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# taz.de -- Landesbürgschaft für Schalke 04: Kein Konsens mehr um Kohle
> Steuergeld in den Profifußball zu pumpen, hat Tradition. Dass dies
> heutzutage skandalisiert wird, hat mit dem Wandel des Business zu tun.
Bild: Schützenswertes Kulturgut: Schalke-Kunst in Gelsenkirchen
Skandal! Steuergeldverschwendung! Populismus! Natürlich ist es einfach, die
Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für den [1][FC Schalke 04] zu
kritisieren. Und die Kritik ist ja auch berechtigt. Warum soll man einen
Klub, der Millionäre beschäftigt, deren vordringliche Aufgabe es ist, in
einem Sportwettkampf zu bestehen, mit staatlichen Kreditabsicherungen vor
der Insolvenz retten? Die Frage kann man sich schon stellen in Zeiten, in
denen etwa Borussia Dortmund auf Kaufangebote für seinen Angestellten Jadon
Sancho wartet und wahrscheinlich erst bei einer Summe von weit über 100
Millionen Euro darüber nachdenkt, in Verhandlungen einzusteigen.
Und doch ist es so einfach nicht. Das liegt nicht allein an der Bedeutung
des FC Schalke 04 auch als Arbeitgeber für die nun wahrlich nicht mit
Wohlstand gesegnete Stadt Gelsenkirchen. Hätte sich NRW dazu entschieden,
den Klub nicht abzusichern, wäre das einem Kulturbruch gleichgekommen. Denn
es ist keineswegs eine Besonderheit, dass Fußballklubs mit staatlichen
Bürgschaften am Leben gehalten werden. Eine Besonderheit wäre gewesen, wenn
NRW den Antrag der Schalker abgelehnt hätte.
Die Förderung des Kulturguts Fußball durch die öffentliche Hand ist eine
lange eingeübte Praxis, die auf einem großen gesellschaftlichen Konsens
beruhte. Gewiss ist es ein Feld, auf dem Politiker punkten können, wenn sie
sich nach Applaus sehnen. Ein Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz möchte
nicht als Totengräber des ruhmreichen [2][1. FC Kaiserslautern] in die
Landesgeschichte eingehen. Und zur Geschichte des Landes gehört eben auch
dieser mittlerweile fast zugrunde gewirtschaftete Fußballverein. Weil dort
so schlecht gearbeitet wurde, dass es schier wehgetan hat, gab es immerhin
größere Diskussionen um die Sinnhaftigkeit der Beihilfen für den Klub und
dessen Stadion aus Landesmitteln.
## Bürgschaften noch und nöcher
Normalerweise schaffen es Nachrichten über die Förderung des Profifußballs
in Deutschland aber nicht in die ganz dicken Schlagzeilen. So hat [3][eine
Recherche des WDR] über Bürgschaften des Landes NRW für
Stadiongesellschaften von Profiklubs kaum für Aufsehen gesorgt. Zu
Lockdownzeiten berichtete der Sender über Risiken für das Landesbudget
durch möglicherweise fällige Bürgschaften, sollte der Spielbetrieb der
Ligen pandemiebedingt angehalten werden.
Hätte Drittligist MSV Duisburg die Coronakrise nicht überlebt, wären
demnach 4,5 Millionen Euro fällig gewesen. Beim Zweitligisten VfL Bochum
wären es 5,7 Millionen gewesen. Und für die Stadiongesellschaft des FC
Schalke errechnete der WDR bei einer Insolvenz eine Zahlungsverpflichtung
des Landes in Höhe von 38,5 Millionen Euro. Große Diskussionen darüber gab
es nicht.
Und auch wenn es in München Kritik daran gab, dass die Landeshauptstadt und
der Freistaat Bayern über 200 Millionen Euro in die Erschließung des
Stadions mit Straßen und U-Bahn investiert hat, so ist darüber ebenso wenig
eine große Diskussion entstanden wie über die Überlassung des Grundstücks
zu einem niedrigen Erbbauzins. Auf günstige Grundstücksdeals für kommunale
Flächen konnten sich Profiklubs beim Bau von Stadien oder Trainingsanlagen
immer verlassen. Ein Feld für große politische Auseinandersetzungen war das
nie. Der Fußball galt als prinzipiell förderungswürdig.
Dass die Landesbürgschaft für Schalke so hohe Wellen schlägt, ist ein Beleg
dafür, dass sich die Rolle des Profifußballs und seine Wahrnehmung in der
Gesellschaft verändert. Das Kulturgut Profifußball wird mehr und mehr als
Business wahrgenommen. Der Fan in seiner Kutte ist nur noch die Kulisse für
ein Produkt, das um Kunden wirbt. Der entgrenzte Profifußball verliert
seine gesellschaftliche Anbindung. Die Skandalisierung der Bürgschaft für
Schalke ist eine Folge davon.
Gut möglich, dass es die letzte Bürgschaft ist, die der Klub erhält.
29 Jul 2020
## LINKS
[1] /FC-Schalke-04-stellt-neuen-Kurs-vor/!5693510
[2] /Politische-Oekonomie-des-Fussballs/!5695249
[3] https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/buergschaften-fussball-nrw-bu…
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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