| # taz.de -- Die Wahrheit: Haben, haben, haben wollen! | |
| > Die Sensation ist perfekt: Ein Erfinder aus Castrop-Rauxel hat die | |
| > Maschine aller Maschinen gebaut und stellt sie nun der Öffentlichkeit | |
| > vor. | |
| Bild: Der Erfinder bei der Arbeit an seiner Wunschmaschine | |
| Anatol Marward aus Castrop-Rauxel ist ein Musikalienhändler um die vierzig, | |
| der eine sensationelle Erfindung gemacht hat. Er hat uns in seine Garage | |
| eingeladen oder zunächst vor die Garage, denn er möchte vor der | |
| Präsentation seines Werkes noch eine kleine Ansprache halten: „Sehr geehrte | |
| Gäste und liebe Freunde von der Presse. Wer hat sich nicht schon oft Dinge | |
| gewünscht? Oder was anderes? Vielleicht etwas total Verrücktes? Und wer | |
| musste sein Gesicht noch nie weinend ins Kopfkissen drücken oder gar sein | |
| Brot unter Tränen essen, weil keiner seiner Wünsche erfüllt wurde? Keiner | |
| von uns!“ Wir schauen uns um. Außer uns ist niemand da. | |
| Ungeduldig beginnen wir, mit den Füßen zu scharren. Endlich findet Marward | |
| in einer der Taschen seiner Multifunktions-Shorts eine Fernbedienung, die | |
| er Beifall heischend und mit selbstbewusstem Augenzwinkern wie einen | |
| Revolver auf das graue Garagentor richtet und abdrückt. Und das Tor | |
| schwingt langsam und quietschend auf. Was wir zu sehen bekommen, verschlägt | |
| uns beinahe den Atem: Zwischen alten Farbtöpfen, einem ausrangierten | |
| Dreirad, unzählbaren Kartons, verstaubten Flaschen, verkrusteten Tiegel, | |
| einer toten Katze, keimenden Kartoffeln, einem Pferdeskelett, einer | |
| Gasmaske und einer verrosteten Mumie steht da ein mannshoher, glänzender, | |
| kegelförmiger, kosmosblauer und mit tellergroßen, bronzenen Noppen | |
| verzierter Apparat, der schon beim ersten Anblick Vertrauen erweckt. | |
| Andächtig falten wir die Hände, doch Marward scheucht uns wieder auf: | |
| „Nein, nein, das ist es nicht, was ich Ihnen zeigen wollte, das ist nur ein | |
| altes Filmrequisit.“ Ach so. | |
| Marward führt uns mit verschwörerischem Lächeln durch eine Geheimtür, die | |
| wir in der Garage zuvor nicht bemerkt hatten, in eine riesige, nach | |
| Maschinenöl riechende Halle. Abermals stockt uns der Atem, denn das, was | |
| wir jetzt zu sehen bekommen, sprengt alle Erwartungen: Das gigantische, | |
| graue, haushohe, fleischwolfartige Metallungetüm stöhnt und knarzt, während | |
| auf der einen Seite – wobei man von Seiten eigentlich gar nicht reden kann, | |
| denn das Monstrum verändert ständig seine Form – gewaltige Zahnräder | |
| ineinander greifen und an anderer Stelle dickwandige Rohre sich mit | |
| chromglänzenden Drähten zu einer bizarren Formation von schnarrenden | |
| Gelenkverbindungen zusammen schließen. | |
| ## Geld und Auto | |
| „Das ist eine Wunschmaschine, die ich selbst gebaut habe. Sie kann jeden | |
| Wunsch erfüllen!“, ruft Marward stolz. Und – zugegeben – das Ding sieht | |
| beeindruckend aus. Nun wollen wir selbstverständlich auch ein paar Wünsche | |
| erfüllt haben. Zuerst wünschen wir uns tausend Euro und einen alten Ford | |
| Mustang. In Rot. | |
| Marward lacht jovial und zieht einen knarrenden Hebel nach unten. Die | |
| Maschine erbebt, hustet und spuckt ein paar Schrauben von sich. Dann | |
| erstirbt jede Bewegung. Marward schreit uns wütend an: „Das ist eure | |
| Schuld! Das war zu schwer! Ich weiß nicht, ob ich das wieder hinkriege!“ | |
| Zornig kramt er in einem Werkzeugkasten, bis er einen Siebenerschlüssel | |
| gefunden hat, mit dem er die verlorenen Schrauben wieder anbringt, während | |
| er mit bösartig klingender Stimme vor sich hin murmelt: „Haben, haben, | |
| haben, den Hals nicht voll kriegen, und wer darf es wieder ausbaden? Der | |
| kleine Mann und seine Wunschmaschine.“ | |
| Endlich hat er die Maschine repariert und fordert uns zu einem neuen Wunsch | |
| auf. Wir denken beinahe eine halbe Stunde nach, wir wollen die | |
| Wunschmaschine nicht noch einmal überfordern und entscheiden uns dann | |
| dafür, etwas Einfacheres zu verlangen: Strohhüte sollen preiswerter werden. | |
| ## Wut und Flucht | |
| Da dreht Marward komplett durch: „Wie soll meine Maschine das denn machen? | |
| Habt ihr sie noch alle? Denkt ihr auch mal nur einen Augenblick nach? | |
| Wünscht euch sofort was anderes!“ Wir beginnen etwas zu schwitzen, die | |
| Situation scheint aus dem Ruder zu laufen, und wir würden am liebsten | |
| gehen, doch Marward hat alle Ausgänge verrammelt. | |
| „Wünscht euch was!“, herrscht er uns an, und er sieht dabei keineswegs | |
| friedfertig aus. Auch die Wunschmaschine vibriert bedrohlich, wir dürfen | |
| jetzt wirklich keinen Fehler mehr machen. Mit zitternder Stimme trage ich | |
| vor: „Wir wünschen uns, dass irgendwann das Wetter wechselt.“ | |
| Ängstlich warten wir Marwards Reaktion ab. Er senkt seinen Kopf und reibt | |
| sich sie Nasenwurzel zwischen den Fingern. Dann schaut er auf und fragt uns | |
| tränenblind: „So seid ihr, ja? Ihr von der Presse? Euch geht es doch immer | |
| nur um die schnelle Schlagzeile. Hauptsache, die Konkurrenz abhängen. Was | |
| der kleine Mann auf der Straße fühlt, ist euch egal. Schert euch nur raus | |
| hier!“ Weinend bricht er zusammen. | |
| Draußen vor der Tür können wir unser Glück gar nicht fassen. Das Einzige, | |
| was wir uns in der letzten Stunde gewünscht hatten, war, heil dort heraus | |
| zu kommen. Die Maschine funktioniert! Was für eine Story! | |
| 1 Sep 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Corinna Stegemann | |
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