| # taz.de -- Die Nachfolge Angela Merkels: Kann Söder Kanzler? | |
| > Wer Kanzler werden will, muss der Bundesrepublik Orientierung für die | |
| > nächste Phase geben. Das Duell ist ab sofort eröffnet. | |
| Bild: Schiefes Bild: Zack, und Söder ist ein reifer, differenzierter Staatsman… | |
| Es ist überhaupt nicht erstaunlich, wie schnell sich Markus Söder für Teile | |
| der Mediengesellschaft von einem Hallodri-artigen Ego-Opportunisten in | |
| einen reifen, differenzierten Staatsmann verwandelt hat. Es ist nur ein | |
| Ausweis, wie diese Mediengesellschaft funktioniert. Einerseits wurzelt sie | |
| in anachronistischen Politikvorstellungen. Andererseits ist sie | |
| oberflächenfixiert und immer bereit für den nächsten heißen [1][Scheiß]. | |
| Und so versichern einem die Unbeirrbaren mit routinierter Verachtung, dass | |
| der bayerische Ministerpräsident sich nur verstelle und für Mehrheiten | |
| „alles“ tun würde, während die Beirrbaren mit frischer Überzeugung davon | |
| reden, dass dieser Söder sich ja richtig gut entwickelt habe. | |
| Bayerns reale Coronabilanz – relativ viele Erkrankungen, relativ viele | |
| Arbeitslose – steht im Widerspruch zu Söders neuem Image als „Kann-Kanzler… | |
| und Führungsfigur in Krisenzeiten, aber das nur nebenbei. Wichtig ist die | |
| Frage, welche Bedürfnisse und welche Vorstellung von Politik Leute haben, | |
| die die komplexen Antworten darauf jetzt in Söder projizieren. Meine | |
| Unterstellung wäre, dass es auf die gefühlte Hoffnung hinausläuft, dass der | |
| Beste der Union das ganze Zeug schon regeln wird. | |
| ## Besessen von Symbolpolitik | |
| Da wir besessen von Oberfläche, Symbolpolitik und unseren Lieblingsthemen | |
| sind – ein Kollateralschaden der sorglosen 70 Jahre Bundesrepublik | |
| (Westsicht) –, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es ab Herbst ein | |
| weiteres Wahlkampf-Gesellschaftsgespräch geben wird, in dem Charakter-, | |
| Moral-, Geschlechter- oder gar Kleidungsfragen im Vordergrund stehen, alles | |
| immer schön nationalfixiert. | |
| Die Frage für liberaldemokratische Europäer ist aber, wie wir die liberale | |
| Demokratie und die planetarischen Lebensgrundlagen gegen illiberale und | |
| autoritäre Neu-Angebote verteidigen. Das geht nur, indem diese liberale | |
| Demokratie doch noch in der Lage ist, die großen Fragen zum Wohle möglichst | |
| vieler zu bearbeiten. Große Fragen sind globale und europäische Fragen und | |
| die Antwort kann nicht mehr sein: So geht’s gar nicht, sondern muss sagen, | |
| wie und mit wem es geht. | |
| Und für so einen Wahlkampf suche ich Leute, die sagen, das fordern wir ein. | |
| Es geht um grundsätzliche Orientierung für die nächste Phase der | |
| Bundesrepublik Deutschland. Und da wollen wir doch mal sehen, was | |
| Ministerpräsident Markus Söder von der CSU sich grundsätzlich und im | |
| politischen Detail vorstellt. Und dann wollen wir mal sehen, wie sich sein | |
| Orientierungsansatz unterscheidet von dem Konkurrenzansatz, also dem von | |
| Annalena Baerbock und Robert Habeck von den Grünen. | |
| Der grüne Parteivorsitzende war in dieser Woche mit Schleswig-Holsteins | |
| Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) öffentlichkeitswirksam wandern und | |
| hat scheinbar nebenbei und erst auf Nachfrage das grüne Ziel für die | |
| Bundestagswahl 2021 ausgegeben. Es lautet: möglichst stark in die Regierung | |
| kommen. | |
| Wow. Aber logisch. Das Problem zuletzt war, dass man zweimal aus einer | |
| Position der eigenen Schwäche sondierte. 2013, weil man ein mieses | |
| Wahlergebnis hatte und zerrissen war. 2017, weil man ein mieses | |
| Wahlergebnis hatte und auf die FDP angewiesen war. „Möglichst stark in die | |
| Regierung kommen“ ist ein Versprechen an die neue Mitte der Gesellschaft: | |
| Diesmal ziehen wir den Schwanz nicht ein. Je stärker ihr uns macht, desto | |
| unwahrscheinlicher wird eine Regierung ohne uns, desto mehr können wir von | |
| dem einbringen, was wir im Wahlkampf erörtern. Das ist für Grüne ein großer | |
| Schritt, denn es ist die offizielle Anmeldung zum Wettbewerb um die Führung | |
| der deutschen Gesellschaft. Das, was die Union immer macht, die zerrissene | |
| SPD nicht mehr kann und die gelähmte Linkspartei nie konnte. | |
| Damit ist das Duell eröffnet. Mögen die besseren Argumente gewinnen. | |
| 11 Jul 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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