| # taz.de -- Deutsch-polnische Pride in Frankfurt: Vielfalt an der Oder | |
| > Beim ersten deutsch-polnischen Pride forderten 1.000 Menschen in | |
| > Frankfurt (Oder) und Słubice eine queerfreundliche Zone. Es gab auch | |
| > Gegenprotest. | |
| Bild: Rund 1.000 Menschen zogen bei der Price durch Slubice und Frankfurt | |
| Frankfurt (Oder)/Słubice taz | Für die Demoteilnehmer*innen ist es ein | |
| erhebendes Gefühl, am Samstagnachmittag mit wehenden Regenbogenfahnen durch | |
| das polnische Słubice zu laufen. Das liegt teils am Zauber des ersten Mals: | |
| Denn es ist die erste von Aktivist*innen aus Polen und Deutschland | |
| gemeinsam organisierte LGBTIQ+-Parade durch die Doppelstadt, als die | |
| Słubice und Frankfurt (Oder) sich gern bezeichnen. | |
| Und so geballt viele Regenbogenfahnen, -T-Shirts, -hosen und -tücher, die | |
| sich in einem gar nicht mehr abreißenden Zug regelrecht durch die teils | |
| engen Gassen der Innenstadt und dann auch über die Oderbrücke strömen, | |
| waren in der Grenzstadt an der Oder wohl tatsächlich noch nie auf einmal zu | |
| sehen. | |
| Erhebend aber ist es auch, weil mit schätzungsweise rund 800 bis 1.000 | |
| Menschen schon in Polen die eigentlich angekündigte Teilnehmer*innenzahl um | |
| ein Vielfaches überschritten ist. Denn wegen der Coronabestimmungen dürfen | |
| sich dort derzeit eigentlich maximal 150 Menschen zu Demonstrationen | |
| zusammenfinden. Die Veranstalter*innen hatten dies bereits im Vorfeld | |
| betont und auch angekündigt, dass eventuell nicht alle mitlaufen könnten. | |
| Am Samstagmittag auf dem Plac Bohaterow findet sich dann eine pragmatische | |
| Lösung: Nachdem alle auf den Mindestabstand von zwei Metern und die | |
| Maskenpflicht hingewiesen worden sind, teilen die Veranstalter*innen die | |
| Menschenmenge auf dem Platz kurzerhand in zwei Teile, die etwas | |
| zeitversetzt starten. Das ist eine Lösung, mit der offensichtlich auch die | |
| Polizei leben kann, die den Zug wie geplant laufen lässt – auch wenn | |
| schnell klar ist, dass beide die offiziellen Zahlen weit überschreiten. | |
| ## Gegendemo wird mit Kusshand begrüßt | |
| Das Beharren auf dem Recht, sich zu zeigen und für Vielfalt in der Liebe, | |
| in sexuellen Handlungen und Lebensentwürfen einzutreten, ist gerade in | |
| Słubice als Statement nicht ganz ohne. Zwar gehört die Stadt im Westen | |
| Polens nicht zu den Orten, die sich zu LGBT-freien Zonen erklärt haben – | |
| dies haben inzwischen ein Drittel aller polnischen Kommunen, insbesondere | |
| im Süden und im Osten, getan, auch auf Betreiben der regierenden | |
| PiS-Partei. Aber auch hier sind die Regenbogenfarben und die queeren | |
| Lebensformen, für die sie stehen, nicht gern gesehen. | |
| Auf ihrem Weg zum Startpunkt werden Teilnehmer*innen der Pride-Parade | |
| aus den Fenstern von Wohnhäusern beschimpft oder gefilmt, Anwohner*innen | |
| schwenken die polnische Nationalflagge oder filmen und fotografieren die | |
| Teilnehmer*innen. In der Nähe des Startpunkts bereiten Kinder sich | |
| offensichtlich darauf vor, die Parade aus einem kleinen Park heraus mit | |
| Eiern zu bewerfen, kommen dann aber nicht nah genug an die Demo heran. | |
| Kurz vor der Oderbrücke passiert die Parade eine Gruppe von rund 30 | |
| nationalistisch-religiös motivierten Gegendemonstrant*innen, die lautstark | |
| in Dauerschleife beten und Ave Maria singen. Hier steht den | |
| Regenbogenfahnen das Rot-Weiß der polnischen Flagge gegenüber, zusammen mit | |
| Forderungen, Sexualkundeunterricht abzuschaffen, die Familie als von Gott | |
| geschützte Einheit zu betrachten und Kinder nicht bei homosexuellen Paaren | |
| aufwachsen zu lassen. | |
| Die Veranstalter*innen hatten mit dem Gegenprotest bereits gerechnet, die | |
| Gruppen tauchten zuverlässig bei allen queeren Aktionen auf, hieß es. Ein | |
| Regenbogen-T-Shirt sei selbst im als relativ queer-freundlich geltenden | |
| Poznan nicht jederzeit unverfänglich, hatte Mewa Topolska, eine der | |
| Redner*innen, schon im Vorfeld betont. Am Samstag greifen die | |
| Teilnehmer*innen der Parade den monotonen Gebetsgesang halbironisch auf, | |
| werfen den Betenden Kusshände und Herzchen zu oder stimmen sogar selbst mit | |
| ins Gebet ein – um so zu zeigen, dass sie auch katholisch sind. | |
| ## Zielona Góra hat sich zur LGBTIQ-freundlichen Zone erklärt | |
| Konkret fordern die Organisator*innen neben Sichtbarkeit und Respekt | |
| auch Anlaufpunkte und Beratungsangebote für queere Menschen in Frankfurt | |
| (Oder) und Słubice. Sie fordern, dass sich beide Städte in einem | |
| gemeinsamen Beschluss der Stadtverordneten zu sicheren Orten für queere | |
| Menschen erklären. Vorbild könnte hier das polnische Zielona Góra sein, | |
| dass sich kürzlich zur ersten LGBTIQ-freundlichen Zone Polens erklärt habe | |
| – wünschenswert wäre eine ganze Welle solcher Erklärungen in Polen, sagte | |
| ein Redner. | |
| Am Ende der Parade, beim Abschlusskonzert auf dem Frankfurter Brückenplatz, | |
| wird auch noch daran erinnert, dass queere Menschen nicht nur in Polen | |
| angefeindet werden, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern. So | |
| wie in Österreich, wo kürzlich eine Regenbogenfahne öffentlich zerrissen | |
| wurde. Und wie auch in Deutschland, wo die AfD regelmäßig gegen queere | |
| Menschen hetze. | |
| 6 Sep 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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