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# taz.de -- Die Wahrheit: Der wütende Computerfreak
> Der Wahrheit-Mini-Krimi hoch vier. Die in höchstem Maße grausigen Morde
> an Herrn Ronald Feist. Heute Folge 3: Der Verdächtige Heiko Wagner.
Bild: Weiter winden sich die Verdächtigen und gestehen dann doch
Was bisher geschah: Die gesamte Nachbarschaft bangt noch immer. Herr Ronald
Feist, der Mann, der schon um 6.30 Uhr an sämtlichen Wohnungstüren im Haus
sturmläutet, weil irgendjemand im Haus offensichtlich am Abend zuvor
unberechtigterweise eine Wäscheleine im Keller in Benutzung hatte, die
„diesem Jemand“ in der Zeit gar nicht offiziell zur Verfügung stand, und
der es nicht für nötig befunden hatte, seine illegitime Wäsche umgehend von
der falschen Leine wieder zu entfernen; der Mann, der genau weiß, wer
welches Waschmittel benutzt und wer womöglich auch noch Weichspüler und
Calgon stiehlt; der Mann, der genau Buch darüber führt, zu welcher Uhrzeit
welcher Mieter das Haus verlässt und wieder zurückkommt – oder nach 22 Uhr
noch skandalösen Besuch auf dem Balkon hat; der Mann, der von morgens bis
abends die Straße fegt, um auch die Bewohner der umliegenden Häuser im Auge
behalten zu können; dieser allseits beliebte Mann ist noch immer
verschwunden. Die Polizei hatte bereits zwei Verdächtige festgenommen.
Der erfahrene Kommissar Friedemann Brandtstätter und seine junge Kollegin
Kassandra Birnbaum gehen mehr denn je von einem Verbrechen aus und nehmen
jetzt den Computertechniker Heiko Wagner (32) aus dem dritten Stock genau
unter die Lupe, von dem Herr Feist mehrfach hinter vorgehaltener Hand
jedem, der nicht bei drei auf den Bäumen war, erzählt hatte, Wagner
betreibe neben mehreren sehr anrüchigen Internetseiten auch noch eine
illegale Welpenzucht in seinem Badezimmer.
Durch den Spanischen Spiegel im Polizeirevier beobachten die Ermittler den
Verdächtigen zunächst aus einem Nebenzimmer. Wagner tippt auf seinem
Smartphone herum und blickt hin und wieder gehetzt im Verhörraum umher.
Unter seiner Beanie-Mütze lugen vereinzelt verfilzte rote Strähnen hervor,
sein Gesicht ist breit und talgig, und seinen Hoodie, der aussieht, als
würde er nicht gut riechen, ziert ein stilisiertes „Fliegendes
Spaghettimonster“.
Brandtstätter blickt Birnbaum vielsagend an, und die Kollegin nickt ihrem
Partner wissend zu. Dann gehen sie rein.
## Router auf abgelegener Bohrinsel
Kaum haben sie die Tür geöffnet, springt Wagner auch schon auf und ruft
nervös: „Ich gebe alles zu! Ich habe über einen Router, der auf einer
Bohrinsel in der Nordsee versteckt ist, unter falschem Namen einem
Administrator, der nur mit verstellter IP-Adresse kommuniziert und meine
illegalen Websites im Darknet verwaltet, ein selbst geschriebenes Programm
geschickt, das der Admin mir dann professionell verschlüsselt wieder
zurückgeschickt hat. Das neue Programm habe ich dann auf meinem Laptop
installiert, und so verschleiert habe ich dann bei Google ‚Wie mordet man
am besten und am brutalsten per Internet?‘ eingegeben. Die Ergebnisse waren
komplett für den Arsch.
Deshalb habe ich mir bei Amazon ein Brecheisen besorgt, Feists Tür
aufgebrochen und dem Arsch erst mal ordentlich eine gepfeffert. Mein Plan
war, sobald der Arsch ohnmächtig am Boden liegt, erst mal ein paar
höllische Viren auf seinen PC zu laden. Danach wollte ich ihm noch mal eine
pfeffern. Aber können Sie sich das vorstellen? Der Arsch hatte gar keinen
Computer! Da wurde ich so wütend, dass mir die Galle hochkam!
Ich habe zuerst mit einem japanischen Messer, das zufällig herumlag, seine
Ohren abgeschnitten. Warum, weiß ich nicht genau, es kam mir einfach
richtig vor. Da wurde er wach und stöhnte provozierend. Ich hab dem Arsch
gleich noch mal ordentlich eine gepfeffert. Mit dem Brecheisen. Das war
eine exorbitant haptische Erfahrung, ich kann Ihnen sagen. Dann kam mir
eine Idee: Ich überlegte, was Steve Jobs an meiner Stelle getan hätte …“
## Hand auf zierlicher Schulter
Der erfahrene Brandtstätter bemerkt, dass seiner jungen Kollegin Birnbaum
die Knie zittern. Er legt ihr beruhigend seine starke Hand auf die
zierliche Schulter und spürt, dass die Birnbaum jetzt sichtlich entspannt
den sanften Druck erwidert. Sie blicken sich wie zufällig gleichzeitig
verlegen und verwirrt tief in die Augen.
„Und dann wusste ich, was zu tun ist“, fährt Wagner nun ruhig und mit
selbstgefälligem Lächeln fort.
Doch Brandtstätter und Birnbaum hören nicht mehr wirklich konzentriert zu.
Satzfetzen wie „extrem schmerzhafte Batteriesäure“ oder „mit der
elektrischen Heckenschere die Zunge“, „mit dem Pürierstab die Eingeweide�…
„die Hand in den Toaster“ und „in der Sauna zu Tode geröstet“ dringen …
noch schemenhaft zu ihnen durch, während ihre Blicke nicht mehr voneinander
lassen können.
Plötzlich schreckt Kassandra Birnbaum aus diesem magischen Augenblick auf
und wendet sich direkt an den Verdächtigen: „Was ist mit dieser illegalen
Welpenzucht?“
Wagner lacht: „Ich verticke die Tölen doch nur über einen rumänischen
Server. In meiner Kohlenstoff-Dreckshöhle würde ich nie ein Tier halten.
Ich bin so tierlieb, dass ich sogar bei der Internet-Moorhuhnjagd
absichtlich danebenschieße.“
Der Zauber des Augenblicks scheint endgültig verflogen. Kommissar
Brandtstätter räuspert sich und sagt kühl: „Der war es nicht. Bei Feist
wurde nicht eingebrochen. Wir sollten nun das ehrenwerte Paar aus dem
vierten Stock besuchen. Das mit dem geheimen Chemielabor in der
Abstellkammer.“
3 Nov 2020
## AUTOREN
Corinna Stegemann
## TAGS
Krimi
Morde
Täter
Pflanzen
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