# taz.de -- Der Fall Jakob Blasel: Bitte auch in die CDU! | |
> Sollen Fridays-for-Future-Leute in den Bundestag? Unbedingt! Denn in | |
> unserer Lage ist eine reine Widerstandshaltung verantwortungslos. | |
Bild: Jakob Blasel (Bildmitte) bei einer Fridays-for-Future-Demonstration in Be… | |
Die Kandidatur des führenden Klimapolitikaktivisten Jakob Blasel, 19, für | |
den Deutschen Bundestag hat auch die handelsüblichen Reflexe hervorgerufen, | |
kurzgefasst, aha, jetzt machen Fridays for Future (FFF) also auch brav mit, | |
wussten wir's doch, dass die auch Karriere machen wollen. Bockmist. So zu | |
reden, das sind die letzten Zuckungen der verkorksten Seite der | |
1968-ff.-Kultur. In der Regel vorgebracht von hochgradig schizophrenen oder | |
scheinheiligen Leuten, die auf Ästhetik fixiert sind und nicht auf | |
Problemlösung. | |
Die Bundestagskandidaturen des FFF-Initiators [1][Blasel] und anderer sind | |
auch in der Bewegung umstritten, aber es ist kein Paradigmenwechsel, | |
sondern eine Diversifizierung. Das Reinrufen vom Rand, das Protestieren, | |
das Demonstrieren sind zentral, um Themen in die gesellschaftliche und | |
politische Mitte zu zwingen, aber dann müssen sie dort institutionell | |
bearbeitet werden. Wer die Gesellschaft verändern will, der muss in ihr | |
mitmachen. Nicht mitzumachen ist eine Widerstandshaltung, die man den | |
Autoritären und den Populisten überlassen sollte, denn sie ist angesichts | |
der jetzigen Lage nicht heldenhaft, sondern schlicht und einfach | |
verantwortungslos. | |
## Keine Zeit für Illusionismus | |
In der Lage, in der wir sind, ist es essenziell, dass die vor genau zwei | |
Jahren entstandenen Fridays for Future ihre Entwicklung wirklich so im | |
Zeitraffer vollziehen, wie es jetzt den Anschein hat – und nicht erst mal | |
ein paar Jahrzehnte Selbstverwirklichung und Illusionismus betreiben wie | |
viele Grüne und ihre Gründungsmilieus, bevor sie sich zur | |
Verantwortungsübernahme durchringen. | |
Im Gegensatz zu der boomergeprägten Grünen-Kultur waren die | |
Fridays-Millennials zumindest in der von Greta Thunberg und Luisa Neubauer | |
geprägten Außendarstellung immer auf klimapolitischen Change durch | |
demokratische Mehrheiten in den parlamentarischen Institutionen | |
ausgerichtet. Das Gequatsche vom „System“, das es nicht bringe, kam lange | |
vom linken Rand. Das konnte man in der guten alten Zeit auch schön | |
daherreden. | |
Das Problem ist, dass es nun donnernd vom rechten Rand kommt, weil das | |
„System“ die liberale Demokratie ist, der zunehmend Leute in den USA, | |
Großbritannien, Frankreich, Italien, Polen, Ungarn, Österreich und auch | |
Deutschland nichts mehr zutrauen. Die Systemalternative ist also nicht | |
links oder rechts, sondern liberale Demokratie oder autoritärer | |
Staatskapitalismus/Staatssozialismus wie in China, Russland, Venezuela. Die | |
multiplen eskalierenden Krisen potenzieren autoritäre Sehnsüchte, wenn sie | |
nicht schleunigst und weit über Umverteilung hinaus politisch bearbeitet | |
werden. Das geht nur mit gesellschaftlichen Mehrheiten und neuen | |
gesellschaftlichen Bündnissen. | |
Da ja nun die grünen Bundesvorsitzenden Baerbock und Habeck diese | |
verschiedensten gesellschaftlichen Bündnisse hinkriegen wollen, wäre es | |
konsequent, den vormaligen FFF-Aktivisten Blasel auf der Landesliste | |
Schleswig-Holstein so zu platzieren, dass er in den Bundestag kommen kann. | |
Aber das reicht nicht. Es müssen Fridays-Leute in alle demokratischen | |
Parteien wechseln. Und das wird schwierig. | |
Manche dieser Jungen sind von einer bemerkenswerten politischen Reife, wie | |
sie manche Boomer nie mehr erreichen werden, aber die Vorstellung, zum | |
Zwecke einer flächendeckenden Durchsetzung von Klimapolitik auch in die CDU | |
und FDP zu müssen, scheint noch eine kulturelle Herausforderung zu sein. Es | |
wird ihnen nichts anderes übrig bleiben. „Keiner darf sich sicher wähnen | |
vor Klimaaktivisten“, sagt Luisa Neubauer. „Die Idee ist, dass sie in allen | |
Institutionen sind.“ | |
Die Tragödie der Gegenwart besteht darin, dass das nicht längst und | |
selbstverständlich der Fall ist. | |
31 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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