# taz.de -- Medienkompetenz von Lehrer:innen: Erstaunliche Vorstellungen | |
> In einer Studie wurden Lehrkräfte nach den Aufgaben von Medien befragt. | |
> Das Ergebnis: Ein überraschend großer Teil steht ihnen ablehnend | |
> gegenüber. | |
Bild: Die Mächtigen kontrollieren: Journalist:innen auf der Bundespressekonfer… | |
Nachrichtenkompetenz spielt in deutschen Lehrplänen bisher keine zentrale | |
Rolle. Ob Schüler*innen Grundfertigkeiten im Umgang mit dem enormen | |
Informationsangebot lernen, liegt meist im Ermessen der Lehrkräfte. Durch | |
[1][die „Fake News“-Debatte] der letzten Jahre ist dieses Problem stärker | |
ins Bewusstsein gerückt. Eine repräsentative Studie sollte nun untersuchen, | |
wie stark dieses Bewusstsein bei Lehrkräften ist. Welche Bedeutung sie | |
Nachrichtenkompetenz beimessen – und wie es um ihre eigene bestellt ist. | |
Dabei hat sich gezeigt: Ein erstaunlich großer Teil der Lehrkräfte steht | |
Medien ablehnend oder feindselig gegenüber – oder geht implizit davon aus, | |
dass in Deutschland keine Pressefreiheit existiert. | |
[2][Die Studie], die am Dienstag erschienen ist, hat die Stiftervereinigung | |
der Presse in Auftrag gegeben, ein Zusammenschluss verschiedener | |
Presseverlage und Velegerverbände. Durchgeführt hat sie Allensbach, ein | |
unabhängiges, freiwirtschaftliches Institut für Sozialforschung. Allensbach | |
hat im Februar und März, also vor den Pandemiemaßnahmen, 500 Deutsch- und | |
Sozialkundelehrer*innen der Sekundarstufe I befragt, in einer | |
repräsentativen Stichprobe. Die Befragten sollten die Bedeutung von | |
Nachrichtenkompetenz im Schulunterricht bewerten, sowie ihr Wissen über | |
Nachrichtenmedien beweisen. | |
Während fast alle Befragten (95 Prozent) Nachrichtenkompetenz als | |
mindestens „wichtig“ einstuften, fand die Studie bei überraschend großen | |
Teilen der befragten Lehrkräften eine beunruhigende Haltung zu Rundfunk und | |
Presse. Vor allem bei Fragen nach den Aufgaben von Medien zeigten sich bei | |
den Befragten teils erstaunliche Vorstellungen. Nur 60 Prozent etwa waren | |
sich sicher, dass es Aufgabe der Medien ist, „die Mächtigen kritisch zu | |
beobachten und zu kontrollieren“. | |
## Die freie Presse | |
Derweil gaben 40 Prozent an, Medien seien dafür da, „die Bevölkerung für | |
bestimmte Anliegen zu mobilisieren“. 10 Prozent sagten, dass Medien „die | |
Meinungsbildung im Sinne der Regierung lenken“ sollen, 6 Prozent, dass | |
Medien Nachrichten „zurückhalten sollen, wenn die Gefahr besteht, dass | |
dadurch die öffentliche Meinung negativ beeinflusst wird“. Diese Positionen | |
wurden in der Befragung vorformuliert angeboten, Mehrfachnennungen waren | |
möglich. | |
19 Prozent der Befragten stimmten in einer weiteren Frage der Aussage zu, | |
dass „viele Nachrichten, die eigentlich wichtig sind, in den normalen | |
Medien verschwiegen werden und man sie nur in sozialen Netzwerken, Foren | |
oder Blogs findet“. Das sind Positionen, die beunruhigen müssen, weil sie | |
übersetzt bedeuten: Diese Befragten finden, dass es hierzulande keine | |
funktionierende freie Presse gebe. Sie offenbaren ein Verständnis von | |
Medien als Teil der Regierung, des Staates, der Obrigkeit, wie es seit | |
Jahren von rechts aktiv verbreitet und verfestigt wird. | |
In Ostdeutschland, wo viele noch selbst eine tatsächliche gelenkte Presse | |
erlebt haben, scheint diese Sicht noch einmal geläufiger zu sein. Der | |
Aussage, dass „Journalisten in den klassischen Medien ohnehin nur die | |
Nachrichten und Meinungen verbreiten, die in ihr eigenes Weltbild passen“, | |
stimmten von den ostdeutschen Befragten 23 Prozent zu. Im gesamtdeutschen | |
Durchschnitt waren es 13 Prozent. | |
## Regelmäßige Fortbildungen nötig | |
Für Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verlegerverbands BDZV ist die | |
Studie „ein besorgniserregender Befund“, so wird er in der Pressemitteilung | |
des Verlags zitiert. Gerade in Zeiten von Corona werde gut ausgebildetes | |
Lehrpersonal benötigt, das flexibel auf Informationsbedürfnisse reagiere. | |
Auf Nachfrage der taz, welche Forderungen aus der Studie abzuleiten sind, | |
sagt Wolff, die Ergebnisse der Studie legten nahe, „dass das Thema | |
Nachrichtenkompetenz – mit Betonung auf den Umgang mit und das Verstehen | |
und Bewerten von Nachrichten und deren Quellen – einen viel größeren Raum | |
als bisher im Unterricht einnehmen sollte“. Dazu gehöre auch eine | |
regelmäßige Fortbildung der Lehrkräfte, „die übrigens ihrerseits laut | |
unserer Studie die Vermittlung dieser Kompetenzen selbst als sehr wichtig | |
einschätzen“. | |
Es mag gerade nicht die beste Zeit sein, um Lehrkäfte aufzufordern, sie | |
mögen jetzt bitte noch die ein oder andere Fortbildung machen. Andererseits | |
war die Bedeutung von Nachrichtenkompetenz selten so groß wie gerade. | |
2 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Trump-und-rechte-QAnon-Bewegung/!5702928 | |
[2] https://www.bdzv.de/nachrichten-und-service/presse/pressemitteilungen/artik… | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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