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# taz.de -- Die Wahrheit: Der perverse Pastoralgehilfe
> Der Wahrheit-Mini-Krimi hoch vier. Die in höchstem Maße grausigen Morde
> an Herrn Ronald Feist. Heute Folge 1: Der Verdächtige Gernot Wienbeuker.
Bild: Die Verdächtigen winden sich und gestehen dann doch die grausame Tat vol…
Die Nachbarschaft ist in Aufruhr. Herr Ronald Feist, der Mann, der alles
kann, der Mann der schon um 6.30 Uhr fröhlich pfeifend Mülltonnendeckel
auf- und wieder zuknallt, die Straße pflastert, Bäume fällt oder sieben
Fahrradständer unter lautem Geschepper unentwegt von einer Bordsteinkante
über die andere schubst, der Mann, der gleichzeitig den Hinterhof, den
Vorgarten, die Waschküche und sämtliche Parkplätze im Auge behält, der
Mann, der unter großem Krawall einen Sandkasten für einen neuen
Geräteschuppen zubetoniert, der Mann, der nicht müde wird, den Rasen zu
mähen, bis er auf Grundwasser stößt und der zu jeder Tages- und Nachtzeit
laut bellend friedliche Krähen und das Wetter beschimpft, dieser allseits
beliebte Mann ist plötzlich verschwunden.
Die Polizei geht von einem Verbrechen aus und hat schon einen ersten
Verdächtigen: Gernot Wienbeuker (47). Wienbeuker wohnt ein Stockwerk über
dem Vermissten und blickt fahrig im Verhörraum umher.
Lahmer Regen prasselt monoton gegen das trübe Fensterglas des nach
Angstschweiß und Linoleum riechenden Zimmers. Eine verirrte Motte versucht
zappelnd, sich wieder vom klebrigen Fliegenband zu lösen, das lustlos von
der Decke baumelt und reißt sich dabei die filigranen Flügel kaputt. Das
flackernde Licht der in Wienbeukers Gesicht gerichteten Verhörlampe malt
bizarre Schatten an die grauen Wände, die schon bessere Zeiten gesehen
haben. Der erfahrene Kommissar Friedemann Brandtstätter und seine junge
Kollegin Kassandra Birnbaum blicken Wienbeuker extrem streng an. Sie haben
Zeit.
Dann bricht Wienbeuker zusammen: „Ja, ich war es“, schluchzt er. „Ich
konnte sein falsches Lachen nicht mehr ertragen. Erst hat er meine Katze
vergiftet und verscharrt und dann noch tagelang scheinheilig an der Suche
nach dem armen kleinen Bimbo teilgenommen.“
## Weinen und Schniefen
Der Pastoralgehilfe sackt hörbar in sich zusammen. Lange hört man nur
ausgedehntes Weinen und Schniefen, bis sich der Alleinstehende wieder
berappelt und mit seinem Bekenntnis fortfährt: „Wissen Sie, ohne meinen
kleinen Bimbo habe ich nun gar keine Chancen mehr, hin und wieder Damen zu
einem Besuch in meine Wohnung zu locken. Ich mag Damen, und Damen mögen
Katzen, und mein Bimbo war eine besonders niedliche Katze.“
Brandtstätter und Birnbaum blicken sich vielsagend an und denken an die
sechs Frauen, die kürzlich in der Gegend als vermisst gemeldet wurden, doch
das scheint nichts mit diesem Fall zu tun zu haben.
Nun wollen sie von Wienbeuker Einzelheiten zum Tathergang wissen. Und
Wienbeuker legt los: „Ich habe ihm um fünf Uhr in der Früh im Treppenhaus
aufgelauert. Als er, wie jede Nacht, seinen Kontrollgang durch die
Stockwerke machte und an allen Wohnungstüren lauschte, habe ich ihm einen
Strick um den Hals geworfen und so fest zugezogen, dass sein Kehlkopf
sofort zerbrach. Er konnte nicht mal mehr ‚Kehrwoche‘ rufen. Dann habe ich
ihn in seinen Schuppen gezerrt und ihm die Geräte gezeigt …“
An dieser Stelle bricht Wienbeuker in ein irres Kichern aus. „Die Geräte
zeigen, verstehen Sie? Seine eigenen Geräte, hihi, hihi … Mit der
Heckenschere habe ich ihm zuerst sieben Finger abgekniffen, für jeden
Fahrradständer einen. Als ich die Bohrmaschine anhob und einschaltete,
genoss ich noch einen letzten Blick auf seine panisch aufgerissenen Augen –
dann war es auch damit vorbei.“
Jetzt kommt Wienbeuker richtig in Fahrt: „Was ich mit der Gartenkralle an
ihm ausprobiert habe, ist nicht ganz jugendfrei, aber hätten Sie gedacht,
dass man mit einem elektrischen Rasenmäher einen Menschen … nun ja –
schälen kann?“
Brandtstätter und Birnbaum blicken sich abermals vielsagend an. Ein kaum
merkliches beiderseitiges Nicken zeigt das tiefe Verständnis der beiden
Partner, die im Polizeidienst blind aufeinander vertrauen können. „Werft
den Perversen raus!“, ruft Brandtstätter, „Der weiß nichts! Der will sich
nur wichtig machen!“
## Heulen und Aufbäumen
Gernot Wienbeuker bäumt sich heulend auf. „Aber ich hätte es tun können,
ich träume schon lange davon! Ich hätte es gerne getan! O mein Gott, hätte
ich es doch nur getan, als es noch nicht zu spät war!“
Nur langsam verklingen seine verzweifelten Schreie, während er von
Vollzugsbeamten vor die Tür geschleppt und mit einem Tritt in den
Allerwertesten verabschiedet wird.
Die Motte am Fliegenband zappelt noch lahm, scheint aber den aussichtslosen
Kampf mittlerweile aufgegeben zu haben. Kommissar Brandtstätter zündet sich
eine Zigarre an und blättert in den Akten. Dann stutzt er und fragt seine
Kollegin Birnbaum: „Was ist denn mit dieser irren Frau Schmidtsiefen aus
dem Souterrain, die mit der geheimen Pilzzucht im Blumenkasten und der
Messerschmiede im begehbaren Kleiderschrank? Die, die sich ständig über das
seltsame Gerumpel in Feists Schuppen aufregt? Könnte die etwas mit Feists
Verschwinden zu tun haben?“
Kassandra Birnbaum zieht wie elektrisiert eine Augenbraue in die Höhe und
sagt: „Die sollten wir vielleicht morgen mal vorladen …“
20 Oct 2020
## AUTOREN
Corinna Stegemann
## TAGS
Krimi
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