| # taz.de -- Grünen-Politikerin über Bildungspolitik: „Stapel von Arbeitsbl�… | |
| > Margit Stumpp kritisiert die Digital-Strategie der Bildungsministerin. | |
| > Für Fortschritte sei mehr Geld nötig – und ein anderer Fokus. | |
| Bild: Im Vorteil, wer schon digitale Strukturen hat: Lernplattform „mebis“ … | |
| taz: Frau Stumpp, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) will den | |
| Ländern 100 Millionen Euro Corona-Soforthilfe [1][für digitale Medien | |
| geben]. Reicht das denn? | |
| Margit Stumpp: Erstens ist das viel zu wenig Geld, denn wir stehen vor der | |
| größten Schulkrise seit Gründung der Kultusministerkonferenz. Und zweitens | |
| ist das ja überhaupt kein frisches Geld. Frau Karliczek stellt hier | |
| Bundesmittel bereit, die für die Länder durch den Digitalpakt längst | |
| freigegeben waren. Das ist Etikettenschwindel. Man konnte auch bisher schon | |
| Schulclouds aus dem Digitalpakt bezahlen. | |
| Das klingt nach grüner Mäkelei. Die Schulen brauchen jetzt dringend Mittel | |
| für Fernlernen mit digitalen Medien, Clouds und so weiter. | |
| Natürlich müssen wir die Schulen gerade jetzt unterstützen. Wir sehen eine | |
| gigantische Nachfrage nach Tools und Plattformen für das Lernen in der | |
| digitalen Welt. Das ist in meinen Augen eine große Chance. Nur ist leider | |
| noch völlig unklar, in welche Strukturen das Geld fließen soll, das Frau | |
| Karliczek und die Präsidentin der Kultusminister, Stefanie Hubig, gerade | |
| umdeklarieren. | |
| Wieso? Es soll für länderübergreifende Modelle benutzt werden – und Inhalte | |
| in die Schulen bringen. | |
| Die deutsche Schule leidet an vielem – aber einen Mangel an Inhalten gibt | |
| es gewiss nicht. Das sieht man gerade in den Zeiten des Fernunterrichts. | |
| Fragen Sie mal die Eltern der Schüler, ob sie zu wenig oder zu viele | |
| Inhalte zu Hause haben. | |
| Homeschooling, das heißt im Moment für die meisten, Stapel von | |
| Arbeitsblättern auszufüllen oder massenweise PDF zu bearbeiten. Auf der | |
| anderen Seite fehlt vielen Lehrkräften aber die Orientierung im Dschungel | |
| der Möglichkeiten – von der eigenen Dienstmail ganz abgesehen. Und nun | |
| sollen weitere 100 Millionen Euro in Inhalte fließen? Das ist doch absurd. | |
| Was schlagen Sie vor? | |
| Ich habe selbst als IT-Lehrerin gearbeitet und ein Schulnetz administriert. | |
| Was die Schulen jetzt brauchen, sind liquide Mittel, um die digitale | |
| Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern möglich zu machen. Das | |
| bedeutet, man sollte sich mit den Ländern darauf verständigen, den | |
| Schulträgern eine halbe Milliarde Euro aus dem Digitalpakt zu geben – ohne | |
| das Ausfüllen komplexer Antragspapiere. | |
| Damit könnten sie sofort sichere Messenger buchen oder ihre bestehenden | |
| Lernmanagementsysteme und Schulclouds aufrüsten – und den LehrerInnen | |
| näherbringen. Mit anderen Worten: Es ist strategisch zielführender, das | |
| Geld für das Etablieren der notwendigen Basisstrukur in die unterversorgten | |
| Schulen zu geben. Dazu braucht es auch IT-Fachkräfte, die das schnell | |
| installieren können und in der Lage sind, die Lehrkräfte einzuweisen. | |
| Und das soll ausgerechnet jetzt geschehen, in den [2][Coronaferien]? | |
| Ja, einen besseren Zeitpunkt gibt es doch gar nicht. Rund die Hälfte der | |
| Schulen in Deutschland hat bereits ein Lernmanagementsystem und Zugang zu | |
| einer Cloud – aber oft weiß nur ein Bruchteil der Lehrkräfte, wie man das | |
| anwendet. Die Bereitschaft dieser Lehrkräfte, sich darauf einzulassen, ist | |
| jetzt aber so hoch wie noch nie. Diese Zeit sollten wir nutzen. | |
| Wir brauchen also ab sofort Tausende kleiner Fortbildungen. Das können die | |
| digital bereits kundigen Lehrer machen oder IT-Freelancer, die aktuell ihre | |
| Aufträge verlieren. Die sollten wir jetzt an die Schulen holen – eine | |
| Win-win-Situation. Damit sind sie nicht auf die Rettungsmaßnahmen draußen | |
| angewiesen, sondern können zusammen mit den digital erfahrenen Lehrkräften | |
| ihren KollegInnen die Cloud und die Chat-Kommunikation erklären. Das | |
| ist keine Raketenwissenschaft! | |
| Frau Karliczek will die Nationale Schulcloud, die gerade vom | |
| Hasso-Plattner-Institut in Potsdam (HPI) entwickelt wird, mit 15 Millionen | |
| Euro bezuschussen. Das ist doch das, was auch Sie wollen. | |
| Nein, denn wenn meine Information zutrifft, steckt die Ministerin auch hier | |
| Geld in Inhalte. Und zwar in Inhalte, die über einen einzelnen Anbieter | |
| angewickelt werden, der nur von einem Bruchteil der Schulen genutzt wird. | |
| Damit ist vor allem den Schulen, die weder Erfahrung noch Zugang zu | |
| Clouddiensten haben, in keinerlei Hinsicht geholfen. | |
| Denen nützt auch die wolkige Ankündigung nichts, dass die HPI-Cloud für die | |
| Zeit der Krise allen Schulen zur Verfügung stehen soll. Die Schulen | |
| brauchen sofort die Freiheit, sich Zugänge zu Clouds und sicheren Chats zu | |
| beschaffen. Auf dem Markt gibt es bereits ein Dutzend pädagogisch | |
| ausgereifter Systeme, die über Nacht einsatzbereit sind. Dass die | |
| Bundesmittel ausschließlich der HPI-Cloud zugute kommen sollen, ist mehr | |
| als kritikwürdig. | |
| Aber, Frau Stumpp, Sie selbst haben vor ein paar Tagen eine „Bundeszentrale | |
| für digitale und Medienbildung“ vorgeschlagen. Da ist gleichfalls von | |
| Schulclouds die Rede. | |
| Stimmt, aber der Unterschied ist, dass wir weder den Schulen noch den | |
| Schulträgern vorschreiben, welche Cloud sie zu nutzen haben. | |
| Was unterscheidet Ihre Cloud von der des Bundes? | |
| Wir wollen keine neue Cloud installieren, sondern eine zentrale | |
| Anlaufstelle der Vernetzung und Qualitätssicherung. Schauen Sie, das | |
| Problem im Moment ist doch, dass die Länder bereits viele Bildungsinstitute | |
| und Schulclouds haben, die aber selbst bei den eigenen Lehrkräften viel zu | |
| wenig bekannt sind. Außerdem gibt es viele gute Initiativen abseits der | |
| institutionalisierten Strukturen. Wir wollen den Lehrkräften und allen | |
| Interessierten eine Orientierung in dieser Vielfalt geben. Die sollen | |
| sehen, was diese Systeme jetzt bereits können. | |
| Und was sollen die Schulclouds in Ihrer neuen Bundeszentrale? | |
| Wir haben in den Ländern bereits Moodle, Mebis und eine Reihe kleiner | |
| mittelständischer Cloud-Anbieter. Während die Bildungsministerin denen mit | |
| ihren Millionen für die HPI-Cloud das Leben schwer macht, respektieren wir | |
| sie – und bieten ihnen eine Plattform zum Austausch. Nennen Sie es eine | |
| Konferenz der Vielfalt. Die Anbieter sollen sich nicht gegenseitig platt | |
| machen, sondern voneinander lernen! | |
| 1 Apr 2020 | |
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| Christian Füller | |
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