoft muss auf Ersuchen | |
| der Sicherheitsdienste der Regierung von Donald Trump die Daten seiner | |
| Kunden herausrücken – bei Verdacht nun auch die bayerischer Schüler:innen. | |
| ## Daten von Schüler:innen können in die USA fließen | |
| Wie sensibel diese Daten sind, sieht man beim Blick auf jene Informationen, | |
| die Microsoft Teams speichert. Die Vor- und Zunamen der Schüler, ihre | |
| Zugehörigkeit zu Klassen und Kursen, die E-Mail-Adresse, die | |
| Profileinstellungen, sogar das verschlüsselte Passwort, der Anmeldename und | |
| vieles mehr wird dokumentiert. Alle diese Daten können auch „in Länder | |
| außerhalb der Europäischen Union („Drittstaaten“, z. B. USA) übermittelt | |
| werden“. So steht es in einem Papier aus dem Kultusministerium, welches der | |
| taz vorliegt. Mit dem Grundrecht der Schüler:innen auf informationelle | |
| Selbstbestimmung dürfte die Weitergabe derart vieler Daten wenig zu tun | |
| haben. | |
| Bedenken kommen gerade aus der Open-Source-Szene. „Es ist nur schwer | |
| nachvollziehbar, dass Bayern jetzt auf Lösungen setzt, bei denen die | |
| sensiblen Schülerdaten in Europa der Kontrolle des Schulsystems entrissen | |
| werden“, sagte Peter Ganten, Vorsitzender des „Bundesverbandes für digitale | |
| Souveränität“. Ganten begrüßte es, dass die Länder Schulen digital besser | |
| ausstatten wollen. „Kein Land und kein Freistaat ist aber gezwungen, zu | |
| Closed-Source-Alternativen von Microsoft oder Zoom zu greifen, um Lehrern | |
| und Schülern einen guten Krisenunterricht zu ermöglichen.“ | |
| Noch deutlicher wird der Leipziger IT-Anwalt Peter Hense. „Technikpfusch | |
| oder heimliche Überwachung haben auch in der Coronakrise nichts verloren“, | |
| sagte er der taz. Hense betonte, „dass US-Behörden über die Daten aus jeder | |
| Microsoft-Niederlassung die volle Verfügungsgewalt haben.“ Man müsse das | |
| nicht schlimm finden, solange die USA ein demokratisches Land mit Checks | |
| und Balances seien. „Aber man sollte vielleicht die Kinder und Jugendlichen | |
| selbst fragen, ob sie möchten, dass ihre privaten Teams-Chats auch von | |
| US-Sicherheitsbehörden ausgewertet werden können“. | |
| ## Auf Zeit der Krise begrenzen | |
| Über diese schmale Brücke lässt Bayerns Kultusminister die Schüler | |
| balancieren. Er will die Nutzung von Microsoft in der „corona-bedingten | |
| Sondersituation“ an die „gesamten Schulfamilie“ weitergeben. Eltern und | |
| Schülern ist es überlassen, der Nutzung von Teams zuzustimmen. Nur, was | |
| sollen Schüler:innen tun, wenn ein Großteil der Klasse das umstrittene | |
| Videotool akzeptiert? Bei Nichtunterzeichnung wären sie damit de facto vom | |
| Video-Unterricht ausgeschlossen. | |
| Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri verlangt daher vom | |
| Kultusminister ausdrücklich, Schülern auch „andere | |
| Kommunikationsmöglichkeiten an der jeweiligen Schule“ anzubieten. Petri | |
| sagte der taz, die Fragen der Datenschützer an Microsoft blieben bestehen. | |
| Er betont „die Wichtigkeit klar begrenzter Vertragslaufzeiten“. Das heißt: | |
| die Nutzung von Microsoft Teams sei auf die Zeit der Coronakrise zu | |
| beschränken. | |
| 17 May 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Füller | |
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