# taz.de -- „Bild“-Zeitung in Bestform: „Drecksblatt“ spielt Saubermann | |
> Die „Bild“-Zeitung kassiert nach ihrer Solingen-Berichterstattung einen | |
> Shitstorm – und wehrt sich gegen eine moralische Verurteilung. | |
Bild: Auflage im Keller, und die Moral sowieso schon immer: „Bild“-Zeitung | |
Ein „Drecksblatt“ sei die Bild-Zeitung, [1][twitterte der Journalist | |
Stephan Anpalagan] am Sonntag – und wer noch immer für die Bild arbeite, | |
gehöre „verachtet und geächtet“. Anpalagan [2][ging es um die | |
Berichterstattung des Springer-Blatts zum Tod von fünf Kindern in | |
Solingen]. Die Zeitung hatte Whatsapp-Nachrichten des überlebenden | |
Geschwisterkindes gedruckt, einen 12-jährigen Freund interviewt und sein | |
Foto veröffentlicht. | |
„Sie können sich gerne mich (oder andere Führungskräfte) aussuchen. Aber | |
über meine Mitarbeiter steht Ihnen so ein moralisches Todesurteil nicht | |
zu“, [3][entgegnete Daniel Creme]r aus der Bild-Chefredaktion der Kritik. | |
Und ob Anpalagan ein Urteil zusteht! Und nicht nur ihm: Es ist die | |
Meinungsfreiheit, die dafür sorgt, dass die Bild-Zeitung noch immer | |
erscheint und dass Menschen, denen das nicht gefällt, dies kritisieren | |
können. Und selbstverständlich darf jede*r sich dabei auch auf die gesamte | |
Redaktion beziehen, die für ein Blatt arbeitet, dessen Autor*innen Kinder | |
instrumentalisieren und dessen Chefredaktion solch ein Vorgehen mindestens | |
toleriert. | |
Das hat vor 20 Jahren schon Max Goldt festgestellt: „Jemand, der zu dieser | |
Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre | |
verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu | |
sein. Man muß so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch | |
zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.“ | |
Dass Anpalagan sich in diesem Goldt’schen Rahmen bewegt, gibt Cremer selbst | |
zu: Ein „moralisches Todesurteil“ ist eben kein juristisches. Dass ein | |
Chefredakteur der Bild so formuliert, zeugt möglicherweise von einem | |
perfiden Kalkül – genau wie die Pseudo-Reflektiertheit in der Aussage | |
„sachliche/harte Kritik an der Geschichte ist absolut berechtigt“, die auch | |
Teil von Cremers Antwort ist. | |
Zwar hat das Blatt den Artikel inzwischen von bild.de gelöscht und sein | |
Bedauern über die Veröffentlichung der Geschichte ausgedrückt – aber wer | |
harte Kritik erwartet, veröffentlicht nicht solch eine Recherche. Oder eben | |
genau doch: Er hat die Empörung über [4][die eigene moralische | |
Verkommenheit schon einkalkuliert.] So exakt, dass Teile des Cremer-Tweets | |
und der nachgereichten Entschuldigung vermutlich schon einsatzbereit in der | |
stets gut gefüllten Schublade „Reaktions-Floskeln bei Shitstorm“ | |
herumdümpelten. | |
7 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/stephanpalagan/status/1302375214282571778 | |
[2] /Nach-Solingen-Berichterstattung/!5708395 | |
[3] https://twitter.com/DanielC_BILDde/status/1302652482917740547?s=20 | |
[4] https://www.sueddeutsche.de/medien/solingen-bild-rtl-kommentar-1.5022319?fb… | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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