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# taz.de -- Weniger Treibhausgase durch Homeoffice: Lockdown nutzt dem Klima
> Telearbeit schützt das Klima und entlastet den Verkehr. Umweltschützer
> setzen sich für ein Recht auf Homeoffice ein.
Bild: Die Arbeit im HomeOffice ist gut für das Klima
Berlin taz | Das Coronavirus ist zwar eindeutig ein Menschenfeind, aber
vielleicht auch ein Klimaretter. In den ersten Monaten der Pandemie hat
sich der weltweite Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre deutlich
verringert und damit auch die Dynamik des Treibhauseffekts.
Wissenschaftlerinnen des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und
Technologiebewertung (IZT) haben in einer von Greenpeace beauftragten
Studie untersucht, welche Rolle dabei die verstärkte Nutzung des
[1][Homeoffice in der Arbeitswelt] spielt und wie sich dieser Trend zum
virtuellen Büroarbeit verstetigen lässt.
„Das Homeoffice ist eine Möglichkeit, stau- und abgasgeplagte Städte
dauerhaft zu entlasten und Emissionen im Verkehrsbereich zu senken“,
stellen die IZT-Autorinnen Lisa Büttner und Anna Breitkreuz in ihrer
[2][Studie „Arbeiten nach Corona. Warum Homeoffice gut fürs Klima ist“]
fest. Nach ersten Schätzungen hat sich mit dem Lockdown seit März, mit dem
aus Gründen des Infektionsschutzes auch viele Betriebe der
Dienstleistungsbranche zeitweilig geschlossen wurden, der Anteil der
„elektronischen Heimarbeit“ in der deutschen Wirtschaft auf 25 bis 37
Prozent erhöht. Zuvor lag die Zahl der Homeoffice-Nutzerinnen und -Nutzer
bei etwa 13 Prozent.
Der Homeoffice-Schub hat auch ganz Europa erfasst, wie die in der Studie
verwendeten neueren Daten der EU-Statistik-Behörde Eurostat verdeutlichen.
Danach hat sich im ersten Halbjahr 2020 der Anteil der
Homeoffice-Arbeitsplätzen an allen Arbeitsstätten auf 39 Prozent erhöht.
Spitzenreiter ist Finnland mit 59 Prozent vor Holland mit 54 und Belgien
mit 53 Prozent. Deutschland rangiert in der EU-Statistik mit 37 Prozent
Homeoffice-Arbeitsplätzen etwas unterhalb des Europa-Durchschnitts.
Erstaunlicherweise kommen auch die baltischen Staaten, sonst IT-Pioniere,
auf keine höheren Werte. Schlusslicht ist Rumänien mit 18 Prozent.
„Der sprunghafte Anstieg von Menschen, die plötzlich von zu Hause aus
arbeiten, hat der digitalen Durchdringung unserer Gesellschaft einen Schub
versetzt“, heben die IZT-Forscherinnen hervor. Bisherige Arbeitsroutinen
würden durch die aktuellen Erfahrungen mit dem verteilten Arbeiten in der
Pandemie neu bewertet: „Müssen wir fünf Tage die Woche von unserer
Wohnstätte zu einem teilweise weit entfernten Schreibtisch bewegen? Oder
lassen sich viele Tätigkeiten nicht ebenso gut am heimischen Schreibtisch
erledigen?“ Das klassische Pendlermodell, das für die gesundheits- und
klimaschädlichen Verkehrsemissionen mit verantwortlich ist, kommt auf den
Prüfstand.
## Weniger Pendelverkehr
Die IZT-Untersuchung rechnet zwei Modelle durch: Ein oder zwei zusätzliche
Homeoffice-Tage und ihre Umweltauswirkungen, und zwar in zwei Varianten.
Das „konservative Szenario geht von einem Homeoffice-Anteil von 25 Prozent
aus, die „fortschrittliche Variante“ legt 40 Prozent zugrunde. „In unserem
konservativen Szenario könnte ein zusätzlicher Homeoffice-Tag in
Deutschland 1,6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen und die
Verkehrsleistung des Pendelverkehrs um 10,9 Milliarden Personenkilometer
reduzieren“, bilanziert die Studie. Damit könnten die Emissionen des
Pendelverkehrs pro Jahr um 5 Prozent gesenkt werden.
Im fortschrittlichen Szenario werden an einem Tag 18,4 Milliarden und bei
zwei Tagen 35,9 Milliarden Personenkliometer an Pendelfahrten eingespart.
Daraus ergeben sich jährliche Emissionsreduktionen von 2,8 Millionen Tonnen
CO2 bei einem und 5,4 Millionen Tonnen CO2 bei zwei Tagen. „Das entspricht
18 Prozent der Emissionen aus dem Pendelverkehr und 4 Prozent der
Gesamtemissionen des Personenverkehrs in Deutschland.“ Auch die Straßen
würden gerade in den Stoßzeiten deutlich entlastet. Ein Stück Verkehrswende
durch mehr Heimarbeit.
Vor allem der private Autoverkehr müsste reduziert werden. Nach Daten des
Bundesverkehrsministeriums stammen von den jährlich 30 Millionen Tonnen
Kohlendioxid aus dem Verkehr in Deutschland 90 Prozent aus dem
Pendelverkehr mit dem privaten Auto zum Arbeitsplatz. Der übergroße Anteil,
nämlich 86 Prozent, entsteht aus Fahrten, bei denen nur eine Person im Auto
sitzt. Lediglich 6 Prozent, sind auf Mehrpersonenfahrten zurückzuführen.
Allein an dieser Stelle ergäbe sich ein Reduktionspotential. Acht Prozent
der Emissionen stammen aus dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Zum
Vergleich: Der gesamte Personenverkehr verursacht jährlich 145 Millionen
Tonnen CO2.
„Die Coronamonate haben gezeigt, dass sich viele Arbeiten problemlos von zu
Haus erledigen lassen“, erklärt Greenpeace-Sprecher Benjamin Stephan.
„Bundesregierung und Unternehmen sollten die Arbeit im Homeoffice jetzt
konsequent fördern, denn Telearbeit schützt das Klima, entlastet den
Verkehr und schenkt Arbeitnehmenden Zeit und Flexibilität.“
## Geld für öffentlichen Verkehr
Die Bundesregierung sollte jetzt damit beginnen, die Pendlerpauschale
schrittweise zu streichen und die freiwerdenden Gelder in einen attraktiven
öffentlichen Verkehr investieren, lautet eine zentrale Forderung der
Umweltorganisation. Auf diese Weise könnten auch schlechter bezahlte
ArbeitnehmerInnen profitieren, „deren Tätigkeiten sich seltener ins
Homeoffice verlagern lassen“.
Nötig sei ein „gut gestalteter regulativer Rahmen“, in dem faire
Arbeitsbedingungen mit Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien
kombiniert werden: „Dann kann Homeoffice ein wichtiger Teil der
Mobilitätswende sein“, so Greenpeace. Zum künftigen Rechtsrahmen, den die
Studie skizziert, sollte etwa „ein Recht auf Homeoffice“ gehören. Was
bedeutet: „Arbeitende, deren Tätigkeiten sich auch von zu Hause erledigen
lassen, sollten daran von ihren Arbeitgebern rechtlich nicht gehindert
werden können.“
Hinzukommt die Verbesserung der in Deutschland noch unzureichenden
technischen Infrastruktur, kurz: „Gutes Netz für alle“. Konkret müsse der
r[3][asche Ausbau von Glasfaseranschlüssen und die Einführung eines
flächendeckenden 5G-Netzes] für alle Haushalte, auch in den ländlichen
Regionen, vorangetrieben werden, damit die Hardwarevoraussetzungen für
Telearbeit gegeben sind.
30 Aug 2020
## LINKS
[1] /Auswirkungen-der-Coronapandemie/!5702382
[2] https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/arbeiten-nach-corona
[3] /Bundeskabinett-beschliesst-Netzausbau/!5638800
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
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